Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 V 98



105 V 98

23. Urteil vom 7. März 1979 i.S. Dardenne gegen Staatliche
Arbeitslosenkasse Basel-Stadt und Schiedskommission für
Arbeitslosenversicherung des Kantons Basel-Stadt Regeste

    Art. 17 Abs. 1 AlVV. Die Befreiung vom Beschäftigungsnachweis gilt nur
für jene arbeitslosen Tage, die innerhalb der Frist von 365 Tagen liegen,
die am 1. Tag nach dem Studienabschluss zu laufen begonnen hat.

Sachverhalt

    A.- Philippe Dardenne bestand im Jahre 1971 die Eidgenössische
Maturität und schloss am 2. Juli 1976 in Kiel BRD das Studium der
Meereskunde mit dem Diplom ab. Da er, in die Schweiz zurückgekehrt,
als Diplombiologe hier keine Stelle fand, begann er im August 1976 an
der Universität Zürich zu doktorieren. Am 1. Juli 1977 ersuchte er um
Arbeitslosenentschädigung für die Zeit ab 29. Juni 1977.

    Am 16. August 1977 teilte er dem Arbeitsamt Basel-Stadt mit, dass
er an einer am 31. Oktober 1977 beginnenden Antarktis-Expedition und zu
diesem Zweck im September 1977 an einem dreitägigen Vorbereitungskurs in
Kiel teilnehmen werde.

    Mit Verfügung vom 8. September 1977 eröffnete die Staatliche
Arbeitslosenkasse Basel-Stadt dem Versicherten, er erfülle die
Voraussetzungen der Anspruchsberechtigung nicht. Denn da zwischen dem
Studienabschluss und der Anmeldung zum Leistungsbezug mehr als ein Jahr
liege, habe die in Art. 17 Abs. 1 AlVV vorgesehene Befreiung vom Nachweis
einer beitragspflichtigen Beschäftigung für ihn keine Gültigkeit. Zudem
sei er als Doktorand und als Teilnehmer an der Antarktis-Expedition
ohnehin nicht vermittlungsfähig.

    B.- Beschwerdeweise machte Philippe Dardenne geltend, als er das
Taggeldgesuch eingereicht habe, sei seit dem Studienabschluss noch kein
Jahr verflossen, und am 1. Juli 1977 sei sein Anspruch noch nicht erloschen
gewesen. Es stimme ferner nicht, dass er vermittlungsunfähig sei.

    Die Schiedskommission für Arbeitslosenversicherung des Kantons
Basel-Stadt anerkannte die Vermittlungsfähigkeit, vertrat aber die
Auffassung, der Versicherte sei nur bis zum 1. Juli 1977 vom Nachweis
einer beitragspflichtigen Beschäftigung befreit gewesen und habe
deshalb bloss für die beiden Tage vom 30. Juni und 1. Juli 1977 ohne
Beschäftigungsnachweis Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. In diesem
Sinne hiess die Vorinstanz am 28. Februar 1978 die Beschwerde teilweise gut
(Dispositiv Ziffern 1 und 2). In Ziffer 3 des vorinstanzlichen Dispositivs
wird ferner festgehalten, dass der Versicherte für die Zeit ab 2. Juli
1977 Taggeld lediglich dann beanspruchen könne, wenn er den üblichen
Arbeitsnachweis erbringe.

    C.- Philippe Dardenne führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem
Antrag, es sei sein Anspruch auf 150 Taggelder im Jahre 1977, mit Beginn
am 29. Juni 1977, anzuerkennen...

Auszug aus den Erwägungen:

      Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung besteht darin, dass der Versicherte, der erstmals
im Kalenderjahr einen solchen Anspruch geltend macht, nachweist, dass er
in den 365 Tagen vor der Geltendmachung während mindestens 150 vollen
Arbeitstagen eine genügend überprüfbare Beschäftigung als Arbeitnehmer
ausgeübt hat, für die er beitragspflichtig war (Art. 9 Abs. 2 AlVB in
Verbindung mit Art. 24 Abs. 2 lit. b AlVG und Art. 12 Abs. 1 AlVV). Eine
Ausnahme von dieser Regel statuiert der auf die Delegationsnorm des
Art. 9 Abs. 5 AlVB sich stützende Art. 17 AlVV. Nach dessen Absatz 1
sind Personen im Alter von mindestens 15 Jahren, die nach Schulaustritt,
nach einer beruflichen Ausbildung an einer Schule oder nach einer
branchenüblichen Anlehre wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse keine
zumutbare Beschäftigung als Arbeitnehmer finden, "für die Dauer von
höchstens einem Jahr seit Schulaustritt oder Abschluss bzw. Abbruch der
Ausbildung" vom Nachweis der beitragspflichtigen Beschäftigung befreit,
sofern sie sich der Arbeitsvermittlung uneingeschränkt zur Verfügung
stellen.

