Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 II 253



105 II 253

42. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 13. Dezember 1979 i.S.
Kantonalbank von Bern gegen Lüthy-Pfund-Stiftung (Berufung) Regeste

    Erbvertrag, in dem einer Bank ein Vermächtnis ausgesetzt wird mit dem
Auftrag, den vermachten Betrag zur Errichtung einer Stiftung zu verwenden.

    - Zustandekommen der Stiftung (E. 1).

    - Unter welchem Titel kann die Stiftung gegen die Bank Anspruch auf
das Stiftungsvermögen erheben? (E. 2.)

    - Behandlung der auf dem vermachten Betrag erhobenen Erbschaftssteuern
(E. 3).

Sachverhalt

    A.- Karl und Flora Lüthy-Pfund schlossen am 26. Mai 1924 einen
Erbvertrag, in dem sie unter anderem sich gegenseitig zu Erben ihrer
Hinterlassenschaft einsetzten und bestimmten: "Das Vermögen ist von der
Kantonalbank von Bern zu verwalten" (Ziff. 3 und 4). In Ziffer 5 bis 7
des Erbvertrags richtete Karl Lüthy verschiedene Vermächtnisse aus und
regelte die Modalitäten für deren Auszahlung. Ziffer 8 des Erbvertrags
hatte folgenden Wortlaut:

    "Der Kantonalbank von Bern, ein Legat von Fr. 500'000.-, schreibe:

    Fünfhunderttausend Franken.

    Die Kantonalbank von Bern wird beauftragt, dieses Legat zur Errichtung
   einer Stiftung, mit Sitz in Biel, unter dem Namen "Lüthy-Pfund" zu
   verwenden, unter den nachfolgenden nähern Bestimmungen:

    1. Das Stiftungsvermögen beträgt Fr. 500'000.-, schreibe:

    Fünfhunderttausend Franken.

    2. Zweck der Stiftung:

    Der jährliche Zins des Stiftungsvermögens soll dienen:

    a) Zur Hälfte zur Bestreitung der Kosten von Ferienaufenthalten armer
   kränklicher schulpflichtiger Kinder in Biel.

    b) Zur Hälfte zur Bestreitung von Auslagen von Ferienreisen des

    Ober-Gymnasiums und der obern Klassen der Mädchensekundarschule in
Biel und
   zum Ankauf von literarischen Werken, vorwiegend schweizerischer Autoren,
   für die Schulbibliothek des Gymnasiums in Biel. Zu letzterem Zwecke
   sollen jährlich mindestens Fr. 2'000.- verwendet werden.

    Das Stiftungsvermögen soll unangetastet bleiben.

    3. Organisation Die Stiftung wird verwaltet durch einen Stiftungsrat
von
   drei Mitgliedern, die vom Regierungsrat des Kantons Bern zu wählen sind.

    Der Stiftungsrat erhält das Recht, die nötigen Vorschriften zur

    Erreichung des Stiftungszweckes zu erlassen.

    Dem Stiftungsrat wird ebenfalls die Vorsorge für die zweckdienliche

    Geldanlage überbunden; dabei ist dem Grundsatze Rechnung zu tragen,
dass
   das Stiftungsvermögen möglichst in mündelsichern Papieren anzulegen ist.

    Die Wertpapiere sind auf der Kantonalbank von Bern zu deponieren.

    Das Legat ist innerhalb Jahresfrist nach dem Todestage des überlebenden

    Ehegatten Lüthy-Pfund in barem Gelde oder in Wertpapieren auszurichten
und
   auf der Kantonalbank von Bern zu deponieren.

    Sollte die in diesem Erbvertrag erfolgte Stiftungserrichtung von irgend
   einer Seite angefochten werden, so verfügt Herr Karl Lüthy-Pfund,
   dass aus seinem Nachlass innerhalb Jahresfrist nach dem Todestage
   des überlebenden

    Ehegatten Lüthy-Pfund der Kantonalbank von Bern in barem Gelde oder in

    Wertpapieren ein Legat von Fr. 500'000.- (Fünfhunderttausend Franken)
   auszurichten ist.

