Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IV 102



105 IV 102

27. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Juni 1979 i.S. W. und
B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau (Nichtigkeitsbeschwerde)
Regeste

    Art. 148 StGB, Betrug.

    Baurenovationsauftrag, bei dem der Beauftragte dem Auftraggeber
verschweigt, dass ein Unterbeauftragter nicht bezahlt wurde, und
vorspiegelt, mit der vertraglichen Zahlung seien alle Ansprüche aus
dem Auftrag saldiert. Anmeldung eines Handwerkerpfandrechts durch den
Unterbeauftragten.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Dem beiden Angeklagten zur Last gelegten Betrug liegt folgender
Sachverhalt zugrunde: W. und B. waren Inhaber der Firma R., die sich mit
Baurenovationen befasste. Am 30. Juni 1976 erhielten sie von S. einen
Renovationsauftrag, in welchem die vorzunehmenden Arbeiten in einer
umfangreichen Liste umschrieben waren. Dafür wurde ein Pauschalpreis von
Fr. 14'000.- vereinbart. Die Firma R. beauftragte die Firma B. mit den
Spenglerarbeiten und O. mit den Schreinerarbeiten, wofür diese der Firma
R. Rechnungen im Betrage von Fr. 2'400.- bzw. Fr. 407.50 stellten. Diese
Arbeiten waren im Pauschalbetrag von Fr. 14'000.- inbegriffen. Ausgenommen
ist nur ein Betrag von Fr. 380.- für Streichen der Fenster von innen,
was die kantonalen Gerichte zu einer Herabsetzung des Schadens des S. auf
Fr. 2'020.- veranlasste.

    In der Schlussabrechnung vom 27. Juli 1976 wurden die ausgeführten
Arbeiten nochmals kurz erwähnt: "Maler- und Maurerarbeiten laut
Arbeitsauftrag, Spenglerarbeiten, Dachrinnen und Ablaufrohre in Kupfer
liefern, montieren, Jalousienläden liefern und montieren." Von den
gleichzeitig anwesenden Angeklagten wurden keine Vorbehalte hinsichtlich
Mehrarbeiten gemacht und verschwiegen, dass die Rechnungen Firma
B. und O. noch nicht bezahlt waren und dass sie diese nicht bezahlen
wollten. S. wusste damals nicht, welche Handwerker zur Erledigung der
Spengler- und Schreinerarbeiten beigezogen worden waren. So bezahlte er
mit der Schlussabrechnung den Restbetrag von Fr. 1'000.-, nachdem er am
9. und 20. Juli 1976 schon Anzahlungen von Fr. 5'000.- und Fr. 8'000.-
geleistet hatte.

    Nachdem die Firma B. die Firma R. mehrmals vergeblich zur Zahlung
gemahnt hatte, erwirkte sie am 11. Oktober 1976 den provisorischen
Eintrag eines Bauhandwerkerpfandrechtes auf der Liegenschaft des S. Um es
abzulösen, bezahlte S. die Fr. 2'400.- an die Firma B. O. unterliess es,
ein Bauhandwerkerpfandrecht eintragen zu lassen. Seine Forderung wird
von den Angeklagten anerkannt.

    b) Gegen ihre Verurteilung wegen Betrugs wenden die Beschwerdeführer
zunächst ein, es sei nicht üblich, dass die Bauhandwerker ihre
Verpflichtungen gegenüber Lieferanten und Unterbeauftragten ihrem
Auftraggeber bekanntzugeben hätten. Ein Werkauftraggeber müsse stets
damit rechnen, dass bei Unteraufträgen auch ein Bauhandwerkerpfandrecht
angemeldet werden könne.

    Die Beschwerdeführer bestreiten also ein arglistiges Verschweigen
der Rechnungen dadurch, dass sie eine Aufklärungspflicht verneinen. Sie
übersehen, dass die Vorinstanz ihnen auch vorwirft, sie hätten durch
positives Verhalten Tatsachen vorgespiegelt, denn sie hätten durch ihr
ganzes Verhalten S. zur Auffassung gebracht, dass mit seiner Restzahlung
alle Ansprüche aus dem Renovationsauftrag saldiert seien. Diese
Feststellung ist tatsächlicher Natur und bindet den Kassationshof
(Art. 277bis Abs. 1 BStP). In diesem Verhalten liegt eine Irreführung durch
Täuschung. Ein Verschweigen liegt nur insofern vor, als die Angeklagten
bei Entgegennahme der Restzahlung gar nicht gewillt waren, die Rechnungen
der Firma B. und des O. zu begleichen.

    Dieses Verhalten war auch arglistig. Gibt der Unternehmer dem
Besteller die Lieferanten und die Unterbeauftragten nicht bekannt, ist
der Besteller regelmässig nicht in der Lage zu prüfen, ob der Unternehmer
sie bezahlt hat. Der Besteller darf aber erwarten, dass der Unternehmer
das Geld, das er von ihm erhält, dazu verwende. Dass dieser Wille bei
den Beschwerdeführern nicht vorhanden war, war für S. nicht erkennbar.

    c) Mit dem provisorischen Eintrag des Handwerkerpfandrechts war S.
geschädigt. Zur Abwendung der Zwangsvollstreckung musste er die Forderung
der Firma B. über den vereinbarten Pauschalpreis hinaus bezahlen. Damit
war der Tatbestand des Betruges vollendet. Die Regressforderungen gegen
die Firma R und die Angeklagten ermöglichen nur eine nachträgliche
Wiedergutmachung des Schadens und vermögen an der Strafbarkeit nichts
zu ändern; denn schon eine bloss vorübergehende Schädigung erfüllt den
Tatbestand (BGE 102 IV 88 E. 4 mit Verweisen).

    Ansprüche aus Mehrleistungen haben die Beschwerdeführer bei der
Schlussabrechnung nicht geltend gemacht, und die kantonalen Gerichte haben
sie (mit Ausnahme der berücksichtigten Fr. 380.-) verneint. Vorsatz und
betrügerische Absicht sind verbindlich festgestellt. Die gegenteiligen
Rügen tatsächlicher Natur sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).

    d) Anders verhält es sich im Falle O. Durch das Verschweigen der
Forderung des O. im Betrage von Fr. 407.50 wurde S. nicht geschädigt. Er
wäre es nur geworden, wenn auch O. ein Handwerkerpfandrecht rechtzeitig
angemeldet hätte. Nur so hätte O. auf das Vermögen des S. greifen
können. O. aber wurde durch das Verhalten des getäuschten S. nicht
rechtswidrig geschädigt, da S. gegen O. keine persönliche Verpflichtung
hatte.

    Die Verurteilung von W. und B. ist daher in diesem Punkte aufzuheben.
Rechneten diese aber ernsthaft mit der Möglichkeit, auch O. könnte ein
Handwerkerpfandrecht anmelden, was vom Sachrichter festzustellen sein wird,
so wäre Betrug im Sinne von Art. 22 StGB versucht. In diesem Sinne geht
die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurück.