Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 319



105 IV 319

81. Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember 1979 i.S. S. gegen
Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 164 Ziff. 1 StGB.

    Der Schuldner hat dem Pfändungsbeamten auch jene Bezüge anzugeben, die
er beim ungewissen Eintritt eines bestimmten Ereignisses zurückzuzahlen
gedenkt. Es genügt, wenn der Schuldner ernsthaft mit der Möglichkeit
rechnete, solche Bezüge zur freien Verwendung könnten als einem Lohn
ähnlich ebenfalls pfändbar sein.

Sachverhalt

    A.- Frau W. erlangte in einer gegen ihren Bruder S. für gewährte
Darlehen eingeleiteten Betreibung für einen Teilbetrag von Fr. 53'278.45
die provisorische Rechtsöffnung. Die darauf folgende Pfändung vom 3.
Februar 1978 führte zu einem provisorischen Verlustschein. S. hatte
anlässlich der Pfändung verschwiegen, dass er von der Firma E. monatlich
einen Betrag von Fr. 4'800.-- bezog.

    B.- Der Gerichtspräsident VI von Bern verurteilte S. am 25. Januar
1979 wegen Ungehorsams des Schuldners im Betreibungs- und Konkursverfahren
im Sinne von Art. 323 Ziff. 2 StGB zu 10 Tagen Haft unter Gewährung des
bedingten Strafvollzugs. Auf Anschlussappellation des Generalprokurators
würdigte die II. Strafkammer des Obergerichts in ihrem Urteil vom 8. Juni
1979 die Tat als Pfändungsbetrug nach Art. 164 StGB und erhöhte die Strafe
auf fünf Monate Gefängnis mit Gewährung des bedingten Strafvollzugs bei
einer Probezeit von 3 Jahren.

    C.- S. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung des
Beschwerdeführers von der Anschuldigung des Pfändungsbetruges an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Pfändungsbetrug im Sinne von Art. 164 Ziff. 1 StGB begeht der
Schuldner u.a. dann, wenn er zum Nachteil seines Gläubigers sein Vermögen
zum Schein dadurch vermindert, dass er Vermögensstücke verheimlicht. Die
Bestrafung setzt zusätzlich die Ausstellung eines Verlustscheins voraus.

    a) Der Beschwerdeführer macht geltend, die Fr. 4'800.-- (weniger
AHV-Beitrag), welche ihm die Firma E. monatlich überwiesen hatte, seien
Darlehen gewesen. Demgegenüber hat das Obergericht aufgrund eingehender
Beweiswürdigung festgestellt, diese Beträge seien S. als Entgelt für
seine Dienstleistungen in der Firma, nicht als Darlehen, ausbezahlt
worden. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und bindet daher den
Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP). Eine
dagegen eingereichte staatsrechtliche Beschwerde wegen Willkür hat der
Kassationshof am 7. Dezember 1979 abgewiesen. Auf die weitschweifigen
Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde, welche diese Feststellung
bestreiten, kann nicht eingetreten werden.

    Sind aber diese monatlichen Bezüge von Fr. 4'800.-- Entschädigung
für geleistete Arbeit und im voraus bezahltes Entgelt für die erwartete
Vermittlung von Geschäftsbeziehungen, so sind sie gemäss Art. 93 SchKG als
Lohn pfändbar und damit Vermögen im Sinne von Art. 164 StGB, soweit sie das
gesetzliche Existenzminimum des Schuldners und seiner Familie übersteigen;
dass die monatlichen Leistungen von Fr. 4'800.-- das Existenzminimum,
welches nach dem angefochtenen Urteil jährlich Fr. 30-40'000.-- betrug,
überschritten, ist offensichtlich.

    Indem S. seine Bezüge nicht angab und dem Betreibungsbeamten erklärte,
ohne Anstellung und Verdienst zu sein, hat er im Sinne von Art. 164 StGB
Vermögen verheimlicht. Das Verhalten des Beschwerdeführers gereichte
der Gläubigerin zudem zum Nachteil, unterblieb doch einstweilen die
Pfändung dieser Bezüge. Ein vorübergehender Nachteil genügt; er muss
nicht irreparabel sein (BGE 102 IV 175, 85 IV 219 f.).

    Als objektive Strafbarkeitsbedingung reicht sodann ein provisorischer
Verlustschein aus (BGE 74 IV 95 f.).

    b) Die Vorinstanz führt aus, S. habe gewusst, dass die Zahlungen von
monatlich Fr. 4'800.--, auch wenn er sie als Darlehen betrachtete, die
er bei Gelingen eines grösseren Geschäfts zurückzahlen würde, zumindest
einem Lohne ähnlich seien. Damit will das Obergericht sinngemäss sagen,
der Beschwerdeführer habe ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet,
solche monatlich gewährten Darlehen in stets gleicher Höhe seien einem
Lohn zumindest ähnlich und könnten daher ebenfalls pfändbar sein. In der
Tat fielen diese Gelder mit ihrer Übergabe zur völlig freien Verwendung
in das Vermögen des Beschwerdeführers, auf das seine Gläubiger greifen
konnten. Besondere Umstände, welche diese Gelder dem Zugriff der Gläubiger
entzogen hätten, werden weder behauptet, noch sind sie ersichtlich. Der
Beschwerdeführer rechnete nach den Feststellungen des Obergerichts damit,
dass durch das Verschweigen dieser Einkünfte die Pfändung ungenügend und
damit die Gläubigerin benachteiligt würde. Damit hat er aber, wie die
Vorinstanz richtig erkannt hat, zumindest eventualvorsätzlich zum Nachteil
der Gläubigerin Vermögen im Sinne von Art. 164 StGB verheimlicht. Auch
der subjektive Tatbestand ist demnach erfüllt.

    c) Bei diesem Ergebnis kann offen bleiben, ob auch die von der
Vorinstanz gegebene Eventualbegründung näherer Prüfung standhielte, wonach
in der Aufnahme der Darlehen eine tatsächliche Vermögensverminderung
durch Vermehrung der Passiven zu erblicken sei.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.