Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 V 225



105 V 225

50. Urteil vom 5. Juli 1979 i. S. Eidgenössische Militärversicherung
gegen Bucher und Verwaltungsgericht des Kantons Luzern Regeste

    Art. 4 MVG.

    - Es genügt die blosse Feststellung irgendwelcher Beschwerden oder
Symptome während des Dienstes, wenn diese Erscheinungen wahrscheinlich mit
der geltend gemachten Gesundheitsschädigung zusammenhängen (Bestätigung
der Rechtsprechung; Erw. 3).

    - Beurteilung von psychischen Leiden, die angeblich auf eine physische
Schädigung zurückgehen (Erw. 3).

    Art. 5 MVG. Der Begriff der Sicherheit ist im empirischen, nicht im
naturwissenschaftlich-theoretischen Sinn zu verstehen (Erw. 4a, b).

    Art. 5 und 6 MVG. Haftung der Militärversicherung für Neurosen
(Erw. 4 c).

Sachverhalt

    A.- Als Josef Bucher im Jahre 1967 die Rekrutenschule absolvierte,
verspürte er anlässlich einer Marschübung ohne unfallmässige Einwirkung
Schmerzen in der Gesässgegend. Der Truppenarzt diagnostizierte Lumbago
und beliess ihn während drei Tagen im Krankenzimmer. Im Frühjahr 1968
absolvierte der Versicherte die Unteroffiziersschule und verdiente
den Korporalsgrad ab, ohne dass eine Krankmeldung wegen der erwähnten
Beschwerden erfolgte. Im Oktober jenes Jahres begab er sich wegen
Rückenbeschwerden zu seinem Hausarzt Dr. med. P. in Behandlung. Auf Grund
eines Zeugnisses dieses Arztes wurde Josef Bucher vom Wiederholungskurs
1968 dispensiert. Nachdem er die Wiederholungskurse der Jahre 1969 bis
1971 absolviert hatte, rückte der Versicherte im Jahre 1972 mit einem
Zeugnis des Chiropraktors Dr. S. ein, wurde aber durch den Truppenarzt als
tauglich erklärt und lediglich vom Tragen schwerer Lasten dispensiert. Im
Anschluss an den Wiederholungskurs begab sich Josef Bucher zu Dr. med. F.,
Spezialarzt für Orthopädie, in Behandlung; dieser meldete ihn am 5. Januar
1973 bei der Militärversicherung an, welche in der Folge die gesetzlichen
Leistungen übernahm. Gestützt auf ein Zeugnis des gleichen Arztes wurde
der Versicherte vom Wiederholungskurs 1973 dispensiert. Im August 1973
nahm Dr. F. eine operative Revision des rechten Sacroiliacalgelenkes
vor. Da der Versicherte weiterhin über Beschwerden klagte und auch die
ergänzende physiotherapeutische Behandlung keinen Erfolg zeitigte,
überwies ihn Dr. F. an den Neurologen Dr. M. Dieser Arzt gelangte
in seinem Bericht vom 13. Dezember 1973 zum Schluss, dass sich ein
neurologisches Leiden nicht nachweisen lasse und der "Schwerpunkt der
Problematik auf psycho-pathologischer Ebene liegt". Durch Entscheid
der sanitarischen Untersuchungskommission vom 9. Mai 1974 wurde
der Versicherte als dienstuntauglich erklärt und mit Verfügung des
Kantonalen Amtes für Militärpflichtersatz Luzern vom 11. Juli 1974 für
die Jahre 1973 und 1974 von der Ersatzpflicht befreit. Nachdem Josef
Bucher gegen letztere Verfügung Einsprache erhoben und eine dauernde
Befreiung von der Ersatzpflicht verlangt hatte, wandte er sich auch an
die Militärversicherung und ersuchte um weitere medizinische Abklärung
der Gesundheitsschädigung. Die Militärversicherung liess ihn in der Folge
von Oberarzt Dr. W. von der Orthopädischen Universitätsklinik Balgrist
untersuchen. In seinem Gutachten vom 11. November 1974 gelangte Dr. W.
zum Schluss, dass das erstmalige Auftreten von Hüftbeschwerden als
dienstlicher Schaden zu betrachten, die gegenwärtigen Beschwerden jedoch
praktisch ausschliesslich auf eine vegetative und psychische Dystonie
zurückzuführen seien. Auf Grund dieses Befundes und der Stellungnahme
des Kreisarztes eröffnete die Militärversicherung Josef Bucher zunächst
mit Schreiben vom 30. Januar 1975, dann mit Vorschlag vom 24. März 1975,
dass sie weitere Leistungen ablehne, weil kein dienstlicher Schaden mehr
vorliege. Nachdem ihr Erledigungsvorschlag nicht angenommen worden war,
bestätigte die Militärversicherung ihren Standpunkt mit Verfügung vom
15. Mai 1975.

