Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IB 221



105 Ib 221

35. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 12. Juni 1979 i.S. Styger-Iten c. Heinrich, Gemeinde
Unterägeri, Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Zug
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Prozessvoraussetzung.

    Beruht ein kantonaler Entscheid auf zwei selbständigen Begründungen,
von denen die eine der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unterliegt und die
andere im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren überprüft werden kann, so
müssen beide Begründungen in geeigneter Form angefochten werden. Versäumt
der Beschwerdeführer dies, indem er nur die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
ergreift, so kann das Bundesgericht auf das eingelegte Rechtsmittel
nicht eintreten.

Sachverhalt

    A.- Franz Styger-Iten beabsichtigte, einen Pferdestall mit
Angestelltenwohnung auf einem Grundstück zu errichten, das gemäss
Zonenplan der Gemeinde Unterägeri im "übrigen Gemeindegebiet" liegt,
gemäss dem Zonenplan für den Ägerisee aus dem Jahre 1946 in einer Zone
mit Baubeschränkung sowie im provisorischen Schutzgebiet gemäss dem
Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung
(BMR). Die Baudirektion, des Kantons Zug, der das Baugesuch Stygers zum
Entscheid zugewiesen wurde, wies es ab, worauf Styger Beschwerde einlegte,
die vom Regierungsrat gutgeheissen wurde. Nachdem überarbeitete Pläne
eingereicht worden waren, stellte der Regierungsrat mit Beschluss vom
6. September 1977 fest, dass der Erteilung der Baubewilligung aufgrund
der einschlägigen Bau- und Gewässerschutzgesetzgebung grundsätzlich nichts
entgegen stehe und die Bewilligung im Hinblick auf die kantonale Verordnung
über Natur- und Heimatschutz unter bestimmten Auflagen und Bedingungen
erteilt werden könne. Der Einwohnerrat von Unterägeri erteilte hierauf
am 14. September 1977 unter Vorbehalt der privatrechtlichen Einsprachen
die Baubewilligung.

    Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 5. Oktober 1977 focht Robert
Heinrich den Beschluss des Regierungsrates vom 6. September 1977 beim
Verwaltungsgericht des Kantons Zug an. Gleichzeitig legte er gegen die
Baubewilligung der Gemeinde Unterägeri beim Regierungsrat Beschwerde ein;
diese wurde mit seiner Zustimmung dem Verwaltungsgericht zum Entscheid
überwiesen. Mit Urteil vom 6. Juli 1978 hiess das Verwaltungsgericht
beide Beschwerden gut. Es verneinte ein sachlich begründetes Bedürfnis
nach der Errichtung des geplanten Gebäudes ausserhalb der Bauzone und
führte aus, die Baubewilligung verletze das Gewässerschutzgesetz (GSchG),
das kantonale Baugesetz und den Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen
auf den Gebiete der Raumplanung. Der Entscheid des Regierungsrates vom
6. September 1977 und derjenige des Einwohnerrates Unterägeri vom 14.
September 1977 wurden deshalb aufgehoben.

    Styger ergriff gegen dieses Urteil Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesgericht tritt darauf nicht ein aus folgender

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 2

    2.- a) Heinrich behauptete im kantonalen Verfahren, die Baubewilligung
müsse sowohl aufgrund von Bundesrecht (GSchG und BMR) als auch aufgrund
von kantonalem Recht verweigert werden. Das Verwaltungsgericht hielt
ihn als Nachbarn befugt, sich über die Erteilung der Bewilligung wegen
Verletzung sowohl des eidgenössischen wie auch des kantonalen Rechtes
zu beschweren, und kam in der Sache selbst zum Schluss, das Bauprojekt
widerspreche einerseits dem Bundesrecht und halte auf der andern Seite
auch vor dem kantonalen Recht nicht stand. Das angefochtene Urteil beruht
somit auf einer doppelten Begründung.

    Soweit das Urteil des Verwaltungsgerichts in Anwendung
von Verwaltungsrecht des Bundes erging, kann dagegen an sich die
eidgenössische Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergriffen werden, und dieses
Rechtsmittel hat der Beschwerdeführer denn auch eingelegt. Soweit sich das
angefochtene Urteil materiell auf das Baugesetz des Kantons Zug stützt,
ist es nur auf dem Wege der staatsrechtlichen Beschwerde wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte anfechtbar. Dieser Rechtsbehelf kann nach der
Rechtsprechung mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde in einer Rechