Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 V 4



105 V 4

2. Urteil vom 2. April 1979 i.S. Feusi gegen Ausgleichskasse Zürcher
Arbeitgeber und AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich Regeste

    Art. 20 Abs. 3 AHVV (in der Fassung vom 18. Oktober 1974, in
Kraft seit 1. Januar 1976). Beitragspflicht der Kommanditäre als
Selbständigerwerbende.

Sachverhalt

    A.- Werner Feusi war Gesellschafter der Kollektivgesellschaft "Galvanic
Wädenswil, Feusi & Federer, Wädenswil" (im folgenden Galvanic). Nach seinem
Tode am 28. Februar 1970 wurde sein Eintrag im Handelsregister gelöscht.
Mit Gesellschaftsvertrag vom 12. August 1971 erfolgte eine Umwandlung der
Galvanic in eine Kommanditgesellschaft. Eine Eintragung dieser Änderung
im Handelsregister unterblieb. Unbeschränkt haftende Gesellschafter sind
gemäss Vertrag Hanspeter Feusi und Heinz Federer, Kommanditärinnen die
Erben des Werner Feusi, nämlich seine Witwe Bernadette Feusi-Meier und
seine beiden minderjährigen Töchter Astrid und Maria Feusi.

    Mit Verfügungen vom 30. Dezember 1975 unterstellte die
Ausgleichskasse Zürcher Arbeitgeber Bernadette Feusi der Beitragspflicht
als Selbständigerwerbende und setzte für die Zeit vom 1. März 1970 bis
Ende 1975 ihre Sozialversicherungsbeiträge fest. In letzter Instanz hat das
Eidg. Versicherungsgericht die Beitragsverfügungen aufgehoben und erkannt,
dass nach dem damals geltenden Recht Bernadette Feusi AHV-rechtlich für
die Jahre 1970 bis 1975 nicht als Selbständigerwerbende bezeichnet werden
könne (Urteil vom 26. Mai 1977).

    Gestützt auf die ab 1. Januar 1976 geltende Neufassung des Art. 20
Abs. 3 AHVV erfasste die Ausgleichskasse Bernadette Feusi vom 1. Januar
1976 an als Selbständigerwerbende. Mit Verfügung vom 23. September 1977
setzte die Ausgleichskasse die persönlichen Sozialversicherungsbeiträge
für die Jahre 1976/77 auf je Fr. ... fest.

    B.- Dagegen erhob Bernadette Feusi Beschwerde mit dem Antrag, es sei
festzustellen, dass sie (bzw. die Erben des verstorbenen Werner Feusi)
für die aus ihrer Beteiligung an der Firma Galvanic resultierenden
Gewinnanteile nicht beitragspflichtig sei.

    Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich wies die Beschwerde
mit Entscheid vom 25. Juli 1978 ab. Zur Begründung wurde im wesentlichen
ausgeführt, dass nach dem revidierten Art. 20 Abs. 3 AHVV nunmehr sämtliche
Teilhaber der Kommanditgesellschaft als beitragspflichtig erklärt werden,
während nach dem bis zum 31. Dezember 1975 geltenden Recht nur die
unbeschränkt haftenden Teilhaber erfasst wurden. Als Kommanditärin sei
Bernadette Feusi zu Recht zur Beitragsleistung als Selbständigerwerbende
herangezogen worden.

    C.- Mit vorliegender Verwaltungsgerichtsbeschwerde erneuert Bernadette
Feusi das erstinstanzliche Rechtsbegehren. Die Begründung ergibt sich
aus den nachfolgenden Erwägungen.

    Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung beantragen
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Als Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit gilt nach Art. 9
Abs. 1 AHVG jedes Einkommen, das nicht Entgelt für in unselbständiger
Stellung geleistete Arbeit darstellt. Was unter dem Begriff des Einkommens
aus selbständiger Erwerbstätigkeit zu verstehen ist, umschreibt das Gesetz
nicht selber. Hingegen enthält die AHVV Einzelheiten dazu. So gehörten
nach Art. 17 lit. c in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 AHVV in der bis
zum 31. Dezember 1975 gültig gewesenen Fassung zum beitragspflichtigen
Einkommen auch die Anteile der unbeschränkt haftenden Teilhaber von
Kommanditgesellschaften, soweit die Bezüge den vom rohen Einkommen
abziehbaren Kapitalzins (Art. 18 Abs. 2 AHVV) überstiegen. Nach dieser
Regelung war das Einkommen des Kommanditärs grundsätzlich als Kapitalertrag
zu betrachten, welcher nicht der Beitragspflicht aus selbständiger
Erwerbstätigkeit unterlag. Die Rechtsprechung sah jedoch Ausnahmen vor
(BGE 100 V 142 Erw. 1 mit Hinweisen). So war der in der Gesellschaft
nicht mitarbeitende Kommanditär hinsichtlich seiner Gewinnanteile
beitragspflichtig, wenn er - entgegen dem zivilrechtlichen Normalfall
des reinen Kapitalgebers - in der Firma eine wirtschaftlich dominierende
Stellung einnahm.

    Nach dem revidierten, hier anwendbaren Art. 20 Abs. 3 AHVV (in der
Fassung vom 18. Oktober 1974), in Kraft seit 1. Januar 1976, ist die
Beitragspflicht der Teilhaber von Kommanditgesellschaften wie folgt
geregelt:

    "Die Teilhaber von Kollektiv- und Kommanditgesellschaften sowie von
   andern auf einen Erwerbszweck gerichteten Personengesamtheiten ohne
   juristische Persönlichkeit haben die Beiträge von dem gemäss Art. 17

    Buchstabe c berechneten Anteil am Einkommen der Personengesamtheiten
   zu entrichten."

