Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 III 97



105 III 97

23. Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer vom 22. Mai
1979 i.S. B. (Rekurs) Regeste

    Betreibung unter Ehegatten (Art. 173 ff. ZGB).

    Prozessentschädigungen im Streit um Unterhaltsbeiträge sind auch dann
gemäss Art. 176 Abs. 2 ZGB vom Zwangsvollstreckungsverbot ausgenommen,
wenn sie dem unterhaltspflichtigen Ehegatten zugesprochen worden sind
(Klarstellung der Rechtsprechung).

Sachverhalt

    A.- B. wurde gerichtlich verpflichtet, an seine getrennt lebende
Ehefrau mit Wirkung ab 15. Juni 1978 monatliche Unterhaltsbeiträge von
Fr. 1'500.- zu bezahlen. Der Appellationshof des Kantons Bern setzte
diese mit Wirkung ab 15. Juni 1978 auf Fr. 1'350.- pro Monat herab. Da
B. für den Monat Dezember 1978 lediglich Fr. 525.- und für den Monat
Januar 1979 nur Fr. 715.50 bezahlte, leitete Frau B. gegen ihren Ehemann
Betreibung ein. Dieser erhob Rechtsvorschlag, worauf die Ehefrau das
Rechtsöffnungsbegehren stellte, das vom Gerichtspräsidenten am 14. Februar
1979 abgewiesen wurde. Dieser Entscheid wurde damit begründet, dass
der Ehemann während sechs Monaten Fr. 825.- zuviel an Alimenten bezahlt
habe, was er beim Unterhaltsbeitrag für den Dezember habe berücksichtigen
dürfen. Ferner habe er die zuviel oder zu Unrecht bezahlten Prozesskosten
von Fr. 634.50 mit dem Unterhaltsbeitrag für den Januar verrechnen dürfen,
da das Verrechnungsverbot für Alimente hier nicht gelte. Die Ehefrau
wurde zur Bezahlung der Gerichtskosten und einer Prozessentschädigung
von Fr. 200.- an den Ehemann verurteilt.

    B.- Am 22. Februar 1979 leitete B. gegen seine Ehefrau für die
Prozessentschädigung von Fr. 200.- Betreibung ein. Gegen die Zustellung des
Zahlungsbefehls reichte Frau B. bei der Aufsichtsbehörde in Betreibungs-
und Konkurssachen für den Kanton Bern Beschwerde ein mit dem Antrag, die
angehobene Betreibung als nichtig aufzuheben. Zur Begründung brachte
sie vor, es handle sich bei der der Betreibung zugrunde liegenden
Forderung um eine gewöhnliche Prozesskostenentschädigung, für die das
Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten gelte.

    Die kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde mit Entscheid vom
3. April 1979 ab.

    C.- Frau B. führt gegen den Entscheid der kantonalen Aufsichtsbehörde
Rekurs an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts
und beantragt, die Betreibung sei als nichtig aufzuheben.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 173 ZGB ist die Zwangsvollstreckung unter Ehegatten
grundsätzlich verboten. Art. 176 Abs. 2 ZGB erlaubt hingegen die Betreibung
für Beiträge, die dem einen Ehegatten gegenüber dem andern durch den
Richter auferlegt worden sind. Darunter fallen Unterhaltsbeiträge, und zwar
nach der Rechtsprechung auch solche, die auf einer vom Eheschutzrichter
genehmigten Vereinbarung über die Aufhebung des gemeinsamen Haushalts
beruhen (BGE 96 III 57 ff.). Nach ständiger Rechtsprechung ist Art. 176
Abs. 2 ZGB auch auf Prozessentschädigungen anwendbar, die im Streit um
Unterhaltsbeiträge entstanden sind (BGE 84 III 4, 83 III 89, 82 III 1
und 63 III 45; LEMP, N. 9 zu Art. 176 Abs. 2 ZGB). Das Bundesgericht
hatte bisher nur die Frage zu beurteilen, ob Prozessentschädigungen, die
dem unterhaltsberechtigten Ehegatten im Streit um Alimente zugesprochen
wurden, auch von Art. 176 Abs. 2 ZGB erfasst werden. Es führte in diesem
Zusammenhang aus, dass die Prozessentschädigung in solchen Fällen
als eine die Unterhaltsbeiträge ergänzende Nebenleistung aufzufassen
sei, weil das betreffende Verfahren zur Erwirkung eines vollstreckbaren
Unterhaltsanspruchs notwendig geworden sei. Es solle vermieden werden, dass
der unterhaltsberechtigte Ehegatte den ihm hierbei erwachsenen (und nicht
durch Vorschuss des andern Gatten gedeckten) Prozessaufwand aus den ihm für
anderen Bedarf zugesprochenen Beiträge decken müsse. Dagegen erscheine es
als unzulässig, zu den "Beiträgen" des Art. 176 Abs. 2 ZGB auch solche
Prozessentschädigungen zu rechnen, die nicht mit der Zuerkennung von
Unterhaltsansprüchen zusammenhängen, da unter Beiträgen im Sinne dieser
Bestimmung nur Unterhaltsbeihilfen zu verstehen seien (BGE 83 III 90 ff.).

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall ist der pflichtige Ehegatte vom
berechtigten für nicht geschuldete Unterhaltsbeiträge gerichtlich
belangt worden, weshalb ihm im Rechtsöffnungsverfahren vom Richter
eine Prozessentschädigung zugesprochen worden ist. Die Rekurrentin
vertritt nun die Auffassung, mit der dargelegten Rechtsprechung habe
das Bundesgericht das Zwangsvollstreckungsverbot ausdrücklich nur für den
unterhaltsberechtigten Ehegatten aufgehoben. Der unterhaltspflichtige Gatte
könne sich demnach für eine Prozessentschädigung nicht auf Art. 176 Abs. 2
ZGB berufen. Dieser Schluss kann jedoch aus der angeführten Rechtsprechung
nicht gezogen werden. Das Bundesgericht hatte nämlich bisher die Frage,
ob der pflichtige Ehegatte eine Prozessentschädigung im Zusammenhang
mit Unterhaltsbeiträgen vom unterhaltsberechtigten Ehegatten auf dem
Betreibungsweg einfordern könne, gar nicht zu entscheiden und hat sich
dazu auch nicht geäussert.

    Entgegen der Auffassung der Rekurrentin besteht kein stichhaltiger
Grund, die von der Praxis gestützt auf Art. 176 Abs. 2 ZGB
vorgenommene Ausnahme vom Zwangsvollstreckungsverbot nicht auch auf
den unterhaltspflichtigen Ehegatten auszudehnen. Wie der Rekursgegner
zutreffend festhält, macht auch das Gesetz in dieser Hinsicht keinen
Unterschied, indem in Art. 176 Abs. 2 ZGB einfach von Ehegatten die Rede
ist. Zwar ist richtig, dass diese Ausnahmebestimmung sich in erster
Linie zugunsten des Alimentengläubigers auswirkt, aber daraus auf die
Unzulässigkeit einer Betreibung für die dem Alimentenschuldner richterlich
zugesprochene Prozessentschädigung zu schliessen, geht zu weit. Hat
die bisherige Praxis das Zwangsvollstreckungsverbot unter Ehegatten für
Prozessentschädigungen, die dem unterhaltsberechtigten Gatten im Streit
um Alimente zugesprochen wurden, aufgehoben, so verlangt vielmehr die
Rechtsgleichheit, dass auch der unterhaltsbelastete Ehegatte für die ihm
in einem solchen Streit zugesprochene Entschädigung Betreibung einleiten
kann, sofern sich der andere Gatte weigert, diese zu bezahlen. Auch für
ihn gilt, dass diese Prozessentschädigung aus einem Verfahren stammt,
in dem Unterhaltsbeiträge streitig waren. Im vorliegenden Fall handelt
es sich um ein Rechtsöffnungsverfahren, in dem die Rekurrentin ihr
nicht geschuldete Beiträge verlangt hatte. Die Entschädigungsfolge
ist somit auch hier eine unmittelbare Nebenwirkung des Urteils über
die Unterhaltsbeiträge selbst. Ein Zwangsvollstreckungsverbot für diese
Prozessentschädigung wäre damit offensichtlich unbillig. Zudem bleibt auch
dem unterhaltspflichtigen Ehegatten nach Abzug der geschuldeten Alimente
oft nur noch das Existenzminimum, so dass auch ihm nicht zuzumuten
ist, bis zur Auflösung der Ehe auf die Prozessentschädigung warten zu
müssen. Es kann demnach entgegen der Auffassung der Rekurrentin nicht
gesagt werden, der unterhaltspflichtige Gatte erleide in seinem eigenen
Unterhalt keinerlei Einbusse, wenn er die Prozesskostenforderung erst im
Zeitpunkt der güterrechtlichen Auseinandersetzung geltend machen könne.

    Es rechtfertigt sich daher eine Klarstellung der Rechtsprechung zu
Art. 176 Abs. 2 ZGB in dem Sinne, dass Prozessentschädigungen auch dann
vom Betreibungsverbot ausgenommen sind, wenn sie dem unterhaltspflichtigen
Ehegatten im Streit um Alimente zugesprochen worden sind.

Entscheid:

    Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird abgewiesen.