Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 76



105 IV 76

20. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 9. Februar 1979 i. S. A.
gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    BG über Jagd und Vogelschutz.

    Das widerrechtliche Erlegen eines Tieres nach Art. 40 Abs. 1 und
die widerrechtliche Aneignung eines Tieres nach Art. 48 Abs. 1 sind
selbständige Tatbestände.

Sachverhalt

    A.- Am 9. November 1977 jagte A. mit seinen Kollegen B., C.
und D. auf dem Buchberg in der Gemeinde Laufen. Es war der zweitletzte
Jagdtag der Saison. Etwa um 14.45 Uhr war A. im Anstand, während B. mit
den Hunden Wild aufstöberte. Plötzlich rannten zwei Rehe, von den Hunden
gejagt, kurz hintereinander aus dem Tannen- und Fichtenjungwuchs auf die
Lichtung heraus. A. schoss aus ca. 30 m mit 4 mm-Schrot auf das erste
Tier. Dieses rannte weiter. A., der nur noch eine Rehmarke besass, gab
einen weiteren Schuss ab, diesmal mit 4 1/2 mm-Schrot, worauf das zweite
Reh sofort tot zusammenbrach. Aber auch das erste Reh stürzte tödlich
getroffen zu Boden. A. packte dieses Tier und schleifte oder warf es ins
Jungholz, markierte das andere Reh mit seiner letzten Marke und weidete es
aus. Nach einer halben Stunde trug er das zuerst beschossene Tier weiter
in das Jungholz hinein, wo er es ebenfalls auszuweiden begann. Da kam
der Wildhüter hinzu, der die beiden Schüsse gehört hatte.

    B.- Das Obergericht des Kantons Bern erklärte A. am 11. August 1978
der Widerhandlung gegen die Jagdvorschriften schuldig und büsste ihn mit
Fr. 400.-.

    C.- A. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
obergerichtliche Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen zur Freisprechung von der Anklage der Widerhandlung
gegen Art. 48 Abs. 1 JVG und zur Schuldigerklärung wegen fahrlässiger
Widerhandlung gegen Art. 40 Abs. 1 JVG.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerde macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 40 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 48 Abs. 1 des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz
(JVG) falsch ausgelegt. Wer widerrechtlich ein Tier erlege, könne nicht
auch wegen widerrechtlicher Aneignung desselben verurteilt werden.

    Die Vorinstanz hat sich mit diesem Einwand ausführlich und durchaus
zutreffend auseinandergesetzt. Art. 40 Abs. 1 JVG bedroht mit Strafe,
wer widerrechtlich jagdbares Hirsch-, Reh- oder Gemswild jagt, erlegt,
einfängt oder gefangenhält. Aneignung des Wildes wird dabei nicht
vorausgesetzt. Auch wer im unzugänglichen Hochgebirge Wild schiesst, das er
gar nicht bergen kann, fällt unter die Bestimmung. Ebenso der, der nur um
der Jagd willen schiesst, das tote Wild aber gar nicht für sich haben will,
sondern z.B. von vorneherein einem Kameraden verspricht. Umgekehrt fällt
unter Art. 48 jeder, der sich gefreveltes Wild widerrechtlich aneignet,
im letzten Beispiel der selbst nichtjagende Kamerad, allgemein auch der
nach Art. 40 strafbare Jäger, der sich nicht damit begnügt, das Wild zu
erlegen, sondern es sich aneignet, verheimlicht etc.

    Der vorliegende Fall ist geradezu ein Musterbeispiel für die
Selbständigkeit beider Straftatbestände. Hätte der Beschwerdeführer gemäss
seiner Darstellung das zweite Reh nur fahrlässig erlegt, so wäre er nicht
nach Art. 40 zu bestrafen, wohl aber gemäss Art. 48 wegen Verheimlichung
und Aneignung. Hätte er nach seinem ersten Fehler diesen offen zugegeben,
beide Rehe auf dem Platz aufgebrochen und das nicht markierte der Polizei
abgeliefert, so wäre er nur nach Art. 40 strafbar. Tatsächlich hat er aber
zuerst eventualvorsätzlich widerrechtlich ein zweites Reh geschossen und
sich dieses dann mit direktem Vorsatz angeeignet. Diesen Vorsatz betätigte
er mit Konsequenz, indem er das Tier zuerst ins Gebüsch warf und so
versteckte und eine halbe Stunde später, als kaum mehr mit dem Auftauchen
des Wildhüters zu rechnen war, tiefer ins Dickicht trug und dort aufbrach.