    Umstritten ist im vorliegenden Fall vor allem die Grundsatzfrage, wie
lange sich die Befreiung vom Beschäftigungsnachweis auswirkt. Während
der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, es genüge, dass
der Taggeldanspruch innerhalb des dem Studienabschluss folgenden
Jahres geltend gemacht werde, damit der Leistungsansprecher ohne
Beschäftigungsnachweis im betreffenden Kalenderjahr in den Genuss der
gesetzlich vorgesehenen jährlichen Höchstzahl von 150 Taggeldern gelangen
könne, meinen Kasse und Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit, die
Befreiung vom Beschäftigungsnachweis gelte nur für jene Arbeitslosentage,
die innerhalb des Jahres nach Studienabschluss liegen. Die I. Kammer des
Eidg. Versicherungsgerichts hat die aufgeworfene Grundsatzfrage dem
Gesamtgericht unterbreitet, das sie mit Beschluss vom 10. Januar 1979 im
folgenden Sinne beantwortet hat: Die Befreiung vom Beschäftigungsnachweis
im Sinne von Art. 17 Abs. 1 AlVV gilt nur bezüglich jener Arbeitslosentage,
die innerhalb der 365 Tage liegen, welche dem Studienabschluss folgen. Für
eine allfällige Arbeitslosigkeit nach Ablauf dieser 365 Tage muss der
Versicherte den üblichen Beschäftigungsnachweis gemäss Art. 9 Abs. 2
AlVB bzw. Art. 12 Abs. 1 AlVV erbringen. Im übrigen ist festzuhalten,
dass diese Frist nicht mit dem letzten Studientag zu laufen beginnt,
sondern dass ihr erster Tag mit jenem Tag zusammenfällt, welcher dem
letzten Studientag folgt.

Erwägung 2

    2.- Philippe Dardenne hat sein Universitätsstudium in Kiel am
2. Juli 1976 beendet. Die 365tägige Frist, innert der er nachweisfrei
Arbeitslosenentschädigung beziehen könnte, begann somit am 3. Juli 1976 -
und nicht, wie die Vorinstanz meint, am 2. Juli 1976 - zu laufen und endete
am 2. Juli 1977. Indessen macht der Beschwerdeführer bloss für die Zeit
ab 29. Juni 1977 Taggelder geltend, weshalb er nach den Darlegungen in
Erwägung 1 lediglich für die arbeitslose Zeit vom 29. Juni bis 2. Juli
1977 vom Beschäftigungsnachweis befreit ist. Personen, die gemäss Art. 17
AlVV vom Nachweis der beitragspflichtigen Beschäftigung befreit sind,
müssen aber vor dem erstmaligen Taggeldbezug 25 Sonderkarenztage bestehen
(Art. 29 Abs. 1 AlVV). Da somit die Tage vom 29. Juni bis 2. Juli
1977 Sonderkarenztage sind, ist der Taggeldanspruch für diese Zeit zu
verneinen. In diesem Sinne muss der angefochtene Entscheid von Amtes
wegen korrigiert werden.

Erwägung 3

    3.- Für die arbeitslosen Tage ab 3. Juli 1977 kann der Beschwerdeführer
bloss dann Taggeld beanspruchen, wenn er für die vorangegangenen 365 Tage
150 Tage beitragspflichtiger Beschäftigung nachzuweisen vermag. Dies trifft
aber nicht zu, so dass auch vom 3. Juli 1977 hinweg kein Taggeldanspruch
besteht.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen. Die
Dispositiv-Ziffern 1 und 2 des Entscheides der Schiedskommission für die
Arbeitslosenversicherung des Kantons Basel-Stadt vom 28. Februar 1978
werden aufgehoben.