Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 132



105 IV 132

35. Urteil des Kassationshofes vom 21. Juni 1979 i.S. Statthalteramt
Bülach gegen A. (Nichtigkeitsbeschwerde) Regeste

    Art. 322 Ziff. 1 StGB. Presseübertretungen.

    Die Vorschrift, auf Druckschriften den Namen des Verlegers anzugeben,
gilt nur unter dem Vorbehalt, dass ein Verleger überhaupt vorhanden
ist. Begriff des Verlegers.

Sachverhalt

    A.- Eine Druckerei in Zürich stellte vor der Gemeinderatswahl in
Bassersdorf vom 22. Januar 1978 zwei Flugblätter her, auf welchen jemand
zur Wiederwahl in den Gemeinderat empfohlen wurde. Die Druckschriften,
welche am 12. und 19. Januar 1978 in Bassersdorf an alle Haushaltungen
verteilt wurden, gaben lediglich Drucker und Druckort an, ohne einen
Verleger zu nennen.

    B.- Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichtes Bülach
sprach deswegen den verantwortlichen Drucker A. am 17. November 1978 der
fortgesetzten Übertretung von Art. 322 Ziff. 1 StGB schuldig und büsste
ihn mit Fr. 150.-.

    Das Obergericht des Kantons Zürich sprach ihn am 30. April 1979 von
Schuld und Strafe frei.

    C.- Das Statthalteramt Bülach führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 322 Ziff. 1 StGB sind auf Druckschriften, die nicht
lediglich den Bedürfnissen des Verkehrs, des Gewerbes oder des geselligen
oder häuslichen Lebens dienen, der Name des Verlegers und des Druckers
und der Druckort anzugeben.

    a) Wie das Bundesgericht entschieden hat, will diese Vorschrift die
Belangung der gemäss Art. 27 StGB verantwortlichen Personen erleichtern,
wenn durch das Mittel der Druckerpresse eine strafbare Handlung begangen
wird (BGE 70 IV 177). Kommt demnach Art. 322 StGB im Verhältnis
zu Art. 27 StGB Hilfsfunktion zu, kann er vernünftigerweise keine
weiteren Anforderungen stellen, als zur Durchsetzung von Art. 27 StGB
nötig ist. Wenn deshalb Art. 322 StGB neben der Nennung des Druckers
und des Druckortes zusätzlich auch diejenige des Verlegers verlangt,
so ist das im Lichte des Art. 27 StGB zu verstehen, der in Ziffer 2 bei
nicht periodischen Druckschriften, deren Verfasser nicht zur Verantwortung
gezogen werden kann, den Verleger und, wenn ein solcher fehlt, den Drucker
strafbar erklärt. Damit geht das Gesetz selber von der Möglichkeit aus,
dass es bei solchen Druckschriften unter Umständen gar keinen Verleger
gibt. Entsprechend ist auch Art. 322 Ziff. 1 StGB auszulegen und die
kumulative Aufzählung von "Verleger und Drucker" unter den Vorbehalt zu
stellen, dass solche Pressebeteiligte überhaupt vorhanden sind (C. LUDWIG,
Schweizerisches Presserecht, S. 171).

    b) Verleger im Sinne des Gesetzes ist, wer den Vertrieb der
Druckschrift unter seiner Verantwortung besorgt. Die Tätigkeit
des Verlegers charakterisiert sich als Vermittlung zwischen den
Produzenten (Verfasser, Herausgeber, Drucker) und den Verbreitern
(Sortimentsbuchhändlern, Kioskinhabern, Kolporteuren usw.). Daraus
erhellt, dass der blosse Verteiler nicht Verleger ist und dass die
Tätigkeit des Verlegers dort entfallen kann, wo die Vermittlung zwischen
Produzent und Verbreiter nach der Natur des Druckerzeugnisses nicht nötig
ist. Das ist namentlich der Fall bei Flugblättern und Plakaten, bei denen
regelmässig ein Verleger fehlt (HAFTER, Allgemeiner Teil, S. 501; LUDWIG,
aaO S. 171; M. REHBINDER, Schweizerisches Presserecht, S. 64). Wo das
zutrifft, genügt ein Impressum der Vorschrift des Art. 322 Ziff. 1 StGB,
wenn es den Drucker und den Druckort angibt.

Erwägung 2

    2.- Von diesen Überlegungen ist auch die Vorinstanz ausgegangen. Sie
hat den Begriff des Verlegers von demjenigen des blossen Verteilers
zutreffend auseinandergehalten und die Unterstellung der fraglichen
Flugblätter unter die Ursprungszeugnispflicht des Art. 322 Ziff. 1 StGB
grundsätzlich zu Recht bejaht, von der nur die im Gesetz selber angeführten
sogenannten harmlosen Druckwerke ausgenommen sind (LUDWIG, aaO, S. 170;
REHBINDER, aaO, S. 49).

    In tatsächlicher Hinsicht stellt die Vorinstanz fest, es könne den
Akten nichts dafür entnommen werden, dass die Verfasser der Flugblätter
deren Vertrieb in eigener Verantwortung übernommen hätten; sie seien
höchstens als Verteiler tätig gewesen. Dem Beschwerdegegner sei es darum
objektiv gar nicht möglich gewesen, den Namen eines Verlegers auf die
Flugblätter zu drucken, weil ein solcher gefehlt habe. Ist von diesem
für den Kassationshof verbindlichen Sachverhalt auszugehen, wurde der
Beschwerdegegner zu Recht von der Anklage der Übertretung des Art. 322
Ziff. 1 StGB freigesprochen.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.