Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 37



105 IV 37

9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. April 1979
i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft
(Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 189 Abs. 2, 191 Ziff. 2 Abs. 1 StGB. Die langdauernde Reizung
einer Patientin an der Klitoris durch den Arzt anlässlich einer
gynäkologischen Untersuchung ist objektiv unzüchtig, wenn sie weder
medizinisch indiziert noch auf eine allfällige Ungeschicklichkeit des
Arztes zurückzuführen ist.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

    Der Beschwerdeführer macht geltend, eine gynäkologische Untersuchung
sei nicht objektiv unzüchtig, und zwar auch dann nicht, wenn sie zu
einer langdauernden medizinisch nicht indizierten Reizung der Klitoris
führe. In Fällen, wo eine Handlung nicht schon objektiv eindeutig sei,
gebe der Wunsch nach Erregung oder Befriedigung eigener oder fremder
Geschlechtslust den Ausschlag (BGE 70 IV 209). Diese Absicht sei von
der Vorinstanz weder überprüft noch positiv festgestellt worden. Das
Obergericht habe nicht einmal abgeklärt, ob sich der Beschwerdeführer
bewusst gewesen sei, dass seine Handlungen zu einer subjektiv empfundenen
Reizung der Klitoris geführt hätten. Ohne Beantwortung dieser Frage
dürften Art. 189 Abs. 2 und 191 Abs. 2 StGB nicht zur Anwendung gelangen.

    Die langdauernde Reizung der Patientinnen an der Klitoris war entgegen
der Meinung des Beschwerdeführers objektiv schon deswegen eindeutig
unzüchtig, weil sie weder medizinisch indiziert noch die Folge einer bei
der Untersuchung unterlaufenen zufälligen Ungeschicklichkeit gewesen
ist, denn damit fiel sie ohne weiteres ausserhalb des Bereichs einer
gynäkologischen Untersuchungshandlung und verletzte sie nicht bloss in
leichtzunehmender, sondern in grober Weise das Sittlichkeitsgefühl. Die
Vorinstanz brauchte deshalb nicht im Sinne der vom Beschwerdeführer
angezogenen Rechtsprechung nach der von X. mit seiner Handlung verfolgten
Absicht zu forschen, um die objektive Unzüchtigkeit seines Verhaltens
zu bejahen, noch musste sie prüfen, ob sich der Beschwerdeführer bewusst
gewesen sei, dass seine Handlungen zu einer subjektiv empfundenen Reizung
der Klitoris geführt hatten. Die Handlung war selbst dann objektiv
unzüchtig, wenn der Täter nicht wusste, wie sie von der Frau empfunden
wurde.