Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 303



105 IV 303

78. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. November 1979 i.S. S.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 144 StGB.

    1. Wer an einer Sache aufgrund von Art. 714/933 ZGB Eigentum
erworben hat, kann auch dann nicht wegen Hehlerei bestraft werden, wenn
er nachträglich von der strafbaren Herkunft der Sache erfährt und sie
trotz dieser Kenntnis weiterverkauft (E. 3a).

    2. Hätte der Erwerber bei der gebotenen Aufmerksamkeit die strafbare
Herkunft der Sache erkennen können, so ist er zwar mangels Vorsatz nicht
wegen Hehlerei strafbar, doch hat er infolge seiner Fahrlässigkeit kein
Eigentum an der Sache erworben (E. 3b). Erfährt er nachträglich von der
strafbaren Herkunft der Sache und veräussert er sie trotz dieser Kenntnis
weiter, so erfüllt er daher mit dem Verkauf den Tatbestand der Hehlerei
(E. 3c).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Der Beschwerdeführer macht geltend, er hätte höchstens der
einfachen, nicht aber der fortgesetzten Hehlerei schuldig erklärt werden
dürfen. Nach dem angefochtenen Urteil sei er beim Erwerb des ersten Wagens,
d.h. des Opel Rekord, gutgläubig gewesen. Sei dem aber so, dann habe er
den Wagen auch weiterverkaufen dürfen, ohne sich strafbar zu machen.

    a) Wer in gutem Glauben eine bewegliche Sache zu Eigentum übertragen
erhält, wird, auch wenn der Veräusserer zur Eigentumsübertragung nicht
befugt ist, deren Eigentümer, sobald er nach den Besitzesregeln im Besitze
der Sache geschützt ist (Art. 714 Abs. 2 ZGB). Das trifft insbesondere
dann zu, wenn die Sache dem Veräusserer anvertraut worden war (Art. 933
ZGB). Der Eigentumserwerb gemäss diesen Bestimmungen bleibt auch dann
gültig, wenn der Erwerber nachträglich seinen guten Glauben im Sinne des
ZGB, wie er in Art. 3 ZGB umschrieben ist, verliert (BGE 90 IV 19; STARK,
Berner Kommentar, N 79 zu Art. 933, LIVER, Schweizerisches Privatrecht,
Band V/1, S. 327). Gegenüber dem gutgläubigen Erwerber der anvertrauten
Sache gehen alle Restitutionsansprüche unter. Das Recht des bisher
Berechtigten erlischt, so dass der Erwerber frei und unangefochten über
die Sache verfügen kann. Verkauft er sie, begeht er keine Hehlerei, und
zwar auch dann nicht, wenn er im Zeitpunkt des Weiterverkaufs aufgrund
inzwischen eingetretener Verdachtsgründe im Sinne von Art. 144 StGB weiss
oder annehmen muss, dass der Vorbesitzer die Sache durch eine strafbare
Handlung erlangt hatte.

    b) Die Firma M. AG in Winterthur hat T. den Opel Rekord vermietet
und somit im Sinne von Art. 933 ZGB anvertraut. Es stellt sich die Frage,
ob der Beschwerdeführer bei Übernahme des Opel Rekord gutgläubig gewesen
sei und infolgedessen daran Eigentum erworben habe oder nicht.

    Das angefochtene Urteil setzt sich mit dieser Frage nicht
auseinander. Aus der Feststellung der Vorinstanz, S. habe beim Erwerb des
Opel Rekord weder gewusst noch annehmen müssen, dass T. dieses Fahrzeug
durch eine strafbare Handlung erworben hatte, lässt sich nicht ableiten,
das Obergericht habe damit den guten Glauben des Beschwerdeführers
im Sinne des ZGB bejaht (vgl. BGE 90 IV 20). Denn Gutgläubigkeit hat
in Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB nicht den gleichen Sinn wie in Art. 144
StGB. Wegen Hehlerei macht sich nur strafbar, wer zumindest in Kauf nahm,
dass die von ihm erworbene Sache durch eine strafbare Handlung erlangt
worden war. Mit "annehmen müssen" ist in Art. 144 StGB Eventualdolus
gemeint; Fahrlässigkeit genügt nicht (vgl. STRATENWERTH, BT, Bd. I,
S. 276, TRECHSEL, zum Tatbestand der Hehlerei, ZStR 91/1975, S. 402 mit
Hinweisen). Demgegenüber ist der Erwerber schon dann nicht mehr gutgläubig
im Sinne von Art. 714 Abs. 2 und 933 ZGB, wenn er bei der Aufmerksamkeit,
die nach den Umständen von ihm verlangt werden darf, hätte erkennen
können, dass der Vorbesitzer zur Veräusserung der Sache nicht berechtigt
war. Fahrlässigkeit reicht mithin zur Zerstörung des guten Glaubens aus.

