Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 264



105 IV 264

68. Urteil des Kassationshofes vom 29. August 1979 i.S. P. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Bundesanwaltschaft und Bundesamt
für Energiewirtschaft (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 121, 121bis und 121quater der eidgenössischen
Starkstromverordnung.

    Gesetzmässigkeit der Vorschriften, in denen Materialien und elektrische
Apparate für Haushaltinstallationen der Prüfungspflicht unterstellt und die
Kontrollaufgaben des Eidgenössischen Starkstrominspektorats dem Inspektorat
des Schweizerischen Elektrotechnischen Vereins (SEV) übertragen werden mit
der Ermächtigung, ein Reglement über die Durchführung der Prüfungen und
ein Verzeichnis der prüfpflichtigen Materialien und Apparate aufzustellen.

Sachverhalt

    A.- Das Bundesgesetz vom 24. Juni 1902 betreffend die elektrischen
Schwach- und Starkstromanlagen (ElG; SR 734.0) verpflichtet den Bundesrat
in Art. 3, Vorschriften aufzustellen zu tunlichster Vermeidung derjenigen
Gefahren und Schädigungen, welche aus dem Bestande der Starkstromanlagen
überhaupt und aus deren Zusammentreffen mit Schwachstromanlagen
entstehen. Gestützt auf diese Bestimmung erliess der Bundesrat am
7. Juli 1933 eine Verordnung über die Erstellung, den Betrieb und den
Unterhalt elektrischer Starkstromanlagen (Starkstromverordnung; SR 734.2).
Die Kontrolle über die Ausführung der in Art. 3 ElG erwähnten Vorschriften
wird in Art. 21 ElG geregelt. Danach wird von hier nicht in Betracht
fallenden Ausnahmen abgesehen die Kontrolle der Starkstromanlagen mit
Inbegriff der elektrischen Maschinen einem vom Bundesrat zu bezeichnenden
Inspektorat für Starkstromanlagen übertragen (Ziff. 3). In Ausführung
dieser Vorschrift hat der Bundesrat durch Beschlüsse von 1903 und 1947 und
in der geltenden Verordnung vom 24. Oktober 1967 über das Eidgenössische
Starkstrominspektorat (SR 734.24) das Inspektorat des Schweizerischen
Elektrotechnischen Vereins (SEV) als Kontrollstelle eingesetzt.

    Die Starkstromverordnung (StVO) schreibt in Art. 121 vor, dass
elektrische Apparate, die zum Anschluss an Hausinstallationen bestimmt
sind, nach den anerkannten Regeln der Technik den in Art. 4 und 5 StVO
zur Sicherheit von Personen und Sachen und zum Schutz benachbarter
Schwachstromanlagen aufgestellten Anforderungen entsprechen müssen,
wobei als anerkannte Regeln der Technik die vom SEV herausgegebenen
Vorschriften gelten. Sodann dürfen solche elektrischen Apparate, die
Personen oder Sachen gefährden oder auf benachbarte Schwachstromanlagen
eine störende Fernwirkung ausüben können, nach Art. 121bis StVO
nur in Verkehr gebracht werden, wenn das Eidg. Starkstrominspektorat
aufgrund einer Typenprüfung durch eine vom Eidgenössischen Verkehrs- und
Energiewirtschaftsdepartement (EVED) anerkannte Prüfanstalt festgestellt
hat, dass sie den sicherheitstechnischen Vorschriften entsprechen. Der SEV
hat überdies ein Verzeichnis der prüfpflichtigen Installationsmaterialien
und elektrischen Apparate sowie ein Reglement über die Durchführung der
Prüfungen, die Erteilung des Sicherheitszeichens und die Kostendeckung
aufzustellen, die beide der Genehmigung durch das EVED bedürfen
(Art. 121bis Abs. 2 und Art. 121quater Abs. 1 StVO). Dieses Reglement
samt Verzeichnis ist vom SEV mit Genehmigung des EVED 1953 erlassen worden
(SR 734.231). Nach Art. 4 des Reglements wird das Recht, prüfpflichtiges
Material in den Verkehr zu bringen, vom Eidg. Starkstrominspektorat in
Form einer Bewilligung erteilt.

    B.- Am 28. April 1977 erstattete das Eidg. Starkstrominspektorat
gegen P. Strafanzeige, weil er anfangs 1976 an K. ein nicht bewilligtes
Netzgerät KDR 122-PC ohne Nenndaten und Sicherheitszeichen geliefert hatte.

    C.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks Bülach sprach P. am
11. Oktober 1978 wegen vorsätzlicher Widerhandlung gegen Art. 55 ElG in
Verbindung mit Art. 123quater StVO schuldig und büsste ihn mit Fr. 1'000.-.

    Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 26. März 1979 die
vom Einzelrichter ausgefällte Busse in Anwendung der Art. 55 ElG und
121bis Abs. 1 und 123quater StVO.

