Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 III 85



105 III 85

20. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 10. Juli 1979 i.S. G. AG (Rekurs) Regeste

    Retentionsrecht des Vermieters; Art. 283 Abs. 2 SchKG.

    Zur Erhaltung des Retentionsbeschlags für den laufenden Mietzins
genügt es, wenn innert 10 Tagen nach Verfall der letzten Zinsrate der
Mietzinsperiode, für welche die Retention erfolgte, Betreibung angehoben
wird. Dies gilt auch dann, wenn die einzelnen laufenden Zinsraten
gesondert in Betreibung gesetzt werden und dabei die Frist von 10 Tagen
seit Fälligkeit der einzelnen Rate nicht eingehalten wird.

Sachverhalt

    A.- Die G. AG ist Eigentümerin des Einfamilienhauses

    Cholgadenstrasse 5 in Niederteufen, das sie zu einem monatlichen
Mietzins von Fr. 1'540.- an Marie-Louise F. vermietet hat. Am 22. Dezember
1978 erwirkte sie die Aufnahme einer Retentionsurkunde für den laufenden
Mietzins vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1979 im Betrag von Fr. 9'240.-
sowie für die Unterhaltspflicht am Garten im Schätzungsbetrag von
Fr. 5'000.- (Retention Nr. 8/1978). Am 18. Januar 1979 setzte sie
den Januarzins in Betreibung. Das Betreibungsamt Teufen hielt die
Retention mangels rechtzeitiger Prosequierung zwar für erloschen,
stellte am 30. Januar 1979 aber dennoch einen Zahlungsbefehl für eine
Retentionsbetreibung aus (Betreibung Nr. 3010). Dem am 22. Februar 1979
für den Februarzins gestellten Betreibungsbegehren gab es jedoch mit
Verfügung vom 26. Februar 1979 keine Folge.

    B.- Mit Beschwerde an das Obergericht von Appenzell A. Rh. als
Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und Konkurs beantragte die
Vermieterin, die Verfügung des Betreibungsamtes sei als nichtig zu erklären
und der in den Retentionsurkunden festgehaltenen Retentionsbeschlag sei
aufrechtzuerhalten. Mit Entscheid vom 24. April 1979 wies das Obergericht
die Beschwerde ab. Es erklärte die Betreibung Nr. 3010 als nichtig, räumte
der Vermieterin aber ein, sie könne verlangen, dass der Zahlungsbefehl für
diese Forderung ohne neue Kosten im ordentlichen Verfahren auf Pfändung
oder Konkurs ausgestellt werde.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die G. AG, der Entscheid des
Obergerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass die in der
Retentionsurkunde Nr. 8/1978 aufgenommenen Gegenständen nach wie vor
mit Retention belegt seien.

    Das Bundesgericht heisst den Rekurs gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Wird gegenüber einem säumigen Mieter eine Retentionsurkunde
aufgenommen, so setzt das Betreibungsamt dem Vermieter nach Art. 283
Abs. 3 SchKG eine Frist zur Anhebung der Betreibung auf Pfandverwertung
an. Nach dem auch im vorliegenden Fall verwendeten Formular Nr. 40 ist
die Betreibung für die verfallenen Mietzinsforderungen innert 10 Tagen
seit der Zustellung der Retentionsurkunde, für die laufenden Forderungen
innert 10 Tagen nach ihrer Fälligkeit anzuheben. Wird diese Frist nicht
eingehalten, so erlischt die Wirkung der Retentionsurkunde.

    Die Rekurrentin hat für die Monate Januar und Februar 1979 gesondert
Betreibung angehoben, und zwar für den Januarzins am 18. Januar und für
den Februarzins am 22. Februar. Damit hat sie die Frist von 10 Tagen
seit Fälligkeit der jeweiligen Mietzinsforderungen unbestrittenermassen
überschritten, so dass nach dem Wortlaut der Fristansetzung an sich
die Wirkung der Retentionsurkunde dahingefallen wäre. Indessen hat das
Bundesgericht in BGE 66 III 11/12 E. 3 festgehalten, es ginge zu weit,
bei jedem Ratenverfall eine neue Betreibung zu verlangen, zumal es
Mietverhältnisse mit wöchentlicher Mietzinsfälligkeit gebe; zwar sei es
zulässig, nach jedem Ratenverfall zu betreiben, doch müsse es zur Erhaltung
des Retentionsbeschlages für den laufenden Mietzins genügen, wenn innert
10 Tagen nach Verfall der letzten Zinsrate der Mietperiode, für welche die
Retention erfolgt sei, Betreibung angehoben werde. An dieser Rechtsprechung
ist festzuhalten. Geht man aber davon aus, so konnte die Rekurrentin
mit der Prosequierung der Retention Nr. 8/1978 bis zum 10. Juni 1979,
d.h. 10 Tage nach Verfall der letzten Zinsrate der laufenden Mietperiode,
zuwarten, ohne dass der Retentionsbeschlag dahinfiel. Indem sie die
einzelnen Monatszinsraten gesondert in Betreibung setzte, änderte sich an
der Wirkung der auf jeden Fall bis zum 10. Juni 1979 in Kraft bleibenden
Retentionsurkunde nichts, ungeachtet dessen, dass die Frist von 10 Tagen
seit Fälligkeit der einzelnen laufenden Zinsraten nicht eingehalten war.

    Würde man anders entscheiden und demgemäss den Retentionsbeschlag
für die im Januar und Februar 1979 fällig gewordenen Zinsraten als
dahingefallen erklären, so wäre damit für den Mietzinsschuldner nicht
viel gewonnen. Dieser könnte zwar vom Betreibungsamt die Ausscheidung
von Gegenständen aus der Retentionsurkunde verlangen, soweit nunmehr
eine Überdeckung bestünde. Doch wäre es dem Vermieter unbenommen,
unverzüglich die Aufnahme einer neuen Retentionsurkunde zu verlangen und
damit den alten Zustand wiederherzustellen, da sein Retentionsrecht für die
inzwischen verfallenen Mietzinsraten materiell weiterhin besteht. Dieses
Vorgehen würde nur unnötige Kosten und Umtriebe verursachen. Entgegen der
Ansicht, die das Obergericht in seiner Vernehmlassung vertritt, dürften die
Betreibungsbeamten kaum überfordert sein, wenn der Retentionsbeschlag in
einem Fall wie dem vorliegenden aufrechterhalten bleibt. Die Kontrolle, ob
eine Retention rechtzeitig prosequiert worden sei, ist für sie im Gegenteil
einfacher, wenn sie davon ausgehen können, dass der Retentionsbeschlag
auf jeden Fall bis 10 Tage nach Verfall der letzten Zinsrate der laufenden
Mietperiode in Kraft bleibt, unabhängig davon, ob die einzelnen Monatszinse
rechtzeitig in Betreibung gesetzt wurden oder nicht. Dass diese Lösung
zu einem Nebeneinander mehrerer Betreibungen für identische Forderungen
führen würde, trifft nicht zu. Hingegen lässt sich nicht vermeiden, dass
die gleiche Retention durch mehrere Betreibungen prosequiert werden
kann. Das ist jedoch auch dann der Fall, wenn man annehmen wollte,
jede einzelne Monatsrate müsse innert 10 Tagen seit ihrer Fälligkeit in
Betreibung gesetzt werden. Der Rekurs ist daher gutzuheissen.