Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 127



105 IV 127

34. Urteil des Kassationshofes vom 21. März 1979 i.S. X. gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden Regeste

    1. Art. 221 StGB.

    a) Zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes muss das Feuer derart
stark sein, dass es vom Urheber nicht mehr bezwungen werden kann; auch
ein Verglühen oder Verglimmen von erheblichem Ausmass genügt, wenn der
Urheber das Feuer nicht mehr beherrschen kann (E. 1b). Als Feuersbrunst
im Sinne der Gesetzesbestimmung ist ein Brand anzusehen, der starken
Rauch entwickelt, bei dem ein Schaden von Fr. 8'000.- entsteht und über
den der Täter die Kontrolle verloren hat.

    b) Der Begriff der Brandstiftung verlangt bloss alternativ die
Herbeiführung einer Gemeingefahr oder die Verursachung einer Feuersbrunst
zum Schaden eines andern (E. 2).

    2. Art. 221 Abs. 2 StGB.

    a) Ein vom Täter in seiner Strafzelle spät in der Nacht gelegter
Brand, der einen starken Rauch entwickelt, stellt damit für die übrigen
Anstaltsinsassen angesichts des giftigen Kohlenmonoxyds eine nahe Gefahr
für die Gesundheit von Menschen dar (E. 3).

    b) Zur Anwendung der Gesetzesbestimmung genügt der Nachweis, dass der
Täter die durch seine Tat herbeigeführte Gefahr gekannt hat, denn wer mit
Wissen und Willen einen Zustand schafft, aus dem sich eine Gefahr ergibt,
die er kennt, der will notwendig auch diese Gefahr (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Der in der Strafanstalt Sennhof, Chur, untergebrachte X.
verbarrikadierte in der Nacht des 3. November 1977 seine Zellentür mit
Kleiderschrank, Bettgestell, Stuhl, Matratze und sämtlichem Bettzeug
und legte daraufhin Feuer an die Wolldecke in der Absicht, sich das
Leben zu nehmen. Durch den Zellennachbarn herbeigeläutet, stellte der
Nachtwächter im Gang von der Zelle von X. stammenden Rauch fest. Mit dem
im Zellentrakt befindlichen Schlauch spritzte er sogleich Wasser durch
die Essklappenöffnung der Zellentür und konnte so das Feuer löschen. Die
herbeigerufene Feuerwehr musste wegen des starken Rauches im Zellentrakt
die Schutzmasken aufsetzen. X. konnte unversehrt geborgen werden. Es
entstand Sachschaden in Höhe von ca. Fr. 8'000.-.

    B.- Das Kantonsgericht von Graubünden sprach X. am 5. September 1978
deswegen und wegen anderer Delikte der Brandstiftung gemäss Art. 221
Abs. 2 StGB und des fortgesetzten Diebstahls schuldig und verurteilte
ihn zu 20 Monaten Zuchthaus.

    C.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil
des Kantonsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung
des Beschwerdeführers von der Anklage der vorsätzlichen Brandstiftung
gemäss Art. 221 Abs. 2 StGB und zur Neufestsetzung der auszufällenden
Strafe zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach der Beschwerdebegründung ist der Antrag so zu verstehen,
dass X. nicht nur die Freisprechung von der Anklage der qualifizierten
Brandstiftung im Sinne von Abs. 2, sondern auch von derjenigen der
einfachen Brandstiftung im Sinne von Abs. 1 des Art. 221 StGB verlangt. Er
anerkennt insoweit zwar, das Feuer in der Zelle vorsätzlich gelegt zu
haben, um Selbstmord zu begehen. Dagegen bestreitet er, eine Feuersbrunst
verursacht zu haben. Nach BGE 85 IV 227 müsse es sich um ein Feuer handeln,
das vom Urheber selber nicht mehr bezwungen werden könne. Im vorliegenden
Fall könne jedoch von einem "allzu grossen Feuer" nicht gesprochen werden,
habe es doch vom Nachtwächter ohne weiteres mit Wasser gelöscht werden
können. Abgesehen davon habe auch nicht "allzuviel Material" verbrannt
werden können, weil nur das Zimmerinventar zur Verfügung gestanden
sei. Nach dem Gesetz genüge nicht jedes beliebige Schadenfeuer zum Nachteil
eines andern, vielmehr müsse es von einem gewissen und ungewöhnlichen
Umfang sein. Es sei nicht bewiesen, dass der Beschwerdeführer, wenn er
es hätte tun wollen, das Feuer nicht mehr hätte löschen können.

    a) Wie das Bundesgericht in dem vom Beschwerdeführer angeführten
Entscheid ausgeführt hat, genügt zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes
des Art. 221 StGB in der Tat nicht jedes unbedeutende Feuer, das ohne
Gefahr beherrscht werden kann, sondern es muss sich um ein Feuer von
solcher Stärke handeln, dass es vom Urheber nicht mehr bezwungen werden
kann. Anderseits muss aber der Brand auch nicht derart sein, dass dadurch
eine Gemeingefahr geschaffen würde. Im Begriff der Feuersbrunst ist die
Gemeingefahr nicht eingeschlossen, sondern im Gesetz als zusätzliches
Element zu jener alternativ mit der Schädigung eines andern vorgesehen (BGE
85 IV 227 mit Literaturnachweis; ebenso STRATENWERTH, Schweiz. Strafrecht,
BT II, S. 409). Immerhin macht das Erfordernis des Verlustes der Kontrolle
durch den Urheber deutlich, dass es sich um einen Brand von einer gewissen
Erheblichkeit handeln muss.

