Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 14



105 IV 14

4. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Januar 1979 i. S. S.
gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 49 Ziff. 3 StGB, Umwandlung einer Busse in Haft.

    1. Rechtsnatur des Umwandlungsentscheids.

    2. Vollstreckungsverjährung (Art. 74 StGB). Sie beginnt mit dem
Tag, an dem das Bussenurteil, nicht der Umwandlungsentscheid, rechtlich
vollstreckbar wird.

Sachverhalt

    A.- Am 26. Februar 1975 verurteilte der Gerichtspräsident von
Laufen S. wegen Verletzung von Verkehrsvorschriften (Führen eines
nichtbetriebssicheren Motorfahrzeugs und Fahren mit übersetzter
Geschwindigkeit) zu Fr. 220.-- Busse. Das Urteil erwuchs in Rechtskraft.

    Am 5. Oktober 1976 beantragte die Amtsschaffnerei Delsberg dem
Richteramt Laufen die Umwandlung der Busse in Haft, weil sie wegen
unbekannten Aufenthalts des S. nicht eingetrieben werden konnte. Nachdem
S. durch Publikation im Amtsblatt des Kantons Bern vom 20. Oktober 1976
erfolglos Gelegenheit zur Vernehmlassung gegeben worden war, verfügte
der Gerichtspräsident von Laufen am 16. November 1976 die Umwandlung
der Busse in acht Tage Haft. Dieser Entscheid wurde im Amtsblatt vom
27. November 1976 veröffentlicht. Zuvor, am 18. November 1976, hatte der
Regierungsstatthalter von Laufen als Vollstreckungsbehörde S. zum Vollzug
der Haftstrafe im Fahndungsblatt ausschreiben lassen, worauf dieser am
11. Oktober 1978 verhaftet wurde.

    Auf Einsprache der S. erklärte das Obergericht des Kantons Bern mit
Beschluss vom 24. November 1978 die vom Gerichtspräsidenten von Laufen
ausgesprochene Umwandlung der Busse von Fr. 220.-- als nicht verjährt.

    B.- S. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den Beschluss
des Obergerichtes aufzuheben.

    Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der
Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz geht zutreffend davon aus, dass bei
Übertretungen, wie sie dem Beschwerdeführer vorgeworfen wurden, die
absolute Vollstreckungsverjährung nach drei Jahren eintritt (Art. 75
Ziff. 2 Abs. 2, 109 StGB) und dass sie mit dem Tag beginnt, an dem das
Urteil rechtlich vollstreckbar wird (Art. 74 StGB). Sie nimmt aber an,
"Urteil" im Sinne dieser Bestimmung sei im vorliegenden Fall nicht
der Entscheid vom 26. Februar 1975, mit welchem die Busse ausgefällt,
sondern jener vom 16. November 1976, mit dem sie in Haft umgewandelt
wurde. Das ergebe sich einerseits aus Art. 74 StGB selber, wonach beim
bedingten Strafvollzug und im Falle des Strafaufschubs zugunsten einer
Massnahme die Vollstreckungsverjährung auch nicht bereits mit dem Datum des
Haupturteils beginne, sondern erst mit dem Tag, an dem der nachträgliche
Vollzug der Strafe angeordnet werde. Anderseits folge aus BGE 74 IV 60,
dass die Umwandlung einer Busse in Haft keine blosse Vollzugsmassnahme,
sondern ein selbständiger materieller Entscheid sei. Im vorliegenden
Fall sei die Verjährung der am 16. November 1976 ausgesprochenen Strafe
von acht Tagen Haft erstmals am 18. November 1976 und ein weiteres Mal
am 11. Oktober 1978 unterbrochen worden. Die absolute Verjährung würde
deshalb erst am 16. November 1979 eintreten.

    Demgegenüber macht der Beschwerdeführer geltend, die
Vollstreckungsverjährung habe mit der rechtskräftigen Ausfällung der Busse
begonnen und sei deshalb vor dem obergerichtlichen Entscheid endgültig
abgelaufen.