    Nach dieser Bestimmung werden sämtliche Teilhaber von
Kommanditgesellschaften, also auch die Kommanditäre, als beitragspflichtig
erklärt.

Erwägung 2

    2.- a) Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass die AHVV den Kreis
der Beitragspflichtigen nicht weiter ziehen dürfe als das AHVG. Massgebend
für die Beitragspflicht der Kommanditäre seien die Art. 3 ff. AHVG,
wonach eine auf Erwerb gerichtete aktive Tätigkeit vorausgesetzt werde.
Dasselbe gelte auch für das Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit
gemäss Art. 9 Abs. 1 AHVG. Dieser Rechtsgrundlage habe die bisherige
Rechtsprechung des Eidg. Versicherungsgerichts mit Bezug auf die
Beitragspflicht der Kommanditäre entsprochen, obwohl sie dem formellen
Wortlaut von Art. 20 Abs. 3 AHVV in der bis zum 31. Dezember 1975 gültig
gewesenen Fassung widersprochen habe. Dieser formelle Widerspruch sei nun
mit der Revision des Art. 20 Abs. 3 AHVV beseitigt worden. Darüber hinaus
könne die Streichung der Worte "unbeschränkt haftende" Teilhaber aber
keine Erweiterung der Beitragspflichtigen zur Folge haben, auch wenn es
für die Ausgleichskassen praktisch wäre, auf den Gewinnanteilen sämtlicher
Kommanditäre ohne nähere Untersuchung Beiträge erheben zu können. Nach
wie vor gebe es aber Kommanditäre, von denen eine Erwerbstätigkeit im
Sinne des Gesetzes ausgeübt werde, während bei andern die Beteiligung an
der Firma nur eine Kapitalanlage darstelle, deren Erträgnisse so wenig
AHV-beitragspflichtig seien wie etwa die Dividenden einer Aktie. Die
Beschwerdeführerin erachtet somit die generelle Beitragspflicht der
Kommanditäre als gesetzwidrig.

    b) Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Auszugehen ist
von Art. 9 Abs. 1 AHVG, der den Begriff des Einkommens aus selbständiger
Erwerbstätigkeit nicht näher umschreibt. Der Bundesrat hat daher
- gestützt auf Art. 154 Abs. 2 AHVG - in den Art. 17 ff. AHVV die
näheren Bestimmungen über die Beiträge vom Einkommen aus selbständiger
Erwerbstätigkeit erlassen. Wenn der Bundesrat im revidierten Art. 20
Abs. 3 in Verbindung mit Art. 17 lit. c AHVV bestimmt, dass die Teilhaber
von Kommanditgesellschaften, wozu auch die Kommanditäre fallen, für
ausgerichtete Gewinne der Gesellschaft, soweit sie eine Verzinsung
des investierten Kapitals überschreiten, beitragspflichtig sind, so
verstösst dies nicht gegen die gesetzliche Regelung (Art. 9 Abs. 1 AHVG).
Insbesondere bedeutet die generelle Beitragspflicht der Kommanditäre
keine gesetzwidrige Erweiterung des Kreises der Beitragspflichtigen. Denn
wer sich als Teilhaber einer Kommanditgesellschaft anschliesst, nimmt
nicht in erster Linie eine private Vermögensanlage vor. Der von der
Beschwerdeführerin gemachte Vergleich zwischen dem Gewinnanteil des
Kommanditärs und der Dividende des Aktionärs ist nicht stichhaltig. Denn
die Kommanditgesellschaft stellt eine Personengesamtheit dar, die sich
zu erwerblichen Zwecken gebildet hat, während die Aktiengesellschaft eine
eigene juristische Person ist. Wenn auch die Frage der Beitragspflicht aus
selbständiger Erwerbstätigkeit nicht nach der obligationenrechtlichen
Erscheinungsform, sondern nach den tatsächlichen wirtschaftlichen
Gegebenheiten zu beantworten ist, so muss doch festgestellt werden,
dass der Kommanditär zur Kommanditgesellschaft in einem viel engeren
Verhältnis steht (Eintragung im Handelsregister, Gesamthandverhältnis am
Gesellschaftsvermögen und Solidarschuldnerschaft im Sinne von Art. 802
OR für die Verpflichtungen der Gesellschaft, Einsicht in die Bücher, Ein-
und Austritt usw.) als der Aktionär zur Aktiengesellschaft.

Erwägung 3

    3.- Auf Grund des Gesagten ist die Bestimmung des revidierten Art. 20
Abs. 3 AHVV, wonach alle Teilhaber der Kommanditgesellschaft und damit
auch sämtliche Kommanditäre beitragspflichtig sind, nicht als gesetzwidrig
zu bezeichnen.

    Das führt im vorliegenden Fall dazu, dass die Beitragspflicht
der Beschwerdeführerin, die unbestrittenermassen die Stellung einer
Kommanditärin einnimmt, zu bejahen ist. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
erweist sich somit als unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Die Höhe des von der Steuerverwaltung gemeldeten
Erwerbseinkommens und der Betrag der von der Ausgleichskasse erhobenen
Sozialversicherungsbeiträge sind nicht bestritten.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.