Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 147



105 IV 147

39. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 8. Juni 1979
i.S. B. gegen Bundesamt für Energiewirtschaft, Bundesanwaltschaft und
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 121bis Abs. 1 Starkstromverordnung.

    Zum Anschluss an Hausinstallationen bestimmte elektrische Apparate, die
Personen oder Sachen gefährden oder auf benachbarte Schwachstromanlagen
störende Fernwirkungen ausüben können. Ein Inverkehrbringen nicht
typengeprüfter derartiger Apparate liegt nicht vor, wenn sie an einer
Ausstellung zu Marktforschungszwecken gezeigt werden, wohl aber, wenn sie
zu Bemusterungszwecken einer Firma ohne fachkundiges Personal übergeben
werden.

Sachverhalt

    A.- 1. Nach Art. 121 der Verordnung des Bundesrates über
die Erstellung, den Betrieb und den Unterhalt von elektrischen
Starkstromanlagen (StVO) vom 7. Juli 1933 müssen elektrische Apparate,
die zum Anschluss an Hausinstallationen bestimmt sind, nach den
anerkannten Regeln der Technik so beschaffen sein, dass sie den
Anforderungen der Art. 4 (Sicherheit von Personen und Sachen) und 5
(Schutz benachbarter Schwachstromanlagen) entsprechen. Als anerkannte
Regeln der Technik gelten die vom Schweiz. Elektrotechnischen Verein
(SEV) herausgegebenen sicherheitstechnischen Vorschriften. Weiter dürfen
gemäss Art. 121bis Abs. 1 StVO elektrische Apparate nach Art. 121,
die wegen ihrer Bauart, der Art ihrer Verwendung, ihrer Wirkungsweise
oder ihrer Verbreitung nach Art. 4 Personen oder Sachen gefährden
oder nach Art. 5 auf benachbarte Schwachstromanlagen eine störende
Fernwirkung ausüben können, nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn
das Eidg. Starkstrominspektorat aufgrund einer Typenprüfung durch eine
vom Eidg. Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartement (EVED) anerkannte
Prüfanstalt festgestellt hat, dass sie den in Art. 121 Abs. 2 genannten
Vorschriften entsprechen. Die als zulässig anerkannten elektrischen
Apparate sind nach Art. 121ter Abs. 1 StVO durch ein Sicherheitszeichen
zu kennzeichnen. Der SEV stellt über die Durchführung der Prüfungen sowie
über die Erteilung des Sicherheitszeichens ein Reglement auf, das der
Genehmigung durch das EVED bedarf (Art. 121quater StVO). Das Reglement
wurde am 1. April/26. November 1953 erlassen.

    2. B., Inhaber einer Radiofirma stellte an der FERA 1975 ohne
Bewilligung vier Radioapparate aus, von denen zudem zwei angeblich
unbefugterweise mit dem Sicherheitszeichen versehen waren. Am 8. September
1976 lieferte er ohne entsprechende Bewilligung einer andern Firma drei
noch nicht typengeprüfte, teilweise ebenfalls unzulässigerweise das
Sicherheitszeichen tragende Geräte zu Bemusterungszwecken.

    B.- Am 22. Januar 1979 verurteilte das Obergericht des Kantons
Zürich B. wegen Widerhandlung gegen Art. 121bis Abs. 1 StVO und Art. 4
Abs. 1 des Sicherheitszeichen-Reglementes in Anwendung von Art. 123quater
StVO und Art. 55 des Bundesgesetzes betreffend die elektrischen Schwach-
und Starkstromanlagen vom 24. Juni 1902 (ElG) zu einer vorzeitig löschbaren
Busse von Fr. 1'600.-.

    C.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

    Das Bundesamt für Energiewirtschaft beantragt, die Beschwerde
abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei. Die Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich stellt in gleichem Sinne Antrag, während die
Bundesanwaltschaft auf Gegenbemerkungen verzichtet hat.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Der Beschwerdeführer macht geltend, ein Inverkehrbringen im
Sinne von Art. 121bis StVO liege nicht vor, wenn ungeprüfte Geräte ohne
Bewilligung an einer Fachmesse zu reinen Marktforschungszwecken und ohne
jede Verkaufsabsicht zuhanden eines fachkundigen Publikums ausgestellt
bzw. zu blossen Bemusterungszwecken einer fachkundigen Kollegialfirma
unter Hinweis auf die fehlende Prüfung und Bewilligung kurzfristig
überlassen werden. Der Begriff des Inverkehrbringens setze voraus, dass
der Handelnde bereit sei, mit einer Vielzahl in geschäftliche Beziehungen
zu treten, und vor allem, dass eine Gefahrenquelle bildende Geräte in die
Herrschaftssphäre eines unkundigen und damit schutzbedürftigen Dritten
übergingen. In Art. 2 des Sicherheitszeichen-Reglements werde denn auch
als Inverkehrbringen "jede Art der Besitzübertragung" bezeichnet. Dass das
Bundesgericht in einem Urteil vom 24. März 1972 i.S. K. über den Wortlaut
von Art. 2 des Reglements hinaus zum Inverkehrbringen auch das Anpreisen
und Anbieten gezählt habe, stehe dem Gesagten insofern nicht entgegen,
als Anbieten und Anpreisen Versuch oder mindestens Vorbereitungshandlung
der Besitzübertragung darstellten. Beim Markttest hingegen blieben die
Geräte unter allen Umständen im Herrschaftsbereich ihres Besitzers. Von der
Annahme der Vorinstanz, dass der Wortlaut die Absicht des Gesetzgebers
unvollkommen wiedergebe, könne keine Rede sein. Auch tue sie nicht
dar, inwiefern eine Beschränkung der Strafbarkeit auf die Verbreitung
ungeprüfter Geräte im Sinne der Weitergabe an ein weiteres Publikum,
gegebenenfalls unter Einschluss der Anpreisung solcher Geräte als
Vorbereitungshandlung zur Veräusserung vernünftigerweise nicht dem wahren
Sinn des Gesetzes entsprechen sollte.

    a) Laut ihrem Ingress stützt sich die StVO in erster Linie auf Abs. 2
lit. a des Art. 3 ElG, der in Abs. 1 bestimmt, dass der Bundesrat die
erforderlichen Vorschriften aufstellen soll "zu tunlichster Vermeidung
derjenigen Gefahren und Schädigungen, welche aus dem Bestande
der Starkstromanlagen überhaupt und aus deren Zusammentreffen mit
Schwachstromanlagen entstehen". Wenn Art. 121bis Abs. 1 StVO das
Inverkehrbringen von Installationsmaterialien und zum Anschluss an
Hausinstallationen bestimmten elektrischen Apparaten, die Personen
oder Sachen gefährden oder auf benachbarte Schwachstromanlagen störende
Fernwirkungen ausüben können, einer Typenprüfung unterstellt, so nimmt er
nur den Zweckgedanken von Art. 3 Abs. 1 ElG wieder auf. Dementsprechend
ist der Begriff des Inverkehrbringens im Sinne der Delegationsnorm zu
bestimmen.

    Nach dem Gesagten erscheint das Verbot, elektrische Geräte ohne
bestandene Typenprüfung an Dritte weiterzugeben, wie das bei Verkauf,
Tausch, Vermietung und allgemein bei einem Überlassen geschehen kann,
ohne weiteres als geeignetes Mittel zur Erreichung des gesetzlichen
Zweckes. Es entspricht deshalb dem Sinn des Art. 121bis Abs. 1 StVO,
grundsätzlich jede Art der Besitzübertragung vom Hersteller oder Importeur
bis zum inländischen Verbraucher als Inverkehrbringen zu qualifizieren,
wie das in Art. 2 des Sicherheitszeichen-Reglements geschehen ist.

    Fragen kann sich einzig, ob der Begriff des Inverkehrbringens
noch mehr enthält. Das hat das Bundesgericht bejaht, indem es in ihn
auch das Anbieten und Anpreisen einbezogen hat, unter Berufung auf den
französischen Text, der von "mettre sur le marché" spricht (Urteil der
verwaltungsrechtlichen Kammer vom 24. März 1972 i.S. K. c. EVED). Daran
ist festzuhalten, zumal das Anpreisen oder Anbieten naturgemäss zwecks
Verkaufs oder Vermietung geschieht und dadurch das Publikum - bei nicht
typengeprüften elektrischen Geräten - zum Erwerb veranlasst wird, obschon
keine Gewähr für einen zureichenden Schutz vor der Gefährdung besteht, die
Art. 121bis Abs. 1 StVO verhüten will. Diese Auslegung verträgt sich auch
ohne weiteres mit der vom Beschwerdeführer angeführten Rechtsprechung
zu Art. 1 StGB (BGE 96 IV 84, 95 IV 73 und Zitate), wird doch vom
Gesetzgeber auch in anderem Zusammenhang das Feilhalten als eine Art
des Inverkehrbringens verstanden (vgl. Art. 154 StGB). Dem Anpreisen oder
Anbieten ist das Ausstellen an einer Messe gleichzustellen, das dem Verkauf
dient. Hingegen würde dem Begriff des Inverkehrbringens selbst nach dem
französischen Gesetzestext Gewalt angetan, wollte man mit der Vorinstanz
auch das Ausstellen an einer Messe zum Zweck eines Markttests einbeziehen,
wo der Apparat nicht zum Verkauf ausgestellt wird, sondern um abzuklären,
ob überhaupt ein Interesse dafür besteht. Der Apparat bleibt hier in den
Händen des fachkundigen Personals des Ausstellers, sodass die Gefahren,
mit denen bei nicht typengeprüften Geräten für das Publikum zu rechnen
ist, entfallen. Anders ist es hingegen, wenn solche Apparate z.B. zur
Ansicht einem Dritten zugesandt werden, also eine Besitzübertragung
stattfindet. Hier ist ein Inverkehrbringen in der Regel zu bejahen.

    b) Somit fällt dem Beschwerdeführer bezüglich des Ausstellens von nicht
typengeprüften Apparaten an der FERA 1975, die nach der verbindlichen
Feststellung der Vorinstanz zu "reinen Marktforschungszwecken" erfolgte
(Art. 277bis Abs. 1 BStP), eine Widerhandlung gegen Art. 121bis Abs. 1
StVO nicht zur Last und ist das Urteil insoweit aufzuheben.

    Hingegen ist diese Bestimmung insoweit verletzt, als B. nicht
typengeprüfte Apparate zu Bemusterungszwecken der Firma N. zugesandt
hat. Darin lag eine Besitzübertragung in der Kette Hersteller -
Importeur Zwischenhändler - Endverbraucher, durch welche die Geräte
aus dem Herrschaftsbereich des Beschwerdeführers und seines mit ihnen
vertrauten Personals in andere Hände übergingen, wo die Gefahren, welche
Art. 121bis Abs. 1 StVO vermeiden will, aktuell werden konnten. Nach
dem angefochtenen Urteil war die Firma N. dem Beschwerdeführer nicht
näher bekannt. Er hatte deshalb keine Gewähr, dass in ihrem Betrieb nur
Fachleute mit den Apparaten umgingen. Tatsächlich war nach den von der
Vorinstanz übernommenen Angaben des Bundesamts für Energiewirtschaft in
der Firma N. die gegenseitige Instruktion zwischen den abwechslungsweise
mit dem Verkauf beschäftigten Personen äusserst mangelhaft. Dass der
Beschwerdeführer die Firma N. darauf hinwies, dass die Geräte noch
nicht geprüft seien und nicht verkauft werden dürften, ändert an der
Rechtswidrigkeit seiner Handlungsweise nichts.