    Mit dem Vermächtnis wird die Auflage verbunden, dass der jährliche Zins
   desselben verwendet werden soll:

    a) Zur Hälfte zur Bestreitung der Kosten von Ferienaufenthalten armer
   kränklicher schulpflichtiger Kinder in Biel;

    b) Zur Hälfte zu Bestreitung
   der Auslagen von Ferienreisen des Ober-Gymnasiums und der Obern
   Klassen der

    Mädchensekundarschule in Biel
   und zum Ankauf von literarischen Werken, vorwiegend schweizerischer

    Autoren, für die Schulbibliothek des Gymnasiums in Biel.

    Zu letzterem Zwecke sollen jährlich mindestens Fr. 2'000.- verwendet
   werden.

    Das Kapital des Vermächtnisses soll unangetastet bleiben."

    In Ziffer 9 des Erbvertrags wurde Flora Lüthy ermächtigt, die
Vermächtnisse zugunsten ihrer Verwandten durch letztwillige Verfügung
aufzuheben oder abzuändern und über die entsprechenden Vermögensteile
anderweitig zu verfügen sowie weitere Vermächtnisse auszurichten und
nach dem allfälligen Vorversterben ihres Mannes einen oder mehrere Erben
einzusetzen, wobei jedoch

    "die unter Ziffer fünf und acht dieses Erbvertrages ausgesetzten

    Legate zu Gunsten der Verwandten des Herrn Karl Lüthy und der
Kantonalbank
   von Bern unter allen Umständen zu Recht bestehen bleiben und aus der

    Erbschaft ausgerichtet werden sollen."  Am 27. Dezember 1932 ordnete
Karl Lüthy durch letztwillige Verfügung an:

    "Sollte durch die Folgen der Wirtschaftskrisis nach dem Ableben des
   überlebenden Ehegatten das Vermögen unter Fr. 900'000.- ... fallen,
   so wird das zu wohltätigen Zwecken bestimmte Legat von Fr. 500'000.-
   verkleinert bis zur Hälfte des übrigbleibenden Vermögens."

    Dieser Anordnung stimmte die Ehefrau schriftlich zu.

    Am 5. September 1935 starb Karl Lüthy in Conches GE und am 22. Februar
1972 Flora Lüthy in Zürich. Diese hatte durch Testament vom 10. Mai 1966
Rechtsanwalt Dr. Staehelin zu ihrem Willensvollstrecker eingesetzt. Der
Erbvertrag vom 26. Mai 1924 wurde nicht angefochten.

    Nach dem Ableben von Flora Lüthy wählte der Regierungsrat des
Kantons Bern H. Kern, F. Pellaton und W. Bernhard zu Mitgliedern
des Stiftungsrates der Lüthy-Pfund Stiftung (im folgenden Stiftung
genannt). Diese errichteten am 3. März 1976 vor dem Notar die
Stiftungsurkunde. Die Gründung der Stiftung wurde am 20. März 1976 im
Handelsamtsblatt publiziert.

    Am 20. April 1972, also rund zwei Monate nach dem Tod Flora Lüthys,
teilte der Willensvollstrecker Dr. Staehelin der Kantonalbank von Bern mit,
das ihr ausgesetzte Vermächtnis betrage Fr. 500'000.-, abzüglich die von
Frau Lüthy bereits bezahlten Erbschaftssteuern von Fr. 77'650.45, mithin
also Fr. 422'349.55. Gleichzeitig ersuchte er die Bank, diejenigen
Wertschriften, welche den Betrag von Fr. 422'349.55 überstiegen, an
die Privatbank & Verwaltungsgesellschaft Zürich zu überweisen. Mit
Schreiben vom 16. Mai 1972 äusserte die Kantonalbank Zweifel daran, ob
die Erbschaftssteuern vom Legat abzuziehen seien. In der Folge schloss
sie sich jedoch der Betrachtungsweise des Willensvollstreckers an und
überwies von den damals noch bei ihr liegenden Vermögenswerten in der Höhe
von Fr. 505'953.10 (nach Abzug des um die Erbschaftssteuern reduzierten
Vermächtnisses von Fr. 422'349.55) Fr. 83'603.55 an die Privatbank &
Verwaltungsgesellschaft Zürich.

    Im Jahre 1976 stellte die Kantonalbank von Bern der Stiftung den Betrag
von Fr. 422'349.55 zur Verfügung. Diese verlangte jedoch die Auszahlung
des vollen Stiftungsvermögens von Fr. 500'000.-. Eine Einigung kam nicht
zustande.

