Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 II 43



105 II 43

8. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Februar 1979 i.S. K. und
Mitbeteiligte gegen Grundbuchamt Sursee und Justizkommission des
Obergerichts des Kantons Luzern (Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Form des Verpfründungsvertrags (Art. 522 Abs. 1 OR; Art. 512 und
501 ZGB).

    1. Die Parteien haben den Vertrag in Gegenwart der Zeugen zu
unterzeichnen (E. 3).

    2. Die Zeugenbestätigung gemäss Art. 501 Abs. 2 ZGB muss sich auf
beide Vertragsparteien beziehen (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Durch Vertrag vom 12. April 1978, der von Notar K.  öffentlich
beurkundet wurde, verkaufte der inzwischen verstorbene Candid B.
seinem jüngsten Sohn Walter Wilhelm B. sein landwirtschaftliches
Heimwesen "Oberhöhe" in Grosswangen, während dieser sich unter anderem
verpflichtete, seinen Eltern ein Pfrundrecht zu gewähren und ihnen ein
Wohnrecht einzuräumen. Der Vertrag enthält folgende Beurkundungsklausel:

    "Die unterzeichneten Parteien erklären, dass der vorstehende Kauf- und

    Verpfründungsvertrag ihrem Willen entspricht. Er wurde in Gegenwart des

    Notars von den Parteien gelesen und vom Notar gleichzeitig vorgelesen
und
   unmittelbar daran anschliessend und vor der Erklärung an die Zeugen
   unterzeichnet.

    (Es folgen das Datum sowie die Unterschriften der Parteien und des

    Notars.)

    Zeugenbescheinigung:

    Die unterzeichneten gesetzlich befähigten Zeugen:

    a) ..

    b) ..
   auf die Vorschriften des Art. 503 ZGB aufmerksam gemacht, bestätigen:

    1. dass die Parteien,

    a) Herr B., Candid, geb. 1908,

    b) Frau B., Marie, geb. 1911, unmittelbar nach der Unterzeichnung und
   nach Datierung dieser Verfügung durch den unterzeichneten Notar,
   in dessen

    Gegenwart erklärt haben, sie haben die Urkunde gelesen und sie enthalte
   ihren übereinstimmenden Willen,

    2. dass nach ihrer Wahrnehmung die Parteien
   sich bei diesem Vorgang im Zustand der vollen Verfügungsfähigkeit
   befunden haben.

    (Es folgt das Datum und die Unterschrift der Zeugen."

    Am 5. Juli 1978 meldete Notar K. den Vertrag zur Eintragung im
Grundbuch Sursee an. Mit Verfügung vom 28. Juli 1978 wies das Grundbuchamt
Sursee die Anmeldung ab, mit der Begründung, der Vertrag sei unrichtig
beurkundet.

    B.- Gegen diese Verfügung führte Notar K. namens der Vertragsparteien
Beschwerde an die Justizkommission des Obergerichts des Kantons Luzern. Mit
Entscheid vom 5. September 1978 wies diese die Beschwerde ab. Sie nahm an,
es handle sich beim Vertrag vom 12. April 1978 um einen gemischten Vertrag,
der wegen der Verpfründungsklausel derselben Form wie der Erbvertrag
(Art. 522 Abs. 1 OR) bedürfe. Da die Verpfründung ein zweiseitig
verpflichtendes Rechtsgeschäft sei, müssten sowohl die Pfründer als auch
der Pfrundgeber gegenüber den beiden Zeugen bestätigen, sie hätten die
Vertragsurkunde gelesen und sie sei gemäss ihrem Willen abgefasst. Im
vorliegenden Fall fehle es an diesem zwingenden bundesrechtlichen
Formerfordernis, indem gemäss dem Wortlaut der Zeugenbescheinigungsformel
lediglich die namentlich als Parteien bezeichneten Pfründer Candid B. und
Marie B. die Rekognitionserklärung abgegeben hätten, nicht jedoch auch
der ebenfalls verpflichtete Pfrundgeber Walter B. Der angemeldete Vertrag
sei deshalb nichtig.

