Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 II 1



105 II 1

1. Urteil der II. Zivilabteilung vom 22. Februar 1979 i.S. D. gegen
D.(Berufung) Regeste

    Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951.

    Klage auf Feststellung des Bestehens einer Ehe; Anerkennung eines
ausländischen Scheidungsurteils.

    Das Scheidungsurteil, das ein Flüchtling mit schweizerischem Wohnsitz
im gemeinsamen Heimatstaat der Ehegatten erwirkt hat, kann in der Schweiz
jedenfalls dann nicht anerkannt werden, wenn der Beklagte, der ebenfalls
als Flüchtling in der Schweiz wohnt, sich auf den Scheidungsprozess nicht
eingelassen hat.

Sachverhalt

    A.- Die ungarischen Staatsangehörigen Andreas Istvan D. und Maria-Anna
Klara P. heirateten im Jahre 1945 in Bupapest. Seit dem Jahre 1956 leben
sie als anerkannte Flüchtlinge in der Schweiz. Am 17. Juli 1970 verliess
der Ehemann die eheliche Wohnung in Zürich und weigert sich seither, die
eheliche Gemeinschaft wiederaufzunehmen. Mit Verfügung vom 12. November
1970 bewilligte der Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich der Ehefrau
die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts und genehmigte eine Vereinbarung
der Parteien, worin sich der Ehemann zur Bezahlung eines Unterhaltsbeitrags
von monatlich Fr. 1'500.- verpflichtete. Dieser Betrag wurde am 27. Februar
1973 vom Einzelrichter auf Fr. 1'700.- erhöht.

    Anfangs 1973 beauftragte der Ehemann einen ungarischen Rechtsanwalt
mit der Einreichung einer Scheidungsklage in Ungarn. Dieser forderte
die Ehefrau auf, ihrerseits einen ungarischen Anwalt mit der Führung des
Prozesses zu beauftragen. Frau D. weigerte sich jedoch, dies zu tun, da
sie die ungarischen Gerichte für unzuständig erachtete. Sie verweigerte
auch die Annahme der Vorladung zur Verhandlung, die ihr das Zentrale
Bezirksgericht von Pest auf dem Rechtshilfeweg hatte zukommen lassen. Mit
Urteil vom 29. November 1973, rechtskräftig geworden am 9. April 1974,
schied dieses Gericht die Ehe der Parteien. Frau D. nahm das ihr auf dem
Rechtshilfeweg zugestellte Urteil nicht an.

    In der Folge stellte der Ehemann die Zahlung der durch den
Eheschutzrichter festgesetzten Unterhaltsbeiträge ein, worauf er von
der Ehefrau betrieben wurde. Als er Rechtsvorschlag erhob, verlangte
diese beim Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts
Zürich die Rechtsöffnung. Ihr Begehren wurde jedoch am 6. September
1974 abgewiesen. Der Einzelrichter nahm an, das Scheidungsurteil vom
29. November 1973 sei in der Schweiz anzuerkennen, da es von einem
zuständigen Gericht erlassen worden sei und nicht gegen den schweizerischen
ordre public verstosse; für Eheschutzmassnahmen bestehe daher kein Raum
mehr. Sämtliche Rechtsmittel gegen diese Verfügung wurden abgewiesen,
darunter mit Urteil vom 20. Oktober 1975 auch eine staatsrechtliche
Beschwerde an das Bundesgericht.

    B.- Am 15. Oktober 1976 leitete Frau D. gegen Andreas Istvan D. eine
Klage ein, mit der sie beantragte, "es sei festzustellen, dass die Klägerin
mit dem Beklagten nach wie vor in rechtsgültiger Ehe verheiratet ist". Mit
Urteil vom 17. Oktober 1977 hiess das Bezirksgericht Zürich die Klage
gut. Demgegenüber wies das Obergericht des Kantons Zürich in Gutheissung
einer Berufung des Beklagten mit Urteil vom 15. Juni 1978 die Klage ab, im
wesentlichen mit der Begründung, das ungarische Scheidungsurteil müsse in
der Schweiz anerkannt werden, da der Flüchtlingsstatus es einem Flüchtling
nicht verbiete, statt der Gerichte des Wohnsitzstaates diejenigen der
Heimat anzurufen, zumal wenn der Heimatstaat die ausschliessliche
Zuständigkeit in Anspruch nehme, wie dies für Ungarn mit Bezug auf
die Scheidung ungarischer Staatsangehöriger der Fall sei; schliesslich
verstosse dieses Urteil auch nicht gegen den schweizerischen ordre public.

    C.- Mit der vorliegenden Berufung an das Bundesgericht beantragt
die Klägerin, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und dasjenige des
Bezirksgerichts wiederherzustellen.

    Der Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung. Ferner verlangt er,
das von der Klägerin eingereichte Gutachten von Prof. Pierre A. Lalive
sei aus dem Recht zu weisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es ist den Parteien im Berufungsverfahren vor Bundesgericht nicht
verwehrt, ihren Standpunkt durch Rechtsgutachten zu bekräftigen. Ein
solches Parteigutachten hat jedoch kein grösseres Gewicht als die
rechtlichen Erörterungen in der Berufungsschrift der betreffenden Partei.
Berücksichtigt man ferner, dass der Berufungsrichter das Recht von Amtes
wegen anzuwenden hat, so besteht vollends kein Anlass, das von der Klägerin
eingereichte Gutachten aus dem Recht zu weisen.

Erwägung 2

    2.- Zu Recht sind die kantonalen Gerichte auf die vorliegende
Feststellungsklage eingetreten. Die Klägerin hat ein offensichtliches
Interesse an der Abklärung der Frage, ob ihre Ehe weiterhin besteht
oder ob sie durch das Urteil des Zentralen Bezirksgerichts von Pest
vom 29. November 1973 geschieden worden ist. Die Ungewissheit, die
zwischen den Parteien über diese Frage besteht, kann nur durch eine
Klage auf Feststellung des Fortbestehens der Ehe beseitigt werden. Sie
wurde durch die vorausgegangenen Entscheide im Rechtsöffnungsverfahren
nicht behoben. Gegenstand jenes Verfahrens bildete die Erteilung der
Rechtsöffnung, nicht das Bestehen der Ehe, und über die Anerkennung
des ungarischen Scheidungsurteils wurde damals nur vorfrageweise
entschieden. Die staatsrechtliche Kammer des Bundesgerichts überprüfte
die betreffenden Entscheide der zürcherischen Gerichte in ihrem Urteil
vom 20. Oktober 1975 zudem nur unter dem beschränkten Gesichtswinkel der
Willkür. Die Frage des Bestehens der Ehe der Parteien ist daher noch nicht
rechtskräftig beurteilt. Der Beklagte beruft sich denn auch nicht auf die
Einrede der Rechtskraft, sondern er begnügt sich damit, die Begründung
der Rechtsöffnungsentscheide zur Stützung seines Standpunkts heranzuziehen.

Erwägung 3

    3.- Wie zwischen den Parteien unbestritten ist, hängt das Schicksal
der Klage einzig davon ab, ob das ungarische Scheidungsurteil vom 29.
November 1973 in der Schweiz anzuerkennen ist, eine Frage, die sich
nach eidgenössischem Recht beurteilt (BGE 99 II 4 ff. E. 3). Ein
Staatsvertrag mit Ungarn über die Anerkennung von Urteilen besteht nicht,
und das Haager Übereinkommen über die Anerkennung von Ehescheidungen und
Ehetrennungen vom 1. Juni 1970 (SR 0.211.212.3), für die Schweiz in Kraft
getreten am 17. Juli 1976, ist nicht anwendbar, weil Ungarn nicht zu den
Vertragsstaaten gehört und die Schweiz zudem den Vorbehalt angebracht hat,
das Übereinkommen nicht auf Scheidungsurteile anzuwenden, die vor seinem
lnkrafttreten für die Schweiz erwirkt worden sind.

    Aus den Akten geht hervor, dass beide Parteien in der Schweiz als
Flüchtlinge im Sinne des Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der
Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 (SR 0.142.30), dem die Schweiz beigetreten
ist, anerkannt sind. Nach Art. 12 Ziff. 1 dieses Abkommens bestimmt sich
die personenrechtliche Stellung (le statut personnel) eines Flüchtlings
nach dem Gesetz seines Wohnsitzlandes oder, wenn er keinen Wohnsitz hat,
nach dem Gesetz des Aufenthaltslandes. Zur persönlichen Rechtsstellung
einer Person gehören auch ihre familienrechtlichen Beziehungen (BGE
93 II 358/359). Art. 16 Ziff. 2 des Abkommens stellt die Flüchtlinge
ferner hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten den Angehörigen des
Staates gleich, wo sie ihren Wohnsitz bzw. ihren ordentlichen Aufenthalt
haben. Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass ein Flüchtling an seinem
schweizerischen Wohnsitz auf Grund des schweizerischen materiellen
Rechts auf Scheidung klagen kann, ohne gemäss Art. 7h Abs. 1 NAG den
Nachweis erbringen zu müssen, dass Gesetz oder Gerichtsgebrauch seiner
Heimat den angerufenen Scheidungsgrund zulassen und den schweizerischen
Gerichtsstand anerkennen (BGE 93 II 359, 88 II 330), was den Parteien, die
beide unbestrittenermassen die ungarische Staatsangehörigkeit beibehalten
haben, nicht möglich wäre (BGE 93 II 357, 88 II 329). Auf Grund des
Flüchtlingsabkommens steht dem in der Schweiz wohnhaften Flüchtling somit
ein schweizerischer Scheidungsgerichtsstand zur Verfügung. Entscheidend
ist nun, ob diese Zuständigkeit der schweizerischen Gerichte als
ausschliesslich zu betrachten ist, oder ob der Flüchtling, der seine
ursprüngliche Staatsangehörigkeit beibehalten hat, die Möglichkeit behält,
in seinem Heimatstaat auf Scheidung zu klagen, so dass eine konkurriende
Scheidungszuständigkeit des Heimat- und des Wohnsitzstaates bestehen
würde. Ist der schweizerische Gerichtsstand ausschliesslich, so kann das
ungarische Scheidungsurteil nicht anerkannt werden. Ist jedoch neben dem
schweizerischen auch der heimatliche Richter für die Beurteilung der
Scheidungsklage zuständig, so ist die Anerkennung zu gewähren, sofern
das Urteil vor dem schweizerischen ordre public standhält.

Erwägung 4

    4.- Das Obergericht hat sich gegen die Ausschliesslichkeit des
schweizerischen Scheidungsgerichtsstands entschieden, mit der Begründung,
das Flüchtlingsabkommen wolle die Rechtsstellung des als Flüchtling in
der Schweiz lebenden Ausländers im Vergleich mit der Rechtsstellung des
"gewöhnlichen" Ausländers mit Wohnsitz in der Schweiz verbessern, indem
es ihm die Vornahme gewisser Rechtshandlungen und die Verfolgung seiner
Rechte im Wohnsitzstaat erleichtere. Der Flüchtling werde jedoch nicht
weitergehend einem Angehörigen des Wohnsitzstaates gleichgestellt, mit
der Massgabe, dass er die mit seiner Staatsangehörigkeit zusammenhängenden
Rechte nicht mehr wahrnehmen könne. Der Wohnsitzstaat habe keinen Grund,
für die auf seinem Staatsgebiet wohnenden Flüchtlinge die ausschliessliche
Gerichtsbarkeit zu beanspruchen, wie er es für die eigenen, im Inland
wohnenden Staatsangehörigen tue. Dass das Flüchtlingsabkommen die bisherige
Rechtsstellung des Flüchtlings nicht schmälern, sondern lediglich in
gewissen Beziehungen erweitern wolle, lasse sich aus dem Vorbehalt der
wohlerworbenen Rechte in Art. 12 Ziff. 2 schliessen. Mit Bezug auf
die Zulassung der Scheidungsklage am schweizerischen Wohnsitz bestehe
die Erleichterung der Rechtsstellung des Flüchtlings darin, dass die
Einschränkungen von Art. 7h Abs. 1 NAG wegfielen. Dagegen finde sich kein
Anhaltspunkt und keine Notwendigkeit für die Annahme, dass mit dieser
Verbesserung der Rechtsstellung durch das Flüchtlingsabkommen auch ein
Verlust einhergehe, indem der Flüchtling nur noch bei den Gerichten und
nach dem Recht seines Wohnsitz- oder Aufenthaltslandes auf Scheidung
klagen könne, jedoch nicht mehr in seiner Heimat. Auch die Lehre vertrete
die Auffassung, es bestehe für den Flüchtling eine konkurrierende
Scheidungszuständigkeit des Heimat- und des Wohnsitzstaates, soweit
sie sich überhaupt mit dieser Frage befasse (BEITZKE, in: Festschrift
Fragistas, Thessaloniki 1966, S. 389; ders., Zeitschrift für das gesamte
Familienrecht 1966, S. 639; HIRSCHBERG, NJW 1972, S. 365/366). Der
Flüchtling könne beachtliche Gründe dafür haben, statt der Gerichte des
Wohnsitzstaates diejenigen der Heimat anzurufen, insbesondere wenn der
Heimatstaat die ausschliessliche Zuständigkeit in Anspruch nehme, wie es
für Ungarn mit Bezug auf die Scheidung ungarischer Staatsangehöriger gelte,
und daher im Ausland ergangene Scheidungsurteile nicht anerkenne.

Erwägung 5

    5.- Es ist zweifellos richtig, dass das Flüchtlingsabkommen bezweckt,
die Rechtsstellung des Flüchtlings zu verbessern. Es fragt sich aber,
worin diese Besserstellung besteht. Nach Art. 1A Ziff. 2 des Abkommens ist
Flüchtling jede Person, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung
wegen ihrer Rasse, Religion, Staatszugehörigkeit, Zugehörigkeit zu
einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung
ausserhalb ihres Heimatlandes befindet und dessen Schutz nicht beanspruchen
kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen will. Das Abkommen
geht somit davon aus, dass der Flüchtling sämtliche Beziehungen zu seiner
Heimat abgebrochen hat und nicht mehr dorthin zurückkehren kann oder
"aus begründeter Furcht vor Verfolgung" nicht will, so dass sich seine
Stellung derjenigen eines Staatenlosen annähert. Das Abkommen bezweckt
nun - und insofern verbessert es die Rechtsstellung des Flüchtlings -, das
durch den Bruch mit der Heimat entstandene rechtliche Vakuum auszufüllen,
indem es den Flüchtling mit Bezug auf das Personalstatut und den Zugang
zu den Gerichten im Wohnsitzstaat den Inländern gleichstellt. Mit
dieser ratio des Abkommens ist es nicht vereinbar, dass dem Flüchtling
neben dem Gerichtsstand des Wohnsitzes auch derjenige der Heimat zur
Verfügung stehen soll. Das Abkommen rechnet nicht damit, dass ein
Flüchtling in der Lage ist, seine Rechte im Heimatstaat wahrzunehmen,
und wenn er es dennoch tun kann, so ist er eben keine Person, die
sich "aus begründeter Furcht vor Verfolgung" ausserhalb ihrer Heimat
befindet. Dementsprechend fällt ein Flüchtling nach Art. 1C Ziff. 1
nicht mehr unter das Abkommen, wenn er sich freiwillig wieder unter
den Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, gestellt
hat. Aus der Sicht des Abkommens ist der Flüchtlingsstatus ein Ganzes;
man kann nicht gleichzeitig die Vorteile dieses Status im Wohnsitzstaat,
nämlich die weitgehende Gleichstellung mit dem Inländer, in Anspruch
nehmen und sich auf den Gerichtsstand der Heimat berufen. Könnte der
Flüchtling nach Belieben wählen, als Inländer oder als Ausländer behandelt
zu werden, so wäre er nicht nur besser gestellt, als die Ausländer, die
nicht Flüchtlinge sind, sondern auch als die Inländer. Das ist nicht der
Sinn des Flüchtlingsabkommens.

    Freilich ist einzuräumen, dass der Flüchtling gute Gründe haben kann,
eine Scheidungsklage vor den Gerichten seines Heimatlandes anzubringen,
so etwa wegen der Rechtsstellung der in der Heimat zurückgelassenen
minderjährigen Kinder, des ehelichen Güterrechts, des in der Heimat
zurückgelassenen Vermögens oder des späteren Erbrechts (BEITZKE,
in: Festschrift Fragistas, S. 386). Beanspruchen die Gerichte des
Heimatstaates die ausschliessliche Zuständigkeit, wie dies im Falle von
Ungarn zutrifft, so kann er gezwungen sein, sie anzurufen, wenn ihm an der
Anerkennung des Scheidungsurteils durch diesen Staat gelegen ist. Auch ist
es eine Erfahrungstatsache, dass der Bruch der Beziehungen zum Heimatstaat
mit der Zeit den absoluten Charakter verlieren kann, den das Abkommen bei
der Umschreibung des Flüchtlingsbegriffs in Art. 1A Ziff. 2 im Auge hat,
so dass es einem Flüchtling möglich sein kann, sich vorübergehend in seiner
Heimat aufzuhalten oder doch sich in einem Prozess vertreten zu lassen,
ohne Repressalien befürchten zu müssen. Es stellt sich daher die Frage,
ob es einem Flüchtling jedenfalls dann gestattet sein soll, in seiner
Heimat auf Scheidung zu klagen, wenn er hiefür beachtliche Gründe hat.

    Wie es sich mit dieser Frage verhält, braucht indessen nicht
entschieden zu werden, weil das ungarische Scheidungsurteil, wie sich im
folgenden ergeben wird, ohnehin nicht anerkannt werden kann.

Erwägung 6

    6.- Zu berücksichtigen ist nämlich, dass es nicht nur um den Status des
damaligen Scheidungsklägers geht, sondern um den ehelichen Stand beider
Ehegatten. Nun ist aber auch die damalige Beklagte Flüchtling im Sinne
des Flüchtlingsabkommens. Auch sie untersteht daher gemäss Art. 12 und
16 des Abkommens mit Bezug auf das Personalstatut dem schweizerischen
Recht und kann sich auf den Gerichtsstand des Wohnsitzes berufen. Die
Zuständigkeit der ungarischen Gerichte lässt sich deshalb nicht einfach
damit begründen, es könne einem Flüchtling nicht verwehrt sein, auf die
ihm durch das Flüchtlingsabkommen eingeräumten Rechte zu verzichten, wenn
er ein Interesse daran habe, da auf diese Weise die ebenfalls durch das
Abkommen garantierten Rechte des beklagten Ehegatten zunichte gemacht
werden könnten. Flüchtlinge haben scheidungsrechtlich weitgehend die
gleiche Stellung wie Inländer. Eine in der Schweiz wohnende Schweizerin
kann aber nur im Inland von ihrem schweizerischen Ehegatten geschieden
werden (BGE 89 I 306/307, 86 II 309, 80 II 101). Wie das Bundesgericht
im Falle Baumberger (BGE 89 I 303 ff., 313) dargelegt hat, kann auch
ein Doppelbürger nicht in seinem ausländischen Heimatstaat auf Scheidung
klagen, wenn beide Ehegatten wie hier in der Schweiz wohnen, auch wenn
ihn der ausländische Heimatstaat als eigenen Staatsangehörigen behandelt
und ihm einen Scheidungsgerichtsstand zur Verfügung stellt. Dies spricht
gegen eine konkurrierende Zuständigkeit des Heimatstaates.

    Der Klägerin ist es auch nicht zuzumuten, sich in ihrer Heimat auf
einen Scheidungsprozess einzulassen. Als anerkannter Flüchtling gehört
gemäss dem Wortlaut von Art. 1A Ziff. 2 des Flüchtlingsabkommens auch sie
zu den Personen, die sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer
Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten
sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung ausserhalb ihres
Heimatlandes befinden und dessen Schutz nicht beanspruchen können oder
wegen dieser Befürchtungen nicht beanspruchen wollen. Hat sie aber Grund,
sich vor Verfolgung in ihrer Heimat zu fürchten, so kann von ihr nicht
verlangt werden, persönlich vor den dortigen Gerichten zu erscheinen,
wie dies für eine wirksame Verteidigung in einem Scheidungsprozess
unerlässlich ist, oder auch nur Anstalten zu unternehmen, sich dort
vertreten zu lassen. Der Sinn des Flüchtlingsabkommens besteht gerade
darin, den Flüchtling aus der Zwangslage zu befreien, sich zur Wahrung
seiner Rechte mit den Behörden des Heimatstaates, aus dem er geflohen ist,
herumschlagen zu müssen. Deshalb stellt es ihm für Statusfragen das Recht
und den Gerichtsstand des Wohnsitzes zur Verfügung. Zu beachten ist ferner,
dass die Klägerin Gefahr läuft, ihre Flüchtlingseigenschaft zu verlieren,
wenn sie an einem Scheidungsprozess in Ungarn teilnimmt. Stellt sich
nämlich ein Flüchtling freiwillig wieder unter den Schutz des Landes,
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, so wird er nach Art. 1C Ziff. 1
des Abkommens nicht mehr als Flüchtling anerkannt. Man kann sich
freilich fragen, ob sich der Flüchtling bereits durch die Führung eines
Scheidungsprozesses in seinem Heimatstaat dem "Schutz" dieses Staates
unterstellt oder ob hiefür nicht ein Mehreres erforderlich ist, etwa die
Inanspruchnahme des diplomatischen Schutzes oder das Gesuch um Ausstellung
eines Passes (vgl. hiezu SCHÜRCH, Das schweizerische Asylrecht, ZBJV
104/1968, S. 260/261; BEITZKE, in: Festschrift Fragistas, S. 386/387). Wie
es sich damit verhält, kann jedoch offen bleiben. Es genügt, dass die
Klägerin im Falle ihrer Teilnahme am Scheidungsprozess in Ungarn ernstlich
mit der Gefahr rechnen muss, ihren Flüchtlingsstatus zu verlieren, damit
ihr diese Teilnahme nicht zugemutet werden kann. Dass die Befürchtung der
Klägerin, sie könnte ihren Flüchtlingsstatus jedenfalls dann verlieren,
wenn sie persönlich vor dem ungarischen Scheidungsrichter erscheine,
nicht völlig unbegründet ist, ergibt sich übrigens aus mehreren bei den
Akten liegenden Äusserungen der eidgenössischen Polizeiabteilung gegenüber
ihrem Anwalt.

    Auf der andern Seite ist der Beklagte nicht auf den heimatlichen
Scheidungsgerichtsstand angewiesen, hat er doch auf Grund des
Flüchtlingsabkommens anders als seine in der Schweiz wohnenden Landsleute,
die nicht Flüchtlinge sind (BGE 93 II 357, 88 II 329), die Möglichkeit, an
seinem schweizerischen Wohnsitz zu klagen. Die Anrufung des schweizerischen
Richters ist ihm umso eher zuzumuten, als beide Ehegatten seit vielen
Jahren in diesem Lande wohnen und der Gerichtsstand am gemeinsamen
ehelichen Wohnsitz eigentlich der natürliche Scheidungsgerichtsstand
ist. Dass dadurch ein hinkendes Eheverhältnis herbeigeführt werden
kann, weil Ungarn das schweizerische Scheidungsurteil nicht anerkennt,
ist zwar richtig, ergibt sich aber notwendig aus dem System des
Flüchtlingsabkommens, das die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt
für das Personalstatut und den Gerichtsstand generell durch den Wohnsitz
ersetzt und dadurch hinkende Scheidungen zum vornherein in Kauf nimmt.

Erwägung 7

    7.- Aus diesen Überlegungen ist zu schliessen, dass das
Scheidungsurteil, das ein in der Schweiz wohnender Flüchtling im
gemeinsamen Heimatstaat der Ehegatten erwirkt hat, in der Schweiz
jedenfalls dann nicht anerkannt werden kann, wenn der Beklagte, der
ebenfalls als Flüchtling in der Schweiz Wohnsitz hat, sich auf den
Scheidungsprozess nicht eingelassen hat, wie dies hier der Fall war. Dem
Urteil vom 29. November 1973 ist daher in der Schweiz die Anerkennung
zu versagen. Bei dieser Sachlage braucht nicht geprüft zu werden, ob das
Urteil entsprechend den Behauptungen der Klägerin gegen den schweizerischen
ordre public verstosse.

    Ist aber das ungarische Scheidungsurteil in der Schweiz nicht
anzuerkennen, so ist die Klage gutzuheissen, da der Beklagte keine andern
Gründe gegen den Bestand der Ehe vorgebracht hat und solche auch nicht
ersichtlich sind.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird gutgeheissen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich vom 15. Juni 1978 aufgehoben; in Gutheissung der Klage
wird festgestellt, dass die Klägerin mit dem Beklagten nach wie vor in
rechtsgültiger Ehe verheiratet ist.