    b) Im vorliegenden Fall stellt die Vorinstanz verbindlich fest,
X. sei nicht mehr in der Lage gewesen, den Brand aus eigener Kraft zu
löschen, und dieser habe nach den Feststellungen der Ermittlungsbeamten
ein beträchtliches Ausmass erreicht und einen starken Rauch entwickelt;
das Feuer habe, als es vom Nachtwächter entdeckt worden sei, bereits
ein gefährliches Ausmass angenommen gehabt. Angesichts dessen sowie der
Tatsache, dass immerhin ein Schaden von ca. Fr. 8'000.- entstanden
war, kann nicht mehr bloss von einem unbedeutenden Feuer die Rede
sein, sondern es handelte sich um einen erheblichen Brand, über den der
Beschwerdeführer die Kontrolle verloren hatte. Die gegenteiligen Vorbringen
des Beschwerdeführers gehen zur Hauptsache über die tatsächlichen und das
Bundesgericht bindenden Feststellungen hinweg und sind deshalb unzulässig
(Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP).

    Der Umstand aber, dass der Nachtwächter mit einem zum Feuerlöschen
bestimmten Wasserschlauch des Feuers Herr werden konnte, schliesst nicht
aus, dass der Beschwerdeführer, der in der Zelle eingeschlossen war und
über kein Feuerlöschmaterial verfügte, aus eigener Kraft das Feuer nicht
mehr hätte meistern können. Im übrigen war die Lage so bedrohlich, dass
auch die Feuerwehr auf dem Platz erschien. Sodann kommt es auch nicht
entscheidend darauf an, ob die offene Flamme ein grosses Ausmass erreicht
hat; auch ein Verglühen oder Verglimmen (wie es namentlich bei Stoffen,
Wolldecken, Matratzen usw. auftritt) kann genügen, wenn es vom Urheber
nicht mehr beherrscht werden kann und ein erhebliches Ausmass angenommen
hat (STRATENWERTH, aaO). Die Vorinstanz hat demnach den Begriff der
Feuersbrunst weder verkannt noch ihn in unzutreffender Weise auf den
konkreten Sachverhalt angewandt.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer bestreitet sodann, eine Gemeingefahr
herbeigeführt zu haben. Wie bereits angedeutet, gehört diese nicht zum
Begriff der Feuersbrunst, sondern stellt ein zusätzliches Element dar. Als
solches wird sie jedoch vom Gesetz bloss alternativ zur Schädigung
eines andern genannt, mit der Folge, dass eine Brandstiftung im Sinne
des Art. 221 StGB auch ohne Nachweis einer Gemeingefahr zu bejahen ist,
sofern das Tatbestandsmerkmal des Schadens erfüllt ist. Das aber trifft
hier nach den verbindlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils zu,
ist doch ein Schaden an dem Beschwerdeführer nicht gehörenden Sachen in
Höhe von ca. Fr. 8'000.- entstanden.

Erwägung 3

    3.- Was die zum qualifizierten Tatbestand des Art. 221 Abs. 2 StGB
gehörende Gefahr für Leib und Leben von Menschen anbelangt, so wird sie
vom Beschwerdeführer erneut unter Bestreitung tatsächlicher Annahmen der
Vorinstanz in Abrede gestellt, was unzulässig ist. Nach dem angefochtenen
Urteil hatte nämlich das Feuer einen starken Rauch entwickelt, der
bereits aus der Zelle des Beschwerdeführers heraus sich im Zellentrakt
ausgebreitet hatte, in welchem andere Anstaltsinsassen untergebracht
waren. Für diese lag schon hierin eine nahe Gefahr für Leib und Leben,
wenn man berücksichtigt, dass der bei solchen Bränden entwickelte Rauch
das für die Gesundheit des Menschen giftige Kohlenmonoxyd enthält, das der
Beschwerdeführer ja auch als Mittel zur Begehung von Selbstmord benutzen
wollte. Zudem ist verbindlich festgestellt, dass X. den Brand spät in der
Nacht und damit zu einem Zeitpunkt gelegt hat, als zumindest ein Teil
der übrigen Anstaltsinsassen schlief, die den Rauch unbemerkt hätten
einatmen können. Dass der Brand aus Gründen, die dem Beschwerdeführer
nicht zugute kommen, noch rechtzeitig entdeckt wurde, ändert nichts an der
Tatsache, dass der Beschwerdeführer die genannte Gefahr bereits geschaffen
hatte. Durch das rasche Eingreifen des Nachtwächters wurde lediglich
vermieden, dass sie sich im Sinne einer gesundheitlichen Schädigung der
übrigen Anstaltsinsassen verwirklichte.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer macht sodann geltend, er habe weder
wissentlich Leib und Leben von Menschen in Gefahr gebracht noch eine solche
Gefahr gewollt oder in Kauf genommen. Damit ist er nicht zu hören. Die
Vorinstanz stellt ausdrücklich das Gegenteil fest, und diese Feststellung
bindet den Kassationshof und kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht
bestritten werden. Was der Täter weiss oder will, ist eine den inneren
Sachverhalt betreffende Tatfrage, deren Beantwortung allein dem kantonalen
Sachrichter zusteht (BGE 104 IV 36, 101 IV 50 mit Verweisen). Im übrigen
genügt nach Art. 221 Abs. 2 StGB der Nachweis, dass der Täter die durch
seine Tat herbeigeführte Gefahr gekannt hat, denn wer mit Wissen und
Willen einen Zustand schafft, aus dem sich eine Gefahr ergibt, die er
kennt, der will notwendig auch diese Gefahr (BGE 94 IV 63, 73 IV 168). In
diesem Sinne bedürfen BGE 85 IV 132 und 73 IV 229 der Präzisierung.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.