Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 203



105 IV 203

54. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 6. September
1979 i.S. Z. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden und
D. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    1. Die einem wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten
Verurteilten erteilte richterliche Weisung, die künftigen Alimente
pünktlich zu bezahlen, verstösst nicht gegen Bundesrecht (E. 2a).

    2. In der Weisung zur Bezahlung der verfallenen Alimente sind Höhe
und Fälligkeit der einzelnen Raten möglichst genau festzusetzen. Die
Weisung muss unter Berücksichtigung der gesamten Umstände im Zeitpunkt
ihres Erlasses als erfüllbar und zumutbar erscheinen (E. 2b).

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Die dem Beschwerdeführer von den kantonalen Instanzen erteilte
Weisung enthält zwei Gebote - Zahlung der laufenden Beiträge und Abzahlung
der verfallenen Alimente -, deren Zulässigkeit getrennt zu untersuchen ist.

    a) Gegen die ausdrückliche Verpflichtung, die laufenden
Unterhaltsbeiträge pünktlich zu bezahlen, macht der Beschwerdeführer
geltend, sie sei völlig unnötig, da bei Nichtzahlung der laufenden
Unterhaltsbeiträge während der Probezeit durch eine neue Strafklage
gemäss Art. 217 StGB ohnehin der Widerruf des bedingten Strafvollzuges
herbeigeführt werden könne. Eine Weisung dieses Inhalts könne gar nicht
erteilt werden, da dem Verurteilten die Pflicht zur Bezahlung der laufenden
Unterhaltsbeiträge bereits vom Gesetzgeber durch die Strafandrohung nach
Art. 217 StGB auferlegt werde.

    Mit der Weisung, die künftigen Alimente pünktlich zu zahlen,
wird tatsächlich nur eine ohnehin bestehende und für den Fall
der schuldhaften Unterlassung mit Strafandrohung versehene Pflicht
nachdrücklich in Erinnerung gerufen. Auch ohne eine solche Weisung kann
die erneute schuldhafte Nichtzahlung laufender Alimente bei Stellung eines
Strafantrages ausser der neuen Bestrafung den Vollzug der jetzt bedingt
ausgefällten Strafe zur Folge haben. Die Weisung schafft an sich die
Möglichkeit, das Ausbleiben der Zahlungen unmittelbar zum Anlass für ein
Widerrufsverfahren zu nehmen, ohne dass neuerdings ein Strafantrag gestellt
und wegen der neuen Unterlassungen zuerst ein Strafverfahren durchgeführt
werden müsste. Ob es zweckmässig ist, die ex lege bestehende Androhung
des Widerrufs bei künftiger Vernachlässigung der Unterstützungspflichten
noch durch eine Weisung hervorzuheben und gewissermassen von einer
erneuten Bestrafung unabhängig zu machen, mag zweifelhaft sein (für die
Zulässigkeit einer solchen Weisung: Kantonsgericht Graubünden RStrS 1943
Nr. 227; Obergericht Bern ZBJV 82/1946, S. 260; gegenteiliger Auffassung:
Obergericht Zürich SJZ 50/1954, S. 101; Obergericht Bern und SCHULTZ ZBJV
98/1962, S. 351; vgl. auch die Basler Dissertationen von BRUNO PEIER,
Der Widerruf des bedingten Strafvollzuges, 1969, S. 55, und BRIGITTA
FELLMANN, Die Weisung gemäss Art. 41 Ziff. 2 StGB, 1973, S. 125). Der
Hinweis auf die rechtlich ohnehin bestehende Pflicht, die laufenden
Unterhaltsbeiträge pünktlich zu bezahlen, mag zunächst als überflüssig
erscheinen, verstösst aber nicht gegen die ratio legis von Art. 41 Ziff. 2
StGB und verletzt kein Bundesrecht. Entgegen gewissen Äusserungen in der
Judikatur und Doktrin (vgl. B. FELLMANN, aaO, S. 125 f., und ZBJV 98/1962,
S. 351) wird durch eine solche Auflage nicht die mögliche Bestrafung
gewissermassen "verdoppelt"; denn auch ohne eine derartige Weisung kann
ja, wie erwähnt, die schuldhafte Nichtbezahlung der Alimente während
der Probezeit den Vollzug der bedingten und die Verurteilung zu einer
neuen Gefängnisstrafe zur Folge haben. Im Gegenteil kann bei künftiger
schuldhafter Nichtbezahlung dank einer solchen Weisung eine "doppelte
Bestrafung" unter Umständen vermieden werden, indem der Berechtigte, statt
Strafantrag zu stellen, sich damit begnügt, den Richter auf den Verstoss
gegen die Weisung aufmerksam zu machen. In diesem Fall wird mangels Antrag
keine neue Strafe ausgefällt, die allenfalls wegen ungünstiger Prognose
sogar unbedingt vollzogen werden müsste, sondern es wird, nach erfolgloser
förmlicher Mahnung, höchstens der bedingte Strafvollzug widerrufen. Auch
unter praktischen Gesichtspunkten dürfte es zudem durchaus angebracht sein,
einem Verurteilten, der durch eine Weisung zur Bezahlung der rückständigen
Beiträge angehalten wird (siehe lit. b), gleichzeitig klar zu sagen,
dass er - um sich im Sinne von Art. 41 Ziff. 4 StGB zu bewähren - auch
die laufenden Unterhaltspflichten pünktlich erfüllen muss; der Irrtum,
die ratenweise Zahlung rückständiger Alimente genüge zur Abwendung des
Widerrufs, wird damit ausgeschlossen.