    B.- Mit Klageschrift vom 12. Februar 1979 stellte die Stiftung beim
Appellationshof des Kantons Bern das Begehren, die Kantonalbank von Bern
sei zu verpflichten, ihr Fr. 77'650.45 (Differenz zwischen dem ausgesetzten
Stiftungsvermögen von Fr. 500'000.- und dem zur Verfügung gestellten Betrag
von Fr. 422'349.55) nebst 5% Zins seit 6. Mai 1977 sowie einen Betrag in
richterlich zu bestimmender Höhe mit Zins zu 5% ab 27. Januar 1978 und Fr.
110.- Betreibungskosten zu zahlen.

    Der Appellationshof des Kantons Bern hiess die Klage am
21. Juni 1979 im wesentlichen gut und verpflichtete die Beklagte, der
Klägerin Fr. 77'650.45 nebst 5% Zins seit 6. Mai 1977 sowie Fr. 110.-
Betreibungskosten zu zahlen. Soweit die Klage weiterging, wurde sie
abgewiesen.

    C.- Gegen diesen Entscheid erhebt die Beklagte Berufung an das
Bundesgericht mit dem Antrag auf Abweisung der Klage. Die Klägerin
beantragt die Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 81 Abs. 1 ZGB kann eine Stiftung entweder in der Form
einer öffentlichen Urkunde oder durch letztwillige Verfügung errichtet
werden. Ob die Stiftung im vorliegenden Fall schon durch den Erbvertrag vom
26. Mai 1924 oder erst nach dem Ableben Flora Lüthy durch die Handlungen
des Regierungsrats bzw. der von diesem gewählten Stiftungsratsmitglieder
errichtet worden sei, kann offenbleiben.

    a) Nimmt man das Letzte an, dann wurde die Stiftung formgemäss
errichtet. Etwas anderes behauptet auch die Beklagte nicht.

    b) Geht man jedoch davon aus, dass die Stiftung durch den Erbvertrag
vom 26. Mai 1924 errichtet worden ist, dann wendet die Beklagte ein, eine
so errichtete Stiftung sei nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
(BGE 96 II 273 ff.) nichtig.

    Nach Rechtsprechung und Lehre können Verfügungen von Todes wegen,
die in der Form des Erbvertrags getroffen wurden, neben Bestimmungen
vertraglicher Art, welche beide Parteien binden, auch letztwillige
Verfügungen enthalten, die gemäss Art. 509 ZGB frei widerruflich sind
(BGE 101 II 309/310, 96 II 281 E. 3 mit Hinweisen). Das von der Beklagten
angeführte Präjudiz bezieht sich nun lediglich auf einen Fall, in dem
eine Stiftung durch vertragliche (beidseitig bindende) Bestimmungen
eines Erbvertrags errichtet worden war. Nur für diesen Fall hielt das
Bundesgericht fest, Art. 81 Abs. 1 ZGB schliesse die Errichtung einer
Stiftung durch einen Erbvertrag im materiellen Sinne, das heisst durch eine
den Stifter vertraglich bindende Verfügung von Todes wegen, aus. Den andern
Fall, die Gründung einer Stiftung durch eine in einem Erbvertrag enthaltene
(frei widerrufliche) letztwillige Verfügung, hatte das Bundesgericht nicht
zu entscheiden. In den Erwägungen führte es diesbezüglich immerhin aus,
Art. 81 Abs. 1 ZGB stehe der Gründung einer Stiftung durch eine in einem
Erbvertrag enthaltene letztwillige Verfügung, wie sie vorkommen könne,
nicht entgegen (BGE 96 II 286/87).