    Ob der Beschwerdeführer beim Erwerb des Opel Rekord im Sinne von
Art. 3, 714 Abs. 2 und 933 ZGB gutgläubig war oder nicht, ist eine
zivilrechtliche Vorfrage, die der Kassationshof im Verfahren der
Nichtigkeitsbeschwerde beantworten muss, wenn die diesbezüglichen
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz dazu ausreichen. Nach
den Feststellungen des Obergerichts gab T. dem Beschwerdeführer an,
er könne aufgrund seiner Tätigkeit bei einer Versicherungsgesellschaft
Unfallfahrzeuge billig erwerben; gleichwohl verkaufte er das Auto als
"unfallfrei". T. erklärte dem Beschwerdeführer im weiteren, er habe den
Opel Rekord am 11. April 1977 von einem gewissen D. zum Preis von Fr.
4'800.- für einen andern Wagen in Zahlung genommen, was er mittels eines
gefälschten Vertrages belegte; dennoch begnügte er sich nur vier Tage
später beim Verkauf an S. mit Fr. 4'000.-, nahm also eine Einbusse von
Fr. 800.- in Kauf. Obwohl laut gefälschtem Vertrag der Vorbesitzer
D. in Wil/SG wohnte, trug der Wagen Zürcher Kontrollschilder. Der
Beschwerdeführer, der seit 1970 einen schwunghaften Autooccasionshandel
betreibt, hat nicht jene Aufmerksamkeit beobachtet, wie sie nach diesen von
der Vorinstanz verbindlich festgestellten Umständen von ihm verlangt werden
durfte, als er mit dem ihm bis dahin unbekannten T. den Kaufvertrag über
den Opel Rekord abschloss. Auch wenn S. hinsichtlich des Erwerbs dieses
Wagens mangels Vorsatzes nicht wegen Hehlerei bestraft werden konnte,
fehlte ihm nach dem Gesagten doch der gute Glaube im Sinne von Art. 714
Abs. 2 und 933 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 ZGB, so dass er mit dem Erwerb des
Opel Rekord nicht Eigentümer desselben wurde und daher auch nicht wie
ein Eigentümer über ihn verfügen konnte.

    c) Der Tatbestand der Hehlerei ist allerdings nicht schon dann erfüllt,
wenn der im zivilrechtlichen Sinne bösgläubige Erwerber einer Sache
nachträglich von deren strafbaren Herkunft erfährt oder sie zumindest in
Kauf nimmt; denn der sog. "dolus subsequens" reicht zur Bestrafung nicht
aus. Hiezu ist vielmehr weiter erforderlich, dass der Erwerber trotz
dieser inzwischen erlangten Kenntnis eine von Art. 144 StGB erfasste
Handlung begeht, die Sache etwa verheimlicht oder absetzen hilft.

    Nach den verbindlichen Feststellungen des Obergerichts musste S. im
Zeitpunkt des Weiterverkaufs des Opel Rekord, d.h. am 18. April 1977,
aufgrund neuer, mit dem Abschluss des Kaufvertrages über den Renault
zusammenhängender Verdachtsmomente zumindest annehmen, dass T. auch den
Opel Rekord durch eine strafbare Handlung erlangt hatte. Da zudem der
Weiterverkauf als "absetzen helfen" eine Tathandlung von Art. 144 StGB
darstellt, ist der Tatbestand der Hehlerei, wie das Obergericht zu Recht
erkannt hat, auch hinsichtlich des Opel Rekord erfüllt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.