    b) Dass durch richterliche Weisung die Abzahlung rückständiger
Unterhaltsbeiträge angeordnet werden kann, ist in der Doktrin und Praxis
unbestritten. Die Tilgung der aufgelaufenen Alimentenschuld kann, soweit
sie Gegenstand einer Bestrafung gemäss Art. 217 StGB bildete, unter
den Begriff der Schadensdeckung subsumiert werden. Weisungen über die
Schadensdeckung werden in Art. 41 Ziff. 2 StGB ausdrücklich erwähnt. Auch
in der vorliegenden Nichtigkeitsbeschwerde wird die Zulässigkeit einer
solchen Weisung nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

    Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, es sei ihm mit dem besten
Willen nicht möglich, eine Alimentenschuld von total Fr. 7'460.- innert
der Probezeit von drei Jahren abzutragen. Dies würde voraussetzen,
dass er ausser den laufenden Beiträgen von monatlich Fr. 350.- noch
Abschlagszahlungen von je Fr. 200.- pro Monat leisten könnte; diese
Auflage sei für ihn nicht erfüllbar.

    Die Vorinstanz hat sich mit der Frage, ob der Beschwerdeführer
die Alimentenschuld, welche zur Bestrafung gemäss Art. 217 StGB
geführt hat, in der dreijährigen Probezeit zu tilgen vermöge, nicht
auseinandergesetzt. Auch im erstinstanzlichen Urteil des Strafgerichts
Nidwalden bzw. in dem zum Urteil erhobenen Antrag der Staatsanwaltschaft
findet sich dazu nur folgende summarische Erwägung:

    "Der Angeschuldigte betreibt heute ein eigenes Geschäft. Es ist ihm,
   obwohl er nun einen neuen Hausstand gegründet hat, zuzumuten, die
   laufenden

    Alimente pünktlich zu entrichten und die verfallenen in gleichmässigen

    Beträgen nachzuholen. Es soll daher an die Gewährung des bedingten

    Strafvollzuges diese Weisung geknüpft werden."

    Diese allgemeine Überlegung genügt den Anforderungen nicht, welche
an die Begründung einer Weisung zur Leistung periodischer Zahlungen
zu stellen sind. Der Richter hat unter zahlenmässiger Feststellung der
Belastung abzuklären, ob die vorgesehene Weisung unter Berücksichtigung der
konkreten Umstände als erfüllbar und zumutbar erscheint. Im vorliegenden
Fall muss angenommen werden, dass eine solche Abklärung unterblieb.

    Die Formulierung der Weisung ist zudem zu unbestimmt. Um dem
Besserungszweck zu dienen und Art. 41 Ziff. 2 StGB zu entsprechen, muss
eine solche Weisung möglichst genau sein (vgl. SCHULTZ, Einführung in
den Allgemeinen Teil des Strafrechts, 2. Band, 3. Aufl., S. 98/99). In
einer Weisung über die Schadensdeckung sind mithin Höhe und Fälligkeit der
einzelnen Raten zu bestimmen. Dabei ist keineswegs erforderlich, dass der
gesamte Betrag der aufgelaufenen Alimente am Ende der Probezeit bezahlt
sei; schon aus Art. 41 Ziff. 2 Abs. 1 i.f. StGB ergibt sich, dass die
"bestimmte Frist", innerhalb welcher der Schaden zu decken ist, mit der
Probezeit nicht identisch sein muss. Der Richter hat die Abzahlungsraten
an die rückständigen Unterhaltsbeiträge vielmehr so festzusetzen, dass
seine Weisung unter Berücksichtigung der gesamten Umstände im Zeitpunkt
ihres Erlasses als erfüllbar und zumutbar erscheint.

    Die angefochtene Weisung ist daher aufzuheben, soweit sie die
verfallenen Unterhaltsbeiträge betrifft. Die Vorinstanz wird im Sinne der
vorstehenden Erwägungen zu prüfen haben, zu welchen Abzahlungsraten an die
verfallenen Unterhaltsbeiträge der Beschwerdeführer unter Berücksichtigung
seiner finanziellen Verhältnisse, des Notbedarfs seiner Familie und der
Höhe der laufenden Alimente verpflichtet werden kann. Selbstverständlich
darf der Gesamtbetrag dieser Abzahlungsraten die Summe der aufgelaufenen
und nicht verjährten Unterhaltsbeiträge nicht übersteigen. Auch die
Frage einer allfälligen teilweisen Verjährung wird vom Kantonsgericht
abzuklären sein.