    Nun hat aber Karl Lüthy eine Ersatzverfügung getroffen für den Fall,
dass "die in diesem Erbvertrag erfolgte Stiftungserrichtung von irgend
einer Seite angefochten werden" sollte. Für diesen Fall richtete er der
Beklagten aus seinem Nachlass ein Vermächtnis von Fr. 500'000.- aus mit
der Auflage, das Kapital des Vermächtnisses unangetastet zu lassen und die
Zinsen für bestimmt umschriebene Zwecke zu verwenden. Diese Bestimmung
stellt, obschon im Rahmen eines Erbvertrags getroffen, materiell eine
letztwillige (frei widerrufliche) Verfügung von Todes wegen dar, durch
welche der Beklagten ein Vermächtnis ausgerichtet wurde. Nimmt man an,
die Stiftung sei damit bereits errichtet worden, dann war dies gemäss
Art. 81 Abs. 1 ZGB nach den gemachten Ausführungen zulässig. Nimmt man
dagegen an, die Stiftung sei durch diese testamentarische Anordnung noch
nicht errichtet worden, dann wurde sie jedenfalls in der Folge durch den
Regierungsrat und die von diesem gewählten Stiftungsräte gegründet. Dass
dieser Gründungsakt an einem Formmangel leide, behauptet die Beklagte
nicht. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Stiftung auch in diesem
Falle rechtsgültig zustande gekommen ist. Die Beklagte hat ihr denn auch
in der Folge den Betrag von Fr. 422'349.55 zur Verfügung gestellt und
dadurch deren Existenz konkludent anerkannt. Wenn sie heute behauptet,
die Stiftung sei nichtig, setzt sie sich mit ihrem eigenen früheren
Verhalten in Widerspruch. Wäre die Errichtung der Stiftung tatsächlich
nichtig, müsste die Beklagte ja die der Klägerin überwiesene Summe von
Fr. 422'349.55 zurückverlangen. Soweit geht sie aber selbst nicht.

    c) Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass die Stiftung unter
jeder rechtlichen Annahme in jedem Fall rechtsgültig errichtet worden ist.

Erwägung 2

    2.- a) Streitig ist zwischen den Parteien, unter welchem Titel
und in welcher rechtlichen Stellung die Klägerin aktivlegitimiert sei
und Anspruch auf das Stiftungsvermögen erheben könne. Die Vorinstanz
ist der Meinung, die Klägerin sei (Nach-)Vermächtnisnehmerin und als
solche aktivlegitimiert. Die Beklagte behauptet dagegen, die Klägerin
sei weder Vermächtnis- noch Nachvermächtnisnehmerin, sondern lediglich
Auflageberechtigte und habe als solche kein Klagerecht.

    b) Nach den Ausführungen des angefochtenen Urteils und den
Rechtsschriften fallen hinsichtlich der Rechtsstellung der Klägerin im
vorliegenden Prozess drei Möglichkeiten in Betracht:

    - Der Erblasser setzte die Beklagte als Vor- und die Klägerin als
Nachvermächtnisnehmerin ein;

    - Der Erblasser setzte die Beklagte als Vermächtnisnehmerin ein und
machte ihr die Auflage, den Betrag des Vermächtnisses vollumfänglich
der Klägerin zur Verfügung zu stellen; dieser kommt darnach nicht die
Stellung einer Nachvermächtnisnehmerin, sondern nur diejenige einer
Auflagebegünstigten zu;

    - Der Erblasser setzte die Klägerin als Vermächtnisnehmerin ein und
wies der Beklagten lediglich die Funktion einer "Durchgangsstation",
bzw., die Rolle eines Willensvollstreckers oder Beauftragten zu.

    Welche dieser drei Möglichkeiten bei der Errichtung der letztwilligen
Anordnungen gewollt war, kann wiederum offenbleiben, weil unter jeder
Annahme die Klägerin aktiv- und die Beklagte passivlegitimiert ist.

    c) Nimmt man an, die Beklagte sei Vor- und die Klägerin
Nachvermächtnisnehmerin der Fr. 500'000.-, ist folgendes zu bemerken:
ESCHER vertrat in der 2. Auflage seines Kommentars die Auffassung, nach
schweizerischem Recht (und im Gegensatz zum deutschen Recht) richte sich
die Forderung eines Nachvermächtnisnehmers grundsätzlich nicht gegen den
Vorvermächtnisnehmer, weil er zu diesem in keinem Rechtsverhältnis stehe.
Anderseits sei der Beschwerte bzw. der Erbe, der das Vermächtnis dem
Vorvermächtnisnehmer bereits ausgehändigt habe, nicht mehr in der Lage,
den Anspruch des Nachvermächtnisnehmers zu erfüllen. Die Lösung müsse
in der Weise gesucht werden, dass dem Beschwerten oder Erben mit dem
Eintritt des Nachvermächtnisfalles ein Rückleistungsanspruch gegen den
Vorvermächtnisnehmer entstehe, den er geltend machen könne und müsse, um
das Vermächtnis dem Nachvermächtnisnehmer ausliefern zu können (ESCHER,
2. Aufl., N. 8 der Vorbemerkungen zu Art. 488-493 ZGB; auch TUOR, N. 16
zu Art. 488 ZGB). In der 3. Auflage des Kommentars kam ESCHER jun. jedoch
von dieser Lösung ab, die er als umständlich bezeichnete. Er führte aus,
Art. 488 Abs. 1 ZGB, wonach der Erblasser den Vorerben verpflichten könne,
eine Erbschaft einem Nacherben auszuliefern, könne entsprechend auch auf
den Vor- und Nachvermächtnisnehmer angewendet werden, was zur Annahme
eines direkten Forderungsrechts des Nachvermächtnisnehmers gegenüber dem
Vorvermächtnisnehmer führe, wobei sich die Forderung auf die Aushändigung
des zugewiesenen Vermögensvorteils richte (ESCHER, 3. Aufl., N. 8 der
Vorbemerkungen zu Art. 488-493 ZGB). Dieser Auffassung scheint sich
PIOTET angeschlossen zu haben, wenn er schreibt, das Nachvermächtnis sei
immer vom (Vor-)Vermächtnisnehmer und nicht von einem Erben geschuldet
(Schweizerisches Privatrecht, IV/1, S. 141).