    B.- Dagegen liess der Versicherte durch Rechtsanwalt Dr. Z. beim
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern Beschwerde führen mit dem Antrag,
es sei eine fachärztliche Expertise anzuordnen und die Militärversicherung
zur weiteren Übernahme der medizinischen Behandlungskosten sowie zur
Gewährung einer Rente zu verhalten. Zur Begründung wurde namentlich
angeführt, die Bundeshaftung könne nur durch den sicheren Beweis, dass
die Gesundheitsschädigung vordienstlich bestanden, bzw. weder durch
den Dienst verursacht noch verschlimmert worden sei, ausgeschlossen
werden. Dies gelte auch für eine allfällige psychische Beeinträchtigung
als mittelbare Folge des dienstlichen Schadens. Auf Grund der vorliegenden
medizinischen Unterlagen könne die Militärversicherung diesen Nachweis
nicht erbringen. Das kantonale Verwaltungsgericht ordnete in der Folge eine
psychiatrische Begutachtung des Versicherten durch Dr. med. B. an. Dieser
gelangte in seinem am 15. Juli 1977 erstatteten Gutachten zum Schluss,
dass eine "neurotisch-hypochondrische Persönlichkeitsentwicklung"
vorliege und die psychischen Störungen "mit grosser Wahrscheinlichkeit"
auf die in der Rekrutenschule im Jahre 1967 vorübergehend aufgetretene
Lumbago zurückzuführen seien. Gestützt darauf bejahte das kantonale
Gericht die Haftung der Militärversicherung, wobei es offenliess, ob sich
diese nach den Beweisregeln von Art. 5 oder von Art. 6 MVG beurteile,
weil sie auch unter dem Gesichtswinkel der strengeren Voraussetzungen
des Art. 6 MVG bestehe. Mit Entscheid vom 31. Januar 1978 wurde die
Beschwerde in dem Sinne gutgeheissen, dass die angefochtene Verfügung
aufgehoben und die Sache zur weiteren Abklärung der Leistungspflicht an
die Militärversicherung zurückgewiesen wurde.

    C.- Die Militärversicherung führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde und
beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern sei
aufzuheben und ihre Verfügung vom 15. Mai 1975 sei zu bestätigen. Sie
verlangt, dass ihre Haftung nach den Beweisregeln für nachdienstlich
festgestellte Gesundheitsschädigungen (Art. 6 MVG) zu beurteilen
sei. Wenn aber für den Haftungsausschluss der Sicherheitsbeweis verlangt
werde, so habe die sichere Behebung des "RS-Schubes" sowie die sichere
Vordienstlichkeit des Leidens auf Grund der vorliegenden Arztberichte als
erwiesen zu gelten. Soweit das psychische Leiden zur Frage stehe, müsse
die ungünstige Persönlichkeitsstruktur für die eingetretene Entwicklung
verantwortlich gemacht werden.

    Der Versicherte lässt durch seinen Rechtsbeistand die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Streitig ist die Haftung der Militärversicherung für die über Ende
1973 noch vorhandene physische und psychische Gesundheitsschädigung.
Ab dem Wiederholungskurs 1972 bis zu diesem Zeitpunkt hatte die
Militärversicherung die gesetzlichen Leistungen (Behandlungskosten,
Krankengeld vom 23. August bis 20. Oktober 1973) erbracht. In diesem Sinne
präzisiert sie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ihre Verfügung vom
15. Mai 1975, wonach die Haftung "für die am 5. Januar 1973 gemeldeten
Gesundheitsschädigungen" abgelehnt wurde.

Erwägung 2

    2.- Die Haftung der Militärversicherung erstreckt sich gemäss Art. 4
MVG auf jede Gesundheitsschädigung, die während des Dienstes in Erscheinung
tritt und gemeldet oder sonstwie festgestellt wird. Die Militärversicherung
haftet dann nicht, wenn sie beweist, dass die Gesundheitsschädigung
sicher vordienstlich ist oder sicher nicht durch Einwirkungen während des
Dienstes verursacht werden konnte (Art. 5 Abs. 1 lit. a MVG) und dass
die Gesundheitsschädigung sicher durch Einwirkungen während des Dienstes
weder verschlimmert noch in ihrem Ablauf beschleunigt worden ist (Art.
5 Abs. 2 lit. b MVG). Erbringt sie nur den Beweis nach lit. a, so haftet
sie bloss für die Verschlimmerung der Gesundheitsschädigung (Art. 5 Abs. 2
Satz 1 MVG). Dies bedeutet, dass die Haftung der Militärversicherung in
diesem Fall erst dann erlischt, wenn die Verschlimmerung sicher behoben ist
(BGE 97 V 99, EVGE 1969, S. 198). Schliesslich statuiert Art. 6 MVG die
Haftung der Militärversicherung für eine erst nach Dienstende ärztlich
festgestellte oder ihr gemeldete Gesundheitsschädigung, wenn diese
wahrscheinlich durch dienstliche Einwirkung verursacht worden ist oder,
wenn sie vordienstlich war, wahrscheinlich durch Einwirkungen während des
Dienstes eine Verschlimmerung erfahren hat. Die Haftungsvoraussetzungen
gemäss Art. 5 und 6 MVG unterscheiden sich namentlich darin, dass im ersten
Fall der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dienstlicher Einwirkung
und vorhandener Gesundheitsschädigung präsumiert wird und nur durch den
gegenteiligen Sicherheitsbeweis ausgeschlossen werden kann, während im
zweiten Fall das Vorliegen adäquat kausaler Folgen einer dienstlichen
Einwirkung erwiesen sein muss.

Erwägung 3

    3.- a) Welche Beweisregeln in einem konkreten Fall zur Anwendung
kommen, ist nach dem Gesagten von der Beantwortung der Vorfrage abhängig,
ob eine Gesundheitsschädigung während des Dienstes in Erscheinung getreten,
gemeldet oder auf andere Weise festgestellt worden ist oder ob sie erst
nach Beendigung des Dienstes durch einen eidgenössisch diplomierten Arzt
festgestellt und bei der Militärversicherung angemeldet worden ist. Diese
Frage untersteht nicht den erhöhten Beweisanforderungen des Art. 5 MVG,
sondern es genügt der im Sozialversicherungsrecht allgemein ausreichende
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (unveröffentlichte Urteile
vom 15. April 1964 i.S. Burgunder, vom 4. Mai 1965 i.S. Zurkirch und vom
30. April 1966 i.S. Augsburger). Nach der Rechtsprechung ist die Anwendung
der Beweisregeln des Art. 5 MVG schon dann geboten, wenn irgendeine
aus der Zeit des Militärdienstes stammende Meldung oder Feststellung
von Beschwerden oder Symptomen vorliegt, welche wahrscheinlich mit der
Gesundheitsschädigung zusammenhängen, während nicht vorausgesetzt ist,
dass schon damals die richtige Diagnose gestellt wurde (BGE 97 V 101, EVGE
1959, S. 169 f., vgl. auch SCHATZ, Kommentar zum MVG, zu Art. 4, S. 59).

    b) Im vorliegenden Fall sind bereits aus der Zeit der Rekrutenschule im
Jahre 1967 dienstliche Aufzeichnungen eines physischen Gesundheitsschadens
vorhanden. Wie aus den Sanitätsakten hervorgeht, wurde der Beschwerdegegner
wegen Lumbago für drei Tage ins Krankenzimmer eingewiesen. Anlässlich
des Wiederholungskurses im Jahre 1972 sind ferner "Schmerzen im
rechten Sacroiliacalgelenk" vermerkt und medikamentös behandelt worden
(Meldung bei der sanitarischen Eintrittsmusterung vom 20. Oktober 1972,
Krankmeldung vom 22. Oktober 1972). Ein Zusammenhang zwischen diesen
dienstlich festgestellten Leiden und den heute geklagten Beschwerden,
soweit diese somatisch überhaupt erklärbar sind, lässt sich nicht
in Abrede stellen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin
ist es in diesem Falle unerheblich, ob ihr der Beschwerdeschub in der
Rekrutenschule gemeldet wurde und wie weit dieser zurückliegt. Es wäre
insbesondere verfehlt, schubweise verlaufende Krankheiten, obwohl sie
dienstlich festgestellt worden sind, den Beweisregeln des Art. 6 MVG
zu unterstellen. Eine zeitliche und sachliche Begrenzung der Haftung
darf nicht über die Wahl der Beweisregel erzielt werden, sondern muss
sich aus dieser selbst ergeben. Die nämlichen Überlegungen führen dazu,
ein psychisches Leiden, das auf eine physische Gesundheitsschädigung
zurückgeführt wird, nach den gleichen Beweisregeln zu beurteilen wie
das physische Leiden selbst, sofern ein entsprechender Zusammenhang
nicht zum vorneherein ausgeschlossen werden kann (unveröffentlichtes
Urteil vom 29. April 1975 i.S. Courvoisier). Unter diesem Gesichtswinkel
erscheint es im vorliegenden Fall angezeigt, die Kausalitätsfrage sowohl
hinsichtlich der physischen als auch der psychischen Leidenskomponente
unter dem Gesichtswinkel des Art. 5 MVG zu beurteilen. Folglich entfällt
die Haftung der Militärversicherung für die ab 1974 noch vorhandenen
physischen und psychischen Gesundheitsschäden nur dann, wenn sie mit
Sicherheit in keinem rechtserheblichen Kausalzusammenhang mit einer
dienstlichen Einwirkung stehen.

