Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 261



105 IV 261

67. Urteil des Kassationshofes vom 26. September 1979 i.S. M. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 98 Abs. 3 SVG. Anbringung eines unzulässigen Signals.

    Wer mit einer in der Hand gehaltenen Kartontafel, auf der das
Wort "RADAR" geschrieben ist, vorbeifahrende Automobilisten vor einer
Radarkontrolle warnt, macht sich nicht nach Art. 98 Abs. 3 SVG strafbar.

Sachverhalt

    A.- M. stellte sich am 14. Februar 1978 gegen Abend in Anglikon am
Strassenrand mit einer Kartontafel in der einen Hand auf, auf welcher er
in schwarzen Buchstaben das Wort "RADAR" geschrieben hatte. Gleichzeitig
machte er mit der anderen Hand Auf- und Abwärtsbewegungen, um die gegen
Wohlen fahrenden Automobilisten vor der Radarkontrolle zu warnen und zum
Langsamfahren zu veranlassen. Er wurde wegen Widerhandlung gegen Art. 98
SVG verzeigt.

    B.- Das Bezirksgericht Bremgarten sprach M. am 14. September 1978
von Schuld und Strafe frei.

    Das Obergericht des Kantons Aargau hiess dagegen am 21. Juni 1979
eine Berufung der Staatsanwaltschaft gut, hob das erstinstanzliche Urteil
auf und verfällte M. wegen Anbringung eines unzulässigen Signals ohne
behördliche Ermächtigung in Anwendung von Art. 98 Abs. 3 SVG in Verbindung
mit Art. 72 Abs. 1 SSV in eine Busse von Fr. 70.-.

    C.- M. führt Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt sinngemäss die
Aufhebung des angefochtenen Urteils und Rückweisung der Sache zu seiner
Freisprechung.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau hat sich mit dem Antrag
auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 98 SVG wird mit Haft oder Busse bestraft, wer vorsätzlich
ein Signal versetzt oder beschädigt und wer vorsätzlich ein Signal oder
eine Markierung entfernt, unleserlich macht oder verändert (Abs. 1),
wer eine von ihm unabsichtlich verursachte Beschädigung eines Signals
nicht der Polizei meldet (Abs. 2), und wer ohne behördliche Ermächtigung
ein Signal oder eine Markierung anbringt (Abs. 3).

    Wie sich aus der Gesamtheit der genannten Tatbestände ergibt,
bezweckt Art. 98 SVG den strafrechtlichen Schutz der durch Art. 5
Abs. 1 SVG vorgesehenen Signale und Markierungen. Da diese Zeichen
der Regelung des Verkehrs und allgemein der Verkehrssicherheit dienen,
soll durch die erwähnten Verbote und Gebote eine Beeinträchtigung dieser
Sicherheit verhindert werden. Dass durch unbefugtes Versetzen, Beschädigen,
Entfernen, Unleserlichmachen und Verändern von behördlich angebrachten
Verkehrszeichen oder durch unbefugtes Anbringen solcher Zeichen die
Strassenbenützer zu einem Fehlverhalten verleitet werden können und dadurch
eine Gefahr für die Sicherheit des Verkehrs geschaffen wird, liegt auf
der Hand. Zu einer solchen Verkehrsgefährdung kann auch der in Absatz 3
umschriebene Tatbestand führen, wenn ohne behördliche Bewilligung eine den
Vorschriften der SSV (Art. 72 ff.) entsprechende Signaltafel angebracht
wird, namentlich, wenn sie der geltenden Verkehrsregelung widerspricht
oder sonstwie irreführend ist. Das kann selbst dann zutreffen, wenn das
unbefugt angebrachte Kennzeichen nicht genau den gesetzlichen Vorschriften
entspricht (SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG, S. 315). Doch muss im
letztern Fall vorausgesetzt werden, dass das Signal in seiner äusseren
Gestalt einem in der SSV vorgesehenen Verkehrszeichen derart ähnlich
ist, dass für den durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer bei rascher
Beobachtung eine Verwechslung mit einem ordentlichen Signal naheliegt. Bei
Phantasiezeichen dagegen, die nach Form, Farbe oder Beschriftung mit den
gesetzlich vorgesehenen Signaltafeln schon auf den ersten Blick nichts
gemein haben, besteht die Gefahr einer Irreführung der Strassenbenützer
nicht, so dass auch das in Art. 98 SVG vorausgesetzte Schutzbedürfnis
entfällt.

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall kann nicht davon die Rede sein, dass der vom
Beschwerdeführer in der Hand gehaltene braune Karton, auf dem in grossen
schwarzen Buchstaben das Wort "RADAR" gemalt war, Anlass zur Irreführung
gegeben habe. Für jeden vorbeifahrenden Verkehrsteilnehmer war sofort
erkennbar, dass die Kartontafel mit einem behördlichen Verkehrszeichen
keinerlei Ähnlichkeit hatte. Die Gefahr einer Verwechslung mit einer
ordentlichen Signaltafel war also zum vornherein ausgeschlossen. Im
übrigen hat der Beschwerdeführer, wie auch die Vorinstanz anerkennt, durch
sein Verhalten weder die Sicherheit des Verkehrs noch die Polizei an der
Ausübung der Radarkontrolle in irgendeiner Weise behindert (vgl. BGE 103
IV 189).

    Die Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Übertretung von Art. 98
Abs. 3 SVG in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 SSV verstösst gegen Bundesrecht
und ist deshalb aufzuheben.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts - 2. Strafkammer - des Kantons Aargau vom 21. Juni 1979
aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers an die
Vorinstanz zurückgewiesen.