    Dieser Ansicht ist beizupflichten. Steht danach dem
Nachvermächtnisnehmer ein direktes Forderungsrecht gegenüber dem
Vorvermächtnisnehmer zu, dann ist im vorliegenden Fall die Klägerin aktiv-
und die Beklagte passivlegitimiert.
   d) Geht man davon aus, der Beklagten sei ein Vermächtnis
in der Höhe von Fr. 500'000.- ausgerichtet worden mit der Auflage, den
fraglichen Betrag der Klägerin zur Verfügung zu stellen, dann erweist sich
die Beklagte als auflagebeschwerte Vermächtnisnehmerin und die Klägerin
als Begünstigte. Nach Art. 482 Abs. 1 ZGB kann die Vollziehung einer
Auflage von jedermann verlangt werden, der an ihr ein Interesse hat. Ein
solches berechtigtes Interesse hat in erster Linie der Begünstigte. Die
Aktivlegitimation der Klägerin ist demnach auch unter diesem Gesichtspunkt
gegeben.

    Die Beklagte legt grosses Gewicht auf die Unterscheidung zwischen
Vermächtnis und Auflage und macht geltend, die Auflage bezwecke
zwar eine Begünstigung, gewähre aber dem Begünstigten (im Gegensatz
zum Vermächtnisnehmer) kein Forderungsrecht und mache ihn nicht zum
Gläubiger. Zur Begründung dieser Ansicht stützt sie sich auf die Lehre
(ESCHER, 3. Aufl., N. 19 zu Art. 482 ZGB und N. 8 Ziff. 3 zu Art. 493 ZGB;
PIOTET, Schweizerisches Privatrecht, IV/1, S. 148/49), die sie jedoch
unvollständig zitiert. Wohl führt ESCHER am angegebenen Ort aus, dass
der aus einer Auflage Begünstigte nicht Gläubiger werde, weil sonst der
Unterschied gegenüber dem Vermächtnisnehmer verwischt würde. Er fährt
aber unmittelbar anschliessend fort, dagegen könne jedermann, der ein
Interesse habe, also insbesondere auch der Begünstige, die Vollziehung
der Auflage verlangen. Der Gesetzgeber war in der Tat bestrebt, durch die
allgemeine Formulierung von Art. 482 Abs. 1 ZGB jedem, der ein berechtigtes
Interesse hat, die Erfüllung der ihn begünstigenden Auflage zu sichern. Der
Begünstigte erhält dadurch zwar keine obligatorische Forderungsklage,
wohl aber einen Anspruch besonderer Art, der auf die Vollziehung des in
der Auflage zu Tage getretenen erblasserischen Willens gerichtet ist (BGE
99 II 379, 382 oben; ESCHER, 3. Aufl., N. 20, und TUOR, N. 13 ff. zu
Art. 482 ZGB; PIOTET, aaO, S. 149). Die Klägerin ist demnach als aus
der Auflage Begünstigte befugt, von der Beklagten als Auflagebelasteten
die Vollziehung der Auflage zu verlangen (vgl. dazu mit Bezug auf die
Widmung eines Vermögens an eine Stiftung gemäss Art. 493 ZGB auch TUOR,
N. 9c zu Art. 493 ZGB).