Erwägung 4

    4.- a) Nach der Rechtsprechung ist der Begriff der Sicherheit im Sinne
von Art. 5 Abs. 1 MVG nicht in einem naturwissenschaftlich-theoretischen,
sondern im empirischen Sinne zu verstehen (EVGE 1957, S. 12, 1964, S. 77,
1969, S. 195, unveröffentlichtes Urteil vom 27. März 1972 i.S. Bruat). Der
Sicherheitsbeweis gilt demnach als geleistet, wenn feststeht, dass nach
der medizinischen Erfahrung eine Einwirkung verschlimmernder Faktoren
während des Dienstes praktisch ausgeschlossen ist (EVGE 1969, S. 199).

    b) Was die somatische Schädigung anbetrifft, ist vorweg festzuhalten,
dass die medizinischen Abklärungen keine Befunde ergeben haben, welche die
geklagten Beschwerden erklären könnten. Nachdem Dr. F. auf Grund seiner
Untersuchungen "nichts Fassbares" gefunden, der durchgeführte Eingriff
sich als Fehlschlag erwiesen und die physiotherapeutische Behandlung
keinen Erfolg gezeitigt hatte (Bericht vom 19. November 1973), überwies
er den Beschwerdegegner an den Neurologen Dr. M. Auch der Untersuch
von Dr. M. förderte keine Schädigung zu Tage (Bericht vom 13. Dezember
1973). Der an der Orthopädischen Universitätsklinik Balgrist erhobene
Befund ergab schliesslich eine beginnende Coxarthrose mit günstiger
prognostischer Beurteilung, die geklagten Beschwerden wurden jedoch
"praktisch ausschliesslich" auf eine vegetative und psychische Dystonie
zurückgeführt (Gutachten von Oberarzt Dr. W. vom 11. November 1974).

    Zur Kausalitätsfrage äussern sich Dr. F. (Berichte vom 21. Dezember
1974 und vom 3. September 1974) und Dr. W. übereinstimmend dahin,
dass zumindest keine richtungsweisende dienstliche Verschlimmerung
vorliege. Dr. W. hält ferner dafür, dass die Schädigung "mit grosser
Wahrscheinlichkeit" bereits bei Dienstantritt bestanden habe. Im
Hinblick auf diese überzeugenden ärztlichen Stellungnahmen ist davon
auszugehen, dass die physische Schädigung, soweit überhaupt nachweisbar,
mit hinreichender Sicherheit weder durch den Militärdienst verursacht noch
durch diesen nachhaltig und dauernd verschlimmert worden ist. Wenn eine
Verschlimmerung durch die Beanspruchung während des Dienstes eingetreten
ist, so höchstens in Form eines vorübergehenden Beschwerdeschubes, der
bis Ende 1973 mit Sicherheit als behoben gelten konnte. Vom somatischen
Gesichtspunkt aus besteht mithin keine Haftung der Militärversicherung
für die über diesen Zeitpunkt hinaus vorhandene Gesundheitsschädigung.