    D.- P. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freispruch.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich und die Bundesanwaltschaft
haben auf Gegenbemerkungen verzichtet. Das Eidg. Amt für Energiewirtschaft
beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Soweit der Beschwerdeführer vom Bundesgericht verlangt, dass
es selber ihn freispreche, ist das Begehren unzulässig. Im Falle einer
Gutheissung der Beschwerde hat der Kassationshof die Sache zu neuer
Entscheidung an den kantonalen Richter zurückzuweisen (Art. 277ter
Abs. 1 BStP).

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer ficht die Prüfungsvorschriften des SEV
als verfassungswidrig an. Er begründet die Rüge nicht selber, sondern
verweist sinngemäss auf die Kopie eines Rechtsgutachtens von Prof. F. Gygi,
das er zur Orientierung des Bundesgerichts der Beschwerde beilegte. Mit
Rücksicht darauf, dass die Beschwerdeschrift von einem juristischen Laien
verfasst wurde, kann das erwähnte Gutachten als Bestandteil der Beschwerde
angesehen werden. Das bedeutet aber nicht, dass das Gutachten in seiner
Gesamtheit in die Erörterungen miteinzubeziehen ist. Der Beschwerdeführer
bestreitet dem Sinne nach einzig die Verfassungsmässigkeit der Einführung
der Prüfpflicht und der Festlegung der prüfpflichtigen Apparate. Das 1973
in einer anderen Sache erstattete Gutachten hat daher insoweit ausser
Betracht zu bleiben, als es Fragen behandelt, die nicht Gegenstand der
vorliegenden Beschwerde bilden.

Erwägung 3

    3.- Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe ein
prüfpflichtiges Netzgerät KDR 122-PC, für das keine Bewilligung des
Eidg. Starkstrominspektorats erteilt wurde, einem Kunden verkauft
und damit in Verkehr gebracht. In der Beschwerde wird eingewendet, die
vom SEV erlassenen Bestimmungen über die Prüfpflicht und die Liste der
prüfpflichtigen Materialien und Apparate entbehrten einer gesetzlichen
Grundlage.

    a) Art. 3 ElG enthält eine Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen
im Bereich des Elektrizitätsrechts an den Bundesrat, was rechtlich nicht
zu beanstanden ist, da eine solche Delegation durch die Bundesverfassung
nicht untersagt wird und sie hier auf eine bestimmte Materie beschränkt
ist (BGE 98 Ia 109, 96 I 712). Des weitern räumt Art. 3 ElG dem Bundesrat
einen weiten Ermessensspielraum ein, und es hat deshalb das Bundesgericht
nur zu prüfen, ob die in der Starkstromverordnung getroffene Regelung
objektiv geeignet ist, den vom Gesetz verfolgten Zweck zu erreichen
(BGE 98 IV 135, 92 IV 109). Das ist bei den hier in Frage stehenden
Vorschriften der Art. 121, 121bis und 121quater StVO offensichtlich zu
bejahen. Insbesondere entspricht es dem Sinn der Delegationsnorm des Art. 3
ElG sowie Art. 21 ElG, das vom Gesetz als gefährlich betrachtete Material
einer Prüfung durch ein fachlich ausgewiesenes Organ zu unterstellen,
dabei die anerkannten Regeln der Technik, wie sie in den vom SEV
herausgegebenen sicherheitstechnischen Vorschriften niedergelegt sind,
zur Anwendung zu bringen und gleichzeitig das Starkstrominspektorat,
welches vom SEV getragen wird, mit der Kontrolle zu befassen. Letzteres
ist um so weniger zu bemängeln, als die Entstehungsgeschichte des Art. 21
ElG zweifelsfrei ergibt, dass der Bundesrat ermächtigt werden wollte,
dem bereits bestehenden Inspektorat des SEV die Aufgaben einer amtlichen
Kontrolle zu übertragen (Botschaft in BBl 1899 III 808 f.; Sten. Bull. NR
1900, S. 612, SR 1901, S. 259 ff.). Dementsprechend hat der Bundesrat
schon in den früheren Beschlüssen vom 23. Januar 1903 (AS 1903, S. 400) und
29. Dezember 1947 (BS 4, S. 911) wie auch in der geltenden Verordnung vom
24. Oktober 1967 (SR 734.24) als Eidgenössisches Starkstrominspektorat das
Inspektorat des SEV als Kontrollstelle eingesetzt. In dieser Eigenschaft
ist es amtliches Kontrollorgan und als solches, wie Art. 35 Ziff. VII des
Bundesgesetzes vom 26. März 1914 über die Organisation der Bundesverwaltung
(SR 172.010) bestätigt, eine Dienstabteilung des EVED. Der erwähnte Art. 35
Ziff. VII des Verwaltungsorganisationsgesetzes bestimmt zudem in Absatz
2, dass der Bundesrat mit der Führung des Starkstrominspektorats eine
ausserhalb der Bundesverwaltung stehende geeignete Organisation betrauen
kann. Damit wird die in Art. 21 Ziff. 3 ElG erteilte Ermächtigung des
Bundesrates zur Beauftragung des Inspektorates des SEV mit Aufgaben einer
eidgenössischen Amtsstelle zusätzlich sanktioniert (vgl. VPB 1979, 43/I,
S. 86; BGE 94 I 638).

    b) Freilich wird der SEV in Art. 121quater Abs. 1 der
Starkstromverordnung zum Erlass von Vorschriften über die Durchführung der
Prüfungen und Nachprüfungen ermächtigt, die der Genehmigung durch das EVED
bedürfen. Darin liegt eine Subdelegation der Rechtssetzungsbefugnis. Diese
Lösung entspricht dem Willen des Gesetzgebers, der in Art. 21 Ziff. 3
ElG ausdrücklich vorsieht, dass die Kontrolle auf dem in Frage stehenden
Gebiet einem vom Bundesrat zu bezeichnenden Inspektorat übertragen
wird. Die Kontrollrechte und -pflichten des Eidg. Starkstrominspektorates
sind umfassend. Dementsprechend hat das mit dieser Aufgabe betraute
Inspektorat des SEV zu beurteilen, welche Massnahmen zur Durchführung
der Kontrolle notwendig sind (nicht veröffentlichtes Urteil der
verwaltungsrechtlichen Kammer des Bundesgerichts vom 14. November 1975
i.S. G. & Co. c. EVED). Wenn der Bundesrat den SEV ermächtigt hat, die
erforderlichen Kontrollmassnahmen in einem Reglement mit einem Verzeichnis
der prüfpflichtigen Materialien und Apparate zu umschreiben, so ist er im
Rahmen der in Art. 21 Ziff. 3 ElG enthaltenen Befugnis zur Weiterdelegation
geblieben. Die reglementarische Ordnung des Kontrollverfahrens erscheint
als ein zur Erreichung des gesetzlichen Zweckes geeignetes und notwendiges
Mittel, wird also durch den weitgefassten gesetzlichen Kontrollauftrag
gedeckt. Muss somit von der Zulässigkeit der Weiterdelegation ausgegangen
werden, so ist das vom Starkstrominspektorat des SEV erlassene, vom
EVED genehmigte und in der Gesetzessammlung veröffentlichte Reglement
rechtsverbindlich (Art. 7 Abs. 1 und Art. 9 des Bundesgesetzes vom 12. März
1948 über die Rechtskraft der bereinigten Sammlung der Bundesgesetze
und Verordnungen für die Jahre 1848-1947 und über die neue Reihe
der Sammlung/AS 1949, S. 1523; BGE 97 I 879, 92 I 46). Die Rüge der
Verfassungswidrigkeit erweist sich als unbegründet.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, es seien gemäss einer
mindestens 20jährigen Praxis sämtliche Mess-, Prüf- und Hilfsgeräte des
Elektro- und Elektronik-Berufsbedarfs von der SEV-Prüfpflicht ausgenommen
worden. Prüfpflichtig seien nur Netzgeräte für den allgemeinen Bedarf,
nicht aber professionelle Geräte gewesen. Diese Praxis sei in der Branche
ganz allgemein bekannt.

    a) Demgegenüber ist festzustellen, dass Ziff. 22 des
SEV-Verzeichnisses (SR 734.231, S. 17) Kleingleichrichter, worunter
auch das vom Beschwerdeführer verkaufte Gerät fällt, allgemein der
Prüfpflicht unterstellt, ohne zwischen professionellen und nicht
professionellen Geräten einen Unterschied zu machen. Im übrigen hat die
Vorinstanz nachgewiesen, dass eine Reihe anderer Geräte ebenfalls der
Prüfpflicht unterstehen, auch wenn sie in der Regel nur von instruierten
Personen erworben und verwendet werden. Reglement und Verzeichnis ist
jedenfalls nichts dafür zu entnehmen, dass Geräte von der Art, das der
Beschwerdeführer verkauft hat, von der Prüfpflicht ausgenommen wären.

    b) Wenn der Beschwerdeführer weiter behauptet, es bestehe bezüglich
professioneller Geräte seit vielen Jahren eine von der gesetzlichen
Vorschrift abweichende Praxis, die in seinem Fall nicht angewendet worden
sei, so rügt er damit eine rechtsungleiche Behandlung. Die Verletzung
von Art. 4 BV kann aber nicht mit Nichtigkeitsbeschwerde, sondern nur
mit staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden (Art. 269 BStP).

Erwägung 5

    5.- Schliesslich bestreitet der Beschwerdeführer den Nachweis seiner
Täterschaft. Die gegenteilige Feststellung der Vorinstanz ist tatsächlicher
Natur, die ebenso wie die Beweiswürdigung des kantonalen Richters den
Kassationshof bindet und mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten
werden kann (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Desgleichen ist der angerufene
Grundsatz "in dubio pro reo" nicht eine Regel des eidgenössischen
Gesetzesrechts; die Verletzung des erwähnten Grundsatzes kann daher nicht
mit Nichtigkeitsbeschwerde geltend gemacht werden (BGE 100 IV 268).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.