Erwägung 2

    2.- Wie schon in BGE 63 I 189 und 64 I 64 erkannt wurde, ist der
Umwandlungsentscheid eine Ergänzung des Bussenentscheides und bezweckt,
diesen in anderer Form vollziehbar zu machen, damit er nicht überhaupt
unvollzogen bleibt. Die Umwandlungsstrafe ist nur Ersatz für die eigentlich
zu leistende Geldstrafe (BGE 103 Ib 190). Deshalb muss der Vollzug
der Umwandlungsstrafe entfallen, wenn ihm eine nachträgliche Zahlung
der Busse zuvorkommt, denn mit der Geldleistung ist das Bussenurteil
erfüllt und bedarf keines Ersatzes mehr (BGE 69 IV 155, 64 I 65). Den
behelfsmässigen Charakter der Umwandlungsstrafe und ihre Abhängigkeit
vom Bussenentscheid zeigt auch der Umstand, dass der Richter ihre auf
drei Monate begrenzte Dauer nach der Höhe der Busse zu bestimmen hat
(Art. 49 Ziff. 3 Abs. 3 StGB) und keine neue Wertung gemäss dem für
Freiheitsstrafen sonst geltenden Art. 63 StGB vornehmen kann. Da der auf
Geldleistung gerichtete Strafanspruch des Staates aber mit der Ausfällung
des Bussenurteils und dessen Nichtanfechtung rechtskräftig festgestellt
wird und der Grund der Umwandlung nicht darin liegt, dass das Bussenurteil
nicht rechtlich vollstreckbar wäre, sondern nur darin, dass es faktisch
nicht durchsetzbar ist, weil sich der Verurteilte seiner Zahlungspflicht
entzieht (s. SCHULTZ, Einführung in den Allg. Teil des Strafrechts,
2. Aufl. S. 208), steht der Beginn der Vollstreckungsverjährung fest. Diese
setzt gemäss Art. 74 StGB mit dem Tag ein, an dem das Bussenurteil
rechtlich vollstreckbar wird. Die in dieser Bestimmung für den Fall des
bedingten Strafvollzuges und des Aufschubs der Strafe zugunsten einer
Massnahme vorgesehene abweichende Ordnung kann nicht analog auf den Fall
der Umwandlung einer Busse in Haft angewendet werden. Das Gesetz enthält
hier eine ausdrücklich auf diese beiden Fälle beschränkte Ausnahme von
der Regel (vgl. zum alten Art. 74 StGB: BGE 90 IV 6; zum rev. StGB: BBl I
583 unten). Zudem ist Analogie im Strafrecht nur zugunsten des Angeklagten
bzw. Verurteilten zulässig, nicht zu seinem Nachteil (BGE 103 IV 130 mit
Verweisungen). Die Tatsache schliesslich, dass der Umwandlungsentscheid
prozessual kein Vollzugs-, sondern ein materieller Entscheid ist, der
als solcher mit Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden kann (BGE 74 IV
60), ändert nichts daran, dass die Umwandlung eine blosse Ergänzung des
Bussenentscheides darstellt, dessen rechtliche Vollstreckbarkeit allein
massgebend ist für den Beginn der Verjährungsfrist.

Erwägung 3

    3.- Begann aber die Vollstreckungsverjährung nicht erst mit dem
Umwandlungsentscheid, sondern bereits mit der nach kantonalem Prozessrecht
zu bestimmenden (Schultz, aaO) rechtlichen Vollstreckbarkeit des
Bussenurteils, so war die Busse schon im Zeitpunkt des obergerichtlichen
Entscheides vom 24. November 1978 absolut verjährt, und zwar selbst
dann, wenn man neben der Appellationsfrist von 10 Tagen (Art. 298 Abs. 3
bern. StrV), die am 26. Februar 1975 mit der mündlichen Eröffnung des
Urteils begann, noch die in Art. 361 bern. StrV für die Mitteilung des
Strafurteils an die Vollstreckungsbehörden vorgeschriebene Höchstfrist
von fünf Tagen einbezieht.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen und der Beschluss
der II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern vom 24. November
1978 aufgehoben.