Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IB 382



105 Ib 382

56. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
1. Juni 1979 i.S. K. gegen Wehrsteuerrekurskommission des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Art. 105 Abs. 2 OG (wesentliche Verfahrensbestimmung).

    Die Rechtsmittelinstanz ist verpflichtet, dem Beschwerdeführer
Gelegenheit zum Beweis zu geben, sofern sie ihre Entscheidung auf
umstrittene Tatsachen stützen will, die vor der Vorinstanz noch keine
Rolle gespielt haben. Dieser Grundsatz ergibt sich aus dem Anspruch
auf rechtliches Gehör und gilt als wesentliche Verfahrensbestimmung im
Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG, bei deren Verletzung das Bundesgericht die
Feststellung des Sachverhaltes frei überprüfen kann.

Sachverhalt

    A.- K., ein Inhaber einer Taxiunternehmung, machte geltend, der von
ihm im kantonalen Steuerveranlagungsverfahren angegebene Vermögenszuwachs
von rund Fr. 440'000.- sei im Umfang von Fr. 310'500.- auf ein Geschäft
mit einem Gemälde zurückzuführen. Er habe dieses Gemälde für Fr. 6500.-
gekauft und dreiviertel Jahre später für Fr. 317'000.- wieder verkauft. Die
Veranlagungsbehörde war der Auffassung, die Erzielung dieses Gewinnes stehe
in einem engen Zusammenhang mit einem von K. gewerbsmässig betriebenen
(nach den Angaben von K. aber wieder aufgegebenen) Münzenhandel; darum
müsse auch der Gewinn aus dem Geschäft mit dem Gemälde als gewerbsmässig
erzieltes Einkommen betrachtet und dementsprechend besteuert werden. Die
Wehrsteuerrekurskommission des Kantons Zürich, an die K. die Sache
weitergezogen hatte, ging ihrerseits davon aus, dass das Geschäft mit
dem Gemälde frei erfunden sei und dass der Vermögenszuwachs darum aus
anderen Quellen geflossen sein müsse. Da bei dieser Betrachtungsweise nicht
bewiesen war, dass der an sich unbestrittene Vermögenszuwachs auf einen
nicht steuerbaren Kapitalgewinn zurückging, rechnete die Rekurskommission
diesen Betrag zum steuerbaren Einkommen. Das Bundesgericht weist eine
gegen diesen Entscheid erhobene Beschwerde ab. Es überprüft aus dem
in E. 1 dargelegten Grund den von der Rekurskommission festgestellten
Sachverhalt frei.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ist das
Bundesgericht grundsätzlich an den von der Vorinstanz festgestellten
Sachverhalt gebunden, wenn diese Instanz ein Gericht oder eine
Rekurskommission ist. Dies gilt dann nicht, wenn der Sachverhalt
offensichtlich unrichtig oder unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensbestimmungen ermittelt worden ist (Art. 105
Abs. 2 OG).

    Das angefochtene Urteil ist von einer Rekurskommission gefällt
worden. Das Bundesgericht hat somit vom Sachverhalt auszugehen, wie
er im angefochtenen Entscheid dargestellt worden war, es sei denn, die
Sachverhaltsfeststellung leide unter einem Mangel, der in der zitierten
Bestimmung genannt ist.

    b) Zu den wesentlichen Verfahrensbestimmungen, auf die Art. 105 Abs. 2
OG Bezug nimmt und deren Verletzung eine freie Überprüfung des Sachverhalts
durch das Bundesgericht nach sich ziehen kann, zählt die Gewährung des
rechtlichen Gehörs. Dieser Grundsatz wird verletzt, wenn die urteilende
Behörde, ohne dem Beschwerdeführer Gelegenheit zum Beweis zu geben,
ihre Entscheidung auf Tatsachen stützt, über die vor der Vorinstanz
nicht Beweis geführt worden war, weil sie für deren Entscheidung nicht
von Bedeutung waren.

    Im vorliegend zu entscheidenden Fall war der Steuerkommissär bei seiner
Einschätzung davon ausgegangen, der streitige Verkauf des Gemäldes habe
tatsächlich stattgefunden, und K. habe dabei den von ihm behaupteten Gewinn
erzielt. Davon ging auch der Einspracheentscheid der Steuerkommission aus.
Steuerkommissär und Steuerkommission vertraten aber die Meinung, es habe
sich dabei um einen gewerbsmässig erzielten Gewinn gehandelt, da K. in
der fraglichen Zeit mit verschiedenen Objekten gehandelt habe.

    Mit seiner Beschwerde focht K. diese Betrachtungsweise an. Irgendwelche
Beweisanträge zur Abklärung des Kaufs und Verkaufs des Gemäldes hatte
er nicht zu stellen, da diese nicht streitig waren. Freilich machte
der Steuerkommissär in seiner Vernehmlassung an die Rekurskommission
geltend, das Geschäft mit dem Gemälde sei frei erfunden. Der von
K. deklarierte Gewinn müsse daher aus einer anderen Quelle geflossen
sein. Diese Vernehmlassung wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnisnahme
zugestellt. Dieser musste aber nicht voraussehen, dass die Rekurskommission
den Kauf und Verkauf des Gemäldes ebenfalls als nicht bewiesen betrachten
würde. Der Beschwerdeführer hatte deshalb keinen Anlass, im Verfahren
vor der Rekurskommission Beweismittel zu nennen, die geeignet waren,
den Inhalt seiner Darstellung zu bestätigen. Die Rekurskommission
machte den Beschwerdeführer auch nicht darauf aufmerksam, dass sie seine
Darstellung bezweifelte und dass deren Richtigkeit durch Beweismittel
belegt werden müsste. Durch diese Unterlassung hat die Rekurskommission
den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Dies führt dazu, dass das
Bundesgericht gemäss Art. 105 Abs. 2 OG nicht an den im angefochtenen
Entscheid festgestellten Sachverhalt gebunden ist, sondern diesen frei
und aufgrund eigener Beweismassnahmen überprüfen kann, sofern es nicht
vorzieht, den Fall an die Vorinstanz zurückzuweisen.