    C.- Gegen den Entscheid der Justizkommission erhoben Notar
K., der Pfrundgeber Wilhelm Walter B. und die Pfründerin Marie B.
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht mit dem Antrag, die
Abweisungsverfügung des Grundbuchamtes Sursee sei aufzuheben und der
Vertrag vom 12. April 1978 sei unverändert im Tage- und Grundbuch
einzutragen.

    Die Justizkommission und das Grundbuchamt Sursee beantragen die
Abweisung der Beschwerde. Den gleichen Antrag stellt das Eidgenössische
Justiz- und Polizeidepartement in seiner Vernehmlassung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Obwohl nach dem Wortlaut von Art. 103 Abs. 1 GBV nur der Anmeldende
zur Grundbuchbeschwerde befugt ist, ist die Beschwerdelegitimation von
Wilhelm Walter B. und Marie B. nach der neuesten Rechtsprechung aufgrund
von Art. 103 lit. a OG zu bejahen (zur Publikation bestimmtes Urteil des
Bundesgerichts vom 2. November 1978 i.S. Bank und Finanz-Institut AG).

    Nach luzernischer Praxis ist der beurkundende Notar sodann persönlich
zur Beschwerde gegen die Abweisung einer Anmeldung legitimiert,
wenn die Eintragung aus formellen Gründen verweigert wird, welche die
amtlichen Befugnisse des Notars in Frage stellen (Luzerner Gerichts-
und Verwaltungsentscheide 1974, S. 211, Nr. 188). Im gleichen Sinne hat
das Bundesgericht gestützt auf Art. 963 Abs. 3 ZGB entschieden (BGE 55 I
341 ff.). Auf die Beschwerde ist somit auch einzutreten, soweit sie von
Notar K. in eigenem Namen erhoben wurde.

Erwägung 2

    2.- Durch den Vertrag vom 12. April 1978 verpflichtete sich Vater B.,
seinem Sohn Wilhelm Walter sein landwirtschaftliches Heimwesen abzutreten,
während dieser die Verpflichtung übernahm, seinen Eltern zeitlebens Obdach,
Nahrung und Pflege zu gewähren. Es liegt somit ein Verpfründungsvertrag im
Sinne von Art. 521 OR vor. Dass die Pfründer gemäss Ziff. 6 des Vertrags
anstelle der Naturalleistungen die Ausrichtung einer Rente verlangen
können, ändert daran nichts (BGE 67 II 155/156). Unerheblich für die
Qualifikation des Vertrags ist es auch, dass der Pfrundgeber für die
Abgeltung des Übernahmepreises für das Heimwesen neben der Gewährung
von Unterhalt und Pflege an die Pfründer noch weitere Leistungen
erbringen muss. Auch ein solcher aus Elementen der Verpfründung und des
Kaufs gemischter Vertrag untersteht der Formvorschrift des Art. 522
Abs. 1 OR, bedarf also zu seiner Gültigkeit der Form des Erbvertrags
(vgl. hiezu E. METZGER-WÜEST, Zur Form des Liegenschaftsabtretungs-
und Verpfründungsvertrages, Diss. Bern 1971, S. 104/105).

Erwägung 3

    3.- Die Formvorschriften für den Erbvertrag finden sich in
Art. 512 ZGB. Abs. 1 dieser Bestimmung verweist auf die Form der
öffentlichen letztwilligen Verfügung, die in Art. 499 ff. ZGB näher
geregelt wird. In Art. 512 Abs. 2 ZGB wird zusätzlich vorgeschrieben,
dass die vertragsschliessenden Parteien gleichzeitig dem Beamten ihren
Willen zu erklären und die Urkunde vor ihm und den zwei Zeugen zu
unterschreiben haben. Das Gesetz lässt demnach für den Erbvertrag die
Form der öffentlichen letztwilligen Verfügung nicht genügen, sondern
stellt noch weitere Formerfordernisse auf, deren Erfüllung ebenfalls
Gültigkeitsvoraussetzung ist. Und zwar ist Art. 512 Abs. 2 ZGB dahin zu
verstehen, dass die Vertragsschliessenden die Unterschrift in Gegenwart
der erwähnten Personen leisten müssen (BGE 76 II 277). Allerdings
müssen die Zeugen nach der Rechtsprechung diese Tatsache nicht unbedingt
bescheinigen; doch hätte dann der Beamte zu beurkunden, dass der Vertrag
von den Parteien vor ihm und den Zeugen unterzeichnet worden ist (BGE
89 II 189 ff. E. 3). Im vorliegenden Fall bestätigen weder die beiden
Zeugen noch der beurkundende Notar selbst, dass die Vertragsparteien den
Vertrag in Gegenwart der Zeugen unterzeichnet haben. Freilich hat das
Bundesgericht entgegen dem Wortlaut von Art. 512 Abs. 2 ZGB zugelassen,
dass sich die Vertragsschliessenden beim Abschluss des Erbvertrags auch
der Nebenform der öffentlichen letztwilligen Verfügung gemäss Art. 502 ZGB
(Errichtung ohne Lesen und Unterschrift des Erblassers) bedienen dürfen
(BGE 66 II 99 ff.). Wird auf diese Weise vorgegangen, so haben die Zeugen
zwar nicht bei der Unterzeichnung der Urkunde zugegen zu sein, wohl aber
beim Vorlesen der Urkunde. Die Parteien des Verpfründungsvertrags vom
12. April 1978 haben jedoch die Urkunde unterzeichnet und damit nicht die
Nebenform der öffentlichen letztwilligen Verfügung gewählt; zudem geht
aus der Urkunde nicht hervor, dass der Vertrag in Gegenwart der Zeugen
vorgelesen wurde. Die Urkunde erfüllt daher die Formerfordernisse des
Erbvertrags nicht.

    Das Bundesgericht hat in BGE 93 II 227 freilich die Frage aufgeworfen,
ob die Gegenwart der Zeugen und des Beamten bei der Unterzeichnung des
Erbvertrags auch durch andere Beweismittel als die Bescheinigung auf
der Urkunde nachgewiesen werden könne, so etwa durch die Einvernahme der
beteiligten Personen. Die Durchführung eines solchen Beweisverfahrens kann
dem Grundbuchverwalter bei der Prüfung des Ausweises über den Rechtsgrund
im Sinne von Art. 965 Abs. 3 ZGB jedoch wohl kaum zugemutet werden,
sondern wäre allenfalls Sache des Richters im Zivilprozess. Wie es sich
damit verhält, kann indessen dahingestellt bleiben, da die Anmeldung aus
einem andern Grund abgewiesen werden musste.

Erwägung 4

    4.- Nach Art. 501 Abs. 2 ZGB, auf den Art. 512 Abs. 1 ZGB unter anderem
verweist, haben die Zeugen im Falle der öffentlichen Beurkundung eines
Testamentes auf der Urkunde mit ihrer Unterschrift zu bestätigen, dass
der Erblasser vor ihnen die Erklärung abgegeben habe, er habe die Urkunde
gelesen und sie enthalte seine letztwillige Verfügung, ferner dass sich
der Erblasser nach ihrer Wahrnehmung im Zustand der Verfügungsfähigkeit
befunden habe. Diese Vorschrift ist auf ein einseitiges Rechtsgeschäft
zugeschnitten, wie es die letztwillige Verfügung darstellt. Nachdem es
sich beim Erbvertrag aber um ein zweiseitiges Rechtsgeschäft handelt,
stellt sich daher die Frage, ob in diesem Fall beide Parteien, d.h. der
künftige Erblasser, der eine Verfügung von Todes wegen trifft, wie auch die
Gegenpartei, eine entsprechende Erklärung gegenüber den Zeugen abzugeben
haben und ob sich die Bestätigung der Zeugen dementsprechend ebenfalls
auf beide Parteien beziehen müsse.

    Das Bundesgericht hat diese Frage in BGE 48 II 63 ff., wo es auch
um einen Verpfründungsvertrag ging, mit eingehender Begründung bejaht
(vgl. auch BGE 60 II 269 ff.). In BGE 93 II 227/228 hat es allerdings
ausgeführt, man könne sich fragen, ob die ausdrückliche Erklärung der
Gegenpartei vor den Zeugen, dass der Inhalt der Urkunde ihrem Willen
entspreche, Gültigkeitserfordernis für den Erbvertrag bilden müsse,
wenn sie sich damit begnüge, die Verfügung des Erblassers anzunehmen,
und ihre Gegenwart und Unterschrift den Zeugen hinreichend Sicherheit
für ihre Zustimmung biete. Auch TUOR und ESCHER vertreten in ihren
Kommentaren die Ansicht, "vielleicht" sei die ausdrückliche Erklärung
seitens des Vertragsgegners nicht unbedingt notwendig, wenn seine
Mitwirkung nur in der Annahme der Verfügung des andern Teils bestehe
(je N. 9 zu Art. 512 ZGB). Beim Verpfründungsvertrag begnügt sich
der Pfrundgeber jedoch nicht damit, das Versprechen des Pfründers
entgegenzunehmen; gemäss der Legaldefinition des Art. 521 Abs. 1 OR
verpflichtet er sich vielmehr seinerseits, dem Pfründer als Gegenleistung
für die Übertragung des Vermögens auf Lebenszeit Unterhalt und Pflege
zu gewähren. Die Voraussetzungen, unter denen sich das Bundesgericht
vorbehielt, von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, sind daher
hier zum vornherein nicht erfüllt, so dass sich weitere Ausführungen
zu diesem Punkt erübrigen. Es bleibt somit dabei, dass jedenfalls beim
Verpfründungsvertrag beide Vertragsparteien den Zeugen die Erklärung
abzugeben haben, sie hätten die Urkunde gelesen und sie entspreche ihrem
Willen, und dass sich die Zeugenbestätigung dementsprechend auf beide
Parteien zu beziehen hat. Dieses Ergebnis steht übrigens im Einklang
mit Art. 512 Abs. 2 ZGB. Wenn nämlich diese Bestimmung ausdrücklich
vorschreibt, die Vertragsschliessenden hätten die Urkunde vor dem Beamten
und den zwei Zeugen zu unterschreiben, so legt dies nahe, dass die Zeugen
auch die Erklärungen beider Parteien zu bestätigen haben.

Erwägung 5

    5.- Im vorliegenden Fall bestätigen die Zeugen nach dem Wortlaut
der Urkunde lediglich, dass die Pfründer Candid B. und Marie B. ihnen
gegenüber die Erklärung abgegeben haben, sie hätten die Urkunde gelesen
und sie enthalte ihren übereinstimmenden Willen. Von einer Erklärung des
Pfrundgebers Wilhelm Walter B. ist in der Zeugenbescheinigung jedoch
nicht die Rede. In der Beschwerdeschrift wird hiezu geltend gemacht,
das in der Zeugenbescheinigung eingangs angebrachte Wort "Parteien"
umfasse zweifellos sämtliche Parteien, die den Vertrag unterzeichnet
hätten. Durch die Verwendung dieses Sammelbegriffs sei unmissverständlich
zum Ausdruck gebracht worden, dass alle Vertragsparteien die erforderliche
Erklärung gegenüber den Zeugen abgegeben hätten. Diese Auffassung ist
jedoch unhaltbar, nachdem in der Zeugenbescheinigung die "Parteien",
deren Erklärung die Zeugen bestätigen, mit Namen genannt sind und
sich Wilhelm Walter B. nicht darunter befindet. Bezieht sich aber
die Zeugenbescheinigung nicht auch auf den Pfrundgeber, so sind die
Formerfordernisse des Verpfründungsvertrags nicht erfüllt, und der
Grundbuchverwalter durfte die Eigentumsübertragung und das Wohnrecht nicht
im Grundbuch eintragen. Ob Wilhelm Walter B. in der Zeugenbescheinigung
nur aus Versehen nicht erwähnt wurde, wie die Beschwerdeführer behaupten,
ist in diesem Zusammenhang belanglos, da sich der Grundbuchverwalter an
den Wortlaut der Zeugenbescheinigung, wie er sich in der Urkunde findet,
zu halten hat.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird abgewiesen.