Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 II 247



105 II 247

41. Urteil der II. Zivilabteilung vom 25. Oktober 1979 i.S. H. gegen
Regierungsrat des Kantons Thurgau (Berufung) Regeste

    Art. 30 Abs. 1 ZGB.

    Das Kind, das im Haushalt seiner miteinander nicht verheirateten,
im Konkubinat lebenden Eltern aufwächst, kann verlangen, den Namen seines
Vaters tragen zu dürfen, sofern das Konkubinatsverhältnis von Dauer ist.

Sachverhalt

    A.- Monika H., geb. X., wurde am 12. Juli 1973 von Johann H.
geschieden. Mit Beschluss vom 9. Oktober 1973 bewilligte ihr der
Regierungsrat des Kantons Thurgau, weiterhin den Namen H. zu tragen.

    Am 10. Juni 1975 gebar Monika H. den Sohn Roman X. Dieser wurde am 10.
Februar 1978 von seinem Vater Ferdinand Vincenz R., der verheiratet ist,
aber keine ehelichen Kinder hat, anerkannt.

    Roman X. wird zusammen mit den aus der Ehe H.-X. hervorgegangenen
Kindern Lilian Monika H. (geb. 1963) und Christian Arnold H. (geb. 1965)
im Haushalt von Monika H. und Ferdinand R., die miteinander im Konkubinat
leben, aufgezogen.

    B.- Am 16. Mai 1979 stellten Monika H. und Ferdinand R. beim
Regierungsrat des Kantons Thurgau das Gesuch, es sei Roman X. zu
bewilligen, den Familiennamen R. zu tragen.

    Mit Beschluss vom 18. Juni 1979 wies der Regierungsrat das Gesuch ab.

    C.- Mit der vorliegenden Berufung ans Bundesgericht halten Monika
H. und Ferdinand R. an ihrem Gesuch fest.

    Der Regierungsrat beantragt die Abweisung der Berufung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- a) Nach Art. 44 lit. a OG in der Fassung vom 25. Juni 1976,
in Kraft seit 1. Januar 1978, ist gegen letztinstanzliche kantonale
Entscheide, mit denen eine beantragte Namensänderung verweigert wird,
im Gegensatz zur Rechtslage, wie sie früher bestand, die Berufung ans
Bundesgericht zulässig (BGE 105 II 66).

    b) Als Inhaberin der elterlichen Gewalt und damit als gesetzliche
Vertreterin des Kindes ist Monika H. zweifellos zur Stellung des
Namensänderungsgesuchs befugt. Dagegen dürfte Ferdinand R., der die
elterliche Gewalt nicht innehat und der deshalb nur im eigenen Namen
auftreten kann, hiezu nicht legitimiert sein, da die Namensänderung
grundsätzlich nur vom Namensträger selbst verlangt werden kann (EGGER,
N. 9 zu Art. 30 ZGB). Wie es sich damit verhält, braucht indessen nicht
entschieden zu werden, da ohnehin auf das Gesuch des Kindes, vertreten
durch seine Mutter, einzutreten ist.

Erwägung 2

    2.- Nach dem revidierten Art. 30 Abs. 1 ZGB kann einer Person durch die
Regierung ihres Wohnsitzkantons die Änderung des Namens bewilligt werden,
wenn wichtige Gründe vorliegen. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, ist
eine Ermessensfrage, die von der Behörde nach Recht und Billigkeit zu
beantworten ist (Art. 4 ZGB). Als Berufungsinstanz prüft das Bundesgericht
grundsätzlich frei, ob wichtige Gründe für eine Namensänderung gegeben
sind, während es sich zu dieser Frage früher nur unter dem beschränkten
Gesichtswinkel der Willkür äussern konnte. Immerhin hat es sich dabei -
wie immer bei der Überprüfung von Ermessensentscheiden - eine gewisse
Zurückhaltung aufzuerlegen. Es schreitet daher nur ein, wenn die kantonale
Behörde bei ihrer Entscheidung Umstände berücksichtigt hat, die nach dem
Sinn des Gesetzes keine Rolle spielen durften, oder wenn sie wesentliche
Gesichtspunkte ausser acht gelassen hat (BGE 105 II 66 E. 2).

Erwägung 3

    3.- Wichtige Gründe im Sinne von Art. 30 Abs. 1 ZGB liegen vor,
wenn das Interesse des Namensträgers an einem neuen Namen dasjenige der
Verwaltung und der Allgemeinheit an der Unveränderlichkeit des einmal
erworbenen und in die Register eingetragenen Namens sowie an eindeutiger
Kennzeichnung und Unterscheidung des Einzelnen überwiegt (H. ROGGWILLER,
Der "wichtige Grund" und seine Anwendung in ZGB und OR, Diss. Zürich
1956, S. 91/92). Der Kennzeichnungsfunktion des Namens kommt jedoch bei
einem Kleinkind, dessen gesellschaftliche Kontakte sich auf seine engsten
Angehörigen beschränken, geringere Bedeutung zu als bei einem Erwachsenen,
so dass die Namensänderung eher bewilligt werden kann.

    In seiner staatsrechtlichen, auf Willkürkognition beschränkten
Rechtsprechung hat das Bundesgericht angenommen, dass einem ausserehelichen
Kind die Namensänderung durch Anpassung des Namens an die Familie der
Pflegeeltern zu gestatten ist, um den Makel der unehelichen Geburt
möglichst zu verdecken, wenn beide Pflegeeltern damit einverstanden
sind, das Pflegschaftsverhältnis dauernder Natur ist, im Interesse des
Kindes liegt und auch keine Möglichkeit besteht, diese Anpassung auf
andere Weise (z.B. durch Adoption) vorzunehmen (BGE 96 I 429 ff., 70 I
220 E. 3). Dieser Grundsatz muss um so mehr bei freier Prüfung gelten,
wie sie dem Bundesgericht heute zukommt.

Erwägung 4

    4.- Im vorliegenden Fall wird das Kind im Haushalt seiner Eltern
aufgezogen, die miteinander im Konkubinat leben. Der Vater hat es
anerkannt und sorgt für es, indem er für die Bedürfnisse dieses Haushalts
aufkommt. Roman X. hat somit die gleiche Stellung wie ein Pflegekind,
dem es nach der erwähnten Rechtsprechung gestattet ist, den Namen seines
Pflegevaters anzunehmen. Der Regierungsrat weist freilich darauf hin,
Ferdinand R. habe es in der Hand, seinen Namen auf andere Weise auf seinen
Sohn zu übertragen, indem er sich scheiden lassen und danach Monika
H. heiraten könne. Ob eine Scheidungsklage, die nach dem angefochtenen
Entscheid erst in Aussicht stehen soll, Erfolg haben wird, ist indessen
angesichts der Umstände, in denen R. lebt, äusserst zweifelhaft, sofern
sich dessen Ehefrau ihr widersetzen sollte. Es kann daher nicht gesagt
werden, Roman X. könne den Namen seines Vaters auf andere Weise als
durch Namensänderung erwerben. Im übrigen kann dieser Voraussetzung,
wie das Bundesgericht mit Urteil vom heutigen Tag in Sachen D. (BGE 105
II 241 ff.) entschieden hat, keine absolute Bedeutung zukommen, zumal
wenn es sich beim Gesuchsteller wie hier um ein Kind handelt, das die
Standesänderung, die allenfalls einen Namenswechsel auf andere Weise als
durch behördliche Bewilligung bewirken würde, nicht selbst herbeiführen
kann. Roman X. erfüllt somit grundsätzlich die Anforderungen, die in der
Rechtsprechung an das Namensänderungsgesuch eines Pflegekindes, das den
Namen seines Pflegevaters erwerben möchte, gestellt werden.

    Fragen kann sich höchstens, ob auch das Erfordernis der Dauerhaftigkeit
des Pflegschaftsverhältnisses gegeben ist. Es ist einzuräumen, dass
ein Konkubinatsverhältnis anders als die Ehe von Pflegeeltern jederzeit
aufgelöst werden kann. Verlässt der Vater nachträglich Mutter und Kind,
so verliert die Namensänderung ihre Rechtfertigung und führt zu neuen
Unannehmlichkeiten, weil das Kind dann wiederum nicht den Namen des
Elternteils trägt, bei dem es wohnt. Im vorliegenden Fall besteht indessen
kein Anlass, an der Dauerhaftigkeit des Konkubinats zu zweifeln. Der
Gesuchsteller ist mehr als vier Jahre alt, was voraussetzt, dass die
Verbindung seiner Eltern schon mindestens fünf Jahre gedauert hat. Dies und
der Umstand, dass der Vater das Kind sofort nach Inkrafttreten des neuen
Kindesrechts anerkannt hat, dass er seinen Namen auf es übertragen will
und dass er in ihm bereits seinen künftigen Geschäftsnachfolger sieht,
lässt darauf schliessen, dass das Verhältnis dauerhafter Natur ist (vgl.
hiezu BGE 96 I 429/430). Der rechtlich prekäre Charakter des Konkubinats
steht daher der Namensänderung nicht im Wege.

Erwägung 5

    5.- Der Regierungsrat begründet die Abweisung des
Namensänderungsgesuchs zur Hauptsache damit, es gehe nicht an, dem
Kind, das ein verheirateter Mann mit einer Dritten gezeugt habe,
den Familiennamen des Vaters zu geben, wenn dessen Ehe noch bestehe
und sich das Kind nicht unter elterlicher Gewalt des Vaters befinde;
zu einer solchen Namensänderung könne eine Behörde, die den Grundsatz,
dass eine gesetzlich geschlossene Ehe den staatlichen Schutz verdiene,
auch nur einigermassen beachte, nicht Hand bieten.

    Mit diesem Argument hat sich das Bundesgericht indessen bereits in
seiner staatsrechtlichen Rechtsprechung auseinandergesetzt. Es hat es als
willkürlich bezeichnet, das Namensänderungsgesuch eines bei seinen nicht
verheirateten Eltern aufwachsenden Kindes anders zu behandeln als dasjenige
eines Pflegekindes. Gründe der öffentlichen Ordnung stünden einem solchen
Gesuch nicht entgegen. Einem Kind, das ein Interesse daran habe, den Namen
seines Vaters zu tragen, dürften die Fehler seiner Eltern, für die es
nicht verantwortlich ist, nicht entgegengehalten werden (BGE 96 I 429/430
E. 2b, d). Gerade darauf läuft aber die Auffassung des Regierungsrats
im vorliegenden Fall hinaus. Wie im erwähnten Entscheid weiter ausgeführt
wird, trifft es auch nicht zu, dass durch die Namensänderung das Konkubinat
öffentlich anerkannt und das Institut der Ehe als solches untergraben
wird. Durch die Verweigerung der Namensänderung würde die Tatsache nicht
aus der Welt geschafft, dass der Gesuchsteller im Ehebruch erzeugt wurde
und dass er im Haushalt seiner im Konkubinat lebenden Eltern aufwächst. Im
Gegenteil würde die Öffentlichkeit dadurch, dass Vater und Sohn nicht
den gleichen Namen tragen, ständig auf die illegitime Abstammung des
Kindes aufmerksam gemacht, die noch heute, obwohl das neue Kindesrecht
das eheliche und das aussereheliche Kindesverhältnis grundsätzlich
gleichgestellt hat, in weiten Kreisen als gesellschaftlicher Makel
betrachtet wird. Dieser Makel, den der Gesuchsteller nicht zu vertreten
hat, kann durch die beantragte Namensänderung wenn nicht beseitigt,
so doch in seinen Auswirkungen gemildert werden.

Erwägung 6

    6.- Der Regierungsrat weist weiter darauf hin, die beantragte
Namensänderung widerspreche dem neuen Kindesrecht. Dieses habe den
Grundsatz aufgestellt, dass das ausserhalb einer Ehe geborene Kind,
gleichgültig ob es von seinem Vater anerkannt worden sei oder nicht,
den Familiennamen seiner Mutter führen solle. Eine Ausnahme bestehe
gemäss Art. 271 Abs. 3 ZGB nur dann, wenn das Kind unter der elterlichen
Gewalt des Vaters aufwachse, was hier nicht der Fall sei. Diese letztere
Bestimmung bezieht sich indessen auf den Erwerb des Bürgerrechts
und nicht auf denjenigen des Namens. Sie besagt nicht, dass das Kind
unverheirateter Eltern nur dann den Namen seines Vaters annehmen kann,
wenn es unter dessen elterlicher Gewalt steht. Die Regel des Art. 270
Abs. 2 ZGB, wonach das Kind unverheirateter Eltern von Gesetzes wegen den
Namen der Mutter erhält, beruht auf dem Gedanken, dass ein solches Kind
normalerweise bei der Mutter aufwächst, zu der es engere Beziehungen hat
als zum Vater. Verhält es sich jedoch ausnahmsweise anders, so soll es
dem Kind offenstehen, durch Namensänderung den Namen des Elternteils zu
erwerben, bei dem es aufwächst (BBl 1974 II S. 50/51 und der im Entwurf
des Bundesrats vorgeschlagene Art. 30 Abs. 2 Ziff. 3 ZGB; HEGNAUER,
Grundriss des Kindesrechts, S. 99). Mit dieser Begründung liesse sich
im vorliegenden Fall freilich auch rechtfertigen, dem Kind den Namen der
Mutter, also H., zu geben, den auch seine Stiefgeschwister tragen und den
es tragen würde, wenn es nach dem Inkrafttreten des neuen Kindesrechts
geboren wäre (Art. 270 Abs. 2 ZGB im Gegensatz zu Art. 324 Abs. 1 aZGB;
zum alten Recht vgl. BGE 100 II 290 ff.). Diese Möglichkeit, zu der auch
der Regierungsrat Hand bieten würde, schliesst es indessen nicht aus,
dass wichtige Gründe dafür bestehen, dem Gesuchsteller den Erwerb des
väterlichen Namens zu bewilligen. Die Einheit des Namens innerhalb der
"Familie" des Gesuchstellers lässt sich so oder so nicht herstellen.

Erwägung 7

    7.- Dass der beantragten Namensänderung erhebliche private Interessen
entgegenständen, behauptet der Regierungsrat zu Recht nicht. Insbesondere
hat Ferdinand R. anders als der Vater im erwähnten BGE 96 I 425 ff. keine
ehelichen Kinder, die allenfalls dadurch betroffen sein könnten, dass
der Gesuchsteller den gleichen Namen trägt wie sie, wodurch der Anschein
einer Verwandtschaft erweckt wird, die in Wirklichkeit nicht besteht. Das
Interesse der Ehefrau von R. daran, dass der Gesuchsteller nicht für ihr
Kind gehalten werde, hat gegenüber dem Interesse des Gesuchstellers, den
gleichen Namen wie sein Vater tragen zu dürfen, zurückzutreten (vgl. BGE
96 I 431).

Erwägung 8

    8.- Der Regierungsrat hat das Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne
von Art. 30 Abs. 1 ZGB somit zu Unrecht verneint. Die Berufung ist daher
gutzuheissen und dem Gesuchsteller zu bewilligen, den Familiennamen
R. zu tragen.