    c) Es bleibt somit zu prüfen, inwieweit die psychische
Leidenskomponente eine Haftung der Militärversicherung zu begründen
vermag. Diese erstreckt sich grundsätzlich auf sämtliche Folgen, die mit
dem versicherten Ereignis in einem rechtserheblichen Kausalzusammenhang
stehen. Dazu gehören auch geistige Gesundheitsschäden, namentlich
die Unfall- und Behandlungsneurosen, nicht dagegen die Renten-
bzw. Begehrungsneurosen. Gemäss ständiger Rechtsprechung sind diese von
der Versicherung ausgeschlossen, weil sie das Ergebnis mangelnden Willens
darstellen oder auf eine vorbestandene geistige Anomalie zurückzuführen
sind und es insofern am rechtserheblichen Zusammenhang fehlt (BGE 100 V 18
mit Hinweisen, unveröffentlichte Urteile vom 29. Oktober 1963 i.S. Cailler
und vom 29. April 1975 i.S. Courvoisier; vgl. auch BGE 96 II 398; MAURER,
Recht und Praxis der Schweizerischen Obligatorischen Unfallversicherung,
2. Aufl., S. 259).

    Im Hinblick auf die augenfällige Diskrepanz zwischen somatischen
Befunden und geklagten Beschwerden haben sämtliche der vorgenannten
Ärzte die Vermutung geäussert, dass die Hauptursache des Leidens auf
psychischer Ebene liegt. Das von der Vorinstanz eingeholte Gutachten des
Psychiaters Dr. med. B. vom 15. Juli 1977 gelangt denn auch zum Schluss,
dass die geklagten Beschwerden "somatisch-medizinisch kaum objektivierbar,
psychiatrisch aber als sicher vorhanden" zu betrachten seien. Es liege
eine "neurotisch-hypochondrische Persönlichkeitsentwicklung" vor, die als
Reaktion auf ein psychisch oder physisch gesetztes Trauma entstehe und als
geistige Erkrankung bezeichnet werden müsse. Die psychischen Störungen
seien "mit grosser Wahrscheinlichkeit" auf die in der Rekrutenschule im
Februar 1967 vorübergehend aufgetretene Lumbago zurückzuführen.

    Dem Ergebnis dieses Gutachtens folgend, hat die Vorinstanz die
Haftung der Militärversicherung für das psychische Leiden grundsätzlich
bejaht. Zwar besteht kein Anlass, die Beurteilung dieses fachlich
qualifizierten Arztes in medizinischer Hinsicht in Frage zu stellen,
doch fragt sich, inwieweit den darin gezogenen Schlüssen im Hinblick
auf die Haftungsvoraussetzungen des MVG gefolgt werden kann. Wenn
das psychische Leiden mit der in der Rekrutenschule in Erscheinung
getretenen Lumbago seinen Anfang genommen hat, so rechtfertigt dies noch
nicht, darin die adäquate Ursache zu erblicken. Wie bereits ausgeführt,
handelte es sich damals um einen relativ harmlosen Beschwerdeschub, der
den Versicherten insbesondere nicht daran gehindert hat, im folgenden
Jahr die Unteroffiziersschule zu absolvieren und den Korporalsgrad
abzuverdienen. Wenn sich trotzdem eine Neurose zu entwickeln vermochte,
so bedurfte es dazu einer ausgeprägten psychischen Prädisposition,
kann doch eine Affektion dieser Art nach allgemeiner Erfahrung von einem
psychisch Gesunden ohne weiteres verkraftet werden. Dies wird denn auch
von Dr. B. implicite anerkannt, wenn er ausführt, dass die psychische
Entwicklung nur möglich gewesen sei "auf dem Boden einer selbstunsicheren,
gehemmten, emotional labilen..." Persönlichkeit. Angesichts dieser
Persönlichkeitsstruktur wären die neurotischen Züge früher oder später
ohnehin durchgebrochen, ohne dass es dazu der Gelegenheitsursache der in
der Rekrutenschule erstmals aufgetretenen Lumbago bedurfte. Wenn sich
die Fixierung auf das Leiden im Verlaufe der folgenden Jahre verstärkt
und krankhafte Formen angenommen haben mag, so auf Grund neuer, mit dem
Militärdienst in keinem Zusammenhang stehender Beschwerdeschübe.

    Bei dieser Sachlage ist mit der Beschwerdeführerin davon auszugehen,
dass die psychische Schädigung mit hinreichender Sicherheit der schon
vordienstlich vorhanden gewesenen ungünstigen Persönlichkeitsstruktur
zuzuschreiben ist und im Militärdienst mit Sicherheit keine adäquate
Ursache dafür gesetzt worden ist. Die Vorinstanz hat mithin die Haftung
der Militärversicherung für die über Ende 1973 hinaus vorhandene
Gesundheitsschädigung zu Unrecht bejaht.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern vom 31. Januar 1978 aufgehoben.