    Im Falle der vom Belasteten zu vertretenden Nichterfüllung stände der
Klägerin gegenüber der Beklagten allerdings kein Schadenersatzanspruch
zu (BGE 99 II 379, 382 oben). Dies ist im vorliegenden Fall jedoch ohne
Bedeutung, weil die Klägerin keine Schadenersatzklage angestrengt hat.

    e) Nimmt man schliesslich an, durch die erblasserischen Anordnungen
sei die Klägerin als Vermächtnisnehmerin eingesetzt worden, während der
Beklagten lediglich die Funktion einer "Durchgangsstation", das heisst
die Rolle eines Willensvollstreckers oder Beauftragten zugedacht und
sie beauftragt worden sei, die bisher verwalteten Fr. 500'000.- der
Klägerin zu übereignen, dann fällt folgendes in Betracht: Aufträge,
die erst nach dem Tod des Auftraggebers oder eines Dritten ausgeführt
werden können und sollen (mandata post mortem), sind zulässig. Ihr
Hauptanwendungsfall ist der Willensvollstreckerauftrag (GAUTSCHI, N. 90a
zu Art. 395 OR). Derartige Aufträge beurteilen sich deshalb nach den
Sonderregeln über den Willensvollstrecker.

    Dass im Streit um die Ausrichtung eines Vermächtnisses die Klägerin als
Vermächtnisnehmerin aktivlegitimiert ist, kann im Ernste nicht bezweifelt
werden. Ihre Klage darf sie nicht nur gegen die Erben, sondern auch gegen
den beauftragten Willensvollstrecker als Treuhänder richten, der im Streit
darüber, ob gemäss Verfügung von Todes wegen einem Bedachten gewisse Rechte
zustehen, neben den Erben passivlegitimiert ist (ESCHER und TUOR,je N. 33
zu Art. 518 ZGB; PIOTET, aaO, S. 164/65; dazu auch BGE 94 II 142).

    f) Die Aktivlegitimation der Klägerin und die Passivlegitimation der
Beklagten sind demnach im vorliegenden Fall gegeben, gleichgültig welche
der erwähnten Rechtsstellungen der Klägerin im Prozess zukommt.

    Soweit die Beklagte geltend macht, der Klägerin fehle das Klagerecht,
weil die Errichtung einer Stiftung keine erzwingbare Vermögensleistung
darstelle, stösst ihre Rüge ins Leere, da mit der vorliegenden Klage nicht
die Errichtung einer Stiftung, sondern lediglich die Übertragung der von
der Beklagten bisher verwalteten Fr. 500'000.- auf die bereits bestehende
Stiftung, das heisst die Auszahlung eines vom Erblasser ausgesetzten
Vermächtnisses, bzw., die Erfüllung einer von ihm gemachten Auflage
verlangt wird. Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin
bestreitet, ist ihre Berufung somit unbegründet.

Erwägung 3

    3.- a) Beim Tode Karl Lüthys im Jahre 1935 fiel der gesamte
Nachlass (ausgenommen die bereits damals fälligen Vermächtnisse)
an die überlebende Ehefrau. Diese erhielt somit auch Eigentum an den
Fr. 500'000.-, welche nach ihrem Ableben der Beklagten bzw. der Klägerin
auszuzahlen waren. Das ergibt sich im übrigen auch daraus, dass sie
gemäss der Zusatzverfügung ihres Mannes vom 27. Dezember 1932 in einer
allfälligen Notlage die Substanz dieser Fr. 500'000.- für sich hätte
verwenden dürfen. Wurde Frau Lüthy aber Eigentümerin des ganzen Vermögens
(einschliesslich der Fr. 500'000.-), dann war dieses gesamte Vermögen
damals Erbschaftssteuerobjekt. Frau Lüthy zahlte für das ganze Vermögen,
mithin auch für den Teil von Fr. 500'000.-, Erbschaftssteuern.

    Nach dem Ableben Frau Lüthys im Jahre 1972 trat bezüglich der erwähnten
Fr. 500'000.- ein zweiter Steuerfall (allerdings mit Steuerbefreiung)
ein, der im vorliegenden Prozess jedoch nicht von Bedeutung ist.

    b) Zwischen den Parteien ist vor allem streitig, ob die Klägerin
Anspruch auf den vollen ihr zugesprochenen Betrag von Fr. 500'000.-
habe oder ob von dieser Summe die von der überlebenden Ehefrau bezahlten
Erbschaftssteuern abgezogen werden dürfen und der Klägerin demzufolge nur
Fr. 422'349.55 auszurichten seien. Bei der Beantwortung dieser Frage ist
durch Auslegung der vorliegenden letztwilligen Anordnungen zu erforschen,
was die Eheleute Lüthy seinerzeit beabsichtigt hatten. Das Bundesgericht
ist dabei nach ständiger Rechtsprechung an die vorinstanzliche Auslegung
nicht gebunden, sondern prüft frei, was der Erblasser letztwillig verfügen
wollte. Verbindlich sind für das Bundesgericht nur die tatsächlichen
Feststellungen des angefochtenen Urteils, aus denen dieser Wille
erschlossen wird (BGE 103 II 92, 100 II 446, 91 II 99, 90 II 480).

    c) Im Erbvertrag vom 26. Mai 1924 wurde der Beklagten "ein Legat
von Fr. 500'000.-" ausgesetzt und die Kantonalbank wurde verpflichtet,
"dieses Legat" zur Errichtung einer Stiftung zu verwenden. Dabei wurde
ausdrücklich bestimmt, dass das Stiftungsvermögen Fr. 500'000.- betrage,
die jährlichen Zinsen "des Stiftungsvermögens" in bestimmter Weise
zu verwenden seien und "das Stiftungsvermögen" unangetastet bleiben
müsse. Auch in seinen testamentarischen Anordnungen verfügte Karl Lüthy,
dass der Beklagten "in barem Geld oder in Wertpapieren ein Legat von
Fr. 500'000.-" auszurichten sei, dass "der jährliche Zins desselben"
zu bestimmten Zwecken verwendet werden solle und dass "das Kapital des
Vermächtnisses" unangetastet bleiben müsse.

    Aus dem Wortlaut dieser Anordnungen leitete die Vorinstanz ab, die
beiden Eheleute seien seinerzeit davon ausgegangen und hätten gewollt,
dass der Stiftung nach dem Tod des überlebenden Gatten ein Kapital von
Fr. 500'000.- ohne jeden Abzug zur Verfügung gestellt werde (vorbehältlich
natürlich einer allfälligen Erbschaftssteuer beim Eintritt des zweiten
Steuerfalles, welche durch Parteiabrede nicht ausgeschlossen werden
konnte, im Hinblick auf die Bestimmungen der kantonalen Steuergesetze zu
Gunsten wohltätiger Institutionen jedoch eher unwahrscheinlich war). Dieser
Auslegung ist beizutreten; jedenfalls stellt sie, entgegen der Meinung der
Beklagten, keine Verletzung von Bundesrecht dar. Wer für die Errichtung
einer gemeinnützigen Stiftung einen bestimmten Betrag aussetzt und diesen
noch ausdrücklich als Stiftungsvermögen bezeichnet, von dem ist anzunehmen,
sein Wille gehe dahin, dass die Stiftung diesen vollen Betrag, ohne jeden
Abzug, auch wirklich erhalten solle.

    Wohl enthielten die letztwilligen Anordnungen der Eheleute
Lüthy keine Bestimmung über die Tragung der Erbschaftssteuern; dies
offenbar deshalb, weil beide Ehegatten und der Notar davon ausgingen,
der für die Stiftung vorgesehene Betrag sei steuerfrei. Aus dem Fehlen
testamentarischer Anweisungen über die Erbschaftssteuern kann jedoch
entgegen der Meinung der Beklagten nicht abgeleitet werden, die beiden
Ehegatten hätten seinerzeit der Stiftung nicht Fr. 500'000.-, sondern nur
einen Betrag zukommen lassen wollen, der sich um jene Summe reduziere,
welche Frau Lüthy für die zunächst auf sie übergegangenen Fr. 500'000.-
als Erbschaftssteuer hatte bezahlen müssen.

    Die Klägerin hatte daher Anspruch auf die vollen ihr zugesprochenen Fr.
500'000.-. Die Beklagte anderseits war entweder als Vorvermächtnisnehmerin
oder als mit einer Auflage beschwerte Vermächtnisnehmerin oder als
Beauftragte bzw. Willensvollstreckerin verpflichtet, der Klägerin als
Nachvermächtnisnehmerin oder Auflageberechtigten oder Vermächtnisnehmerin
diesen Betrag zur Verfügung zu stellen. Da sie dieser Pflicht nicht in
vollem Umfange nachgekommen ist, hat die Vorinstanz die Klage zu Recht
gutgeheissen.