Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 III 18



105 III 18

4. Auszug aus dem Entscheid der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
vom 23. März 1979 i.S. Dr. M. (Rekurs) Regeste

    Arrestvollzug.

    Ein rechtsmissbräuchlich erwirkter Arrest darf vom Betreibungsamt
nicht vollzogen werden.

Sachverhalt

    A.- Zwischen der X. AG, Gonten, und dem in Kempten im Allgäu
wohnhaften Dr. M. ist vor deutschen Gerichten ein Streit anhängig. Am 28.
September 1978 teilten die deutschen Anwälte der X. AG dieser mit, Dr. M.
beabsichtige, sie voraussichtlich am 9./10. Oktober 1978 zum Zwecke von
Vergleichsgesprächen in Gonten aufzusuchen. Hierauf ersuchte die X. AG den
Bezirksgerichtspräsidenten von Appenzell um Erlass eines Arrestbefehls
im Betrag von Fr. 38'525.- nebst Zinsen über sämtliche Vermögenswerte,
insbesondere das Motorfahrzeug, Bargeld, Checks und Wertgegenstände,
die Dr. M. mit sich führe, wenn er zu den Vergleichsgesprächen in
Gonten erscheine. Der Bezirksgerichtspräsident gab diesem Gesuch am
9. Oktober 1978 statt. Da Dr. M. jedoch nicht erschien, wurde der
Arrestbefehl am 31. Oktober 1978 als hinfällig erklärt. Am 28. November
1978 teilte die X. AG der Gerichtskanzlei mit, Dr. M. werde sich heute
oder in den nächsten Tagen bei ihr zu Vergleichsgesprächen einfinden und
sie erneuere ihr Arrestbegehren. Der Bezirksgerichtspräsident erliess
wiederum einen Arrestbefehl, der noch am gleichen Tag vom Betreibungsamt
Appenzell vollzogen wurde. Dabei wurden der Dr. M. gehörende Personenwagen
Daimler-Benz 350 SL, Jahrgang 1971, im Schätzungswert von Fr. 14'000.-
sowie 12 vom Betreibungsamt als wertlos bezeichnete Bargeldchecks mit
Arrest belegt.

    B.- Gegen den Arrestvollzug führte der Arrestschuldner beim
Kantonsgericht Appenzell I.-Rh. als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und Konkurs Beschwerde. Er machte unter anderem geltend, das Vorgehen
der Gläubigerin, die ihn unter Hinweis auf Vergleichsverhandlungen nach
Appenzell gelockt habe, sei rechtsmissbräuchlich. Mit Entscheid vom
10. Januar 1979 wies das Kantonsgericht die Beschwerde ab, soweit es
darauf eintrat.

    C.- Mit dem vorliegenden Rekurs an die Schuldbetreibungs- und
Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt Dr. M., der Entscheid des
Kantonsgerichts sei aufzuheben und der Personenwagen Daimler-Benz aus
dem Arrestbeschlag zu entlassen.

    Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer heisst den Rekurs gut und
erklärt den Arrestvollzug als gültig (recte: ungültig).

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Hingegen darf der Arrest deswegen nicht vollzogen werden, weil er
rechtsmissbräuchlich erwirkt worden ist. Gleichgültig, ob der Rekurrent
aus eigenem Antrieb nach Appenzell zu Vergleichsgesprächen kam oder auf
Aufforderung durch seinen Geschäftspartner hin, widerspricht es jeglichem
Vertrauen im Geschäftsverkehr, wenn bei Ankunft des Rekurrenten dessen
ganzes Vermögen, das er mit sich führt, mit Arrest belegt wird. Das
Vorgehen der Gläubigerin, die wusste, dass Vergleichsverhandlungen
bevorstanden, mit denen der laufende Prozess vielleicht hätte beendigt
werden können, ist hinterhältig und stellt eine krasse Verletzung des
Grundsatzes von Treu und Glauben dar. Ein solches Vorgehen verdient keinen
Rechtsschutz (Art. 2 ZGB; dazu etwa BGE 94 I 374, 94 III 82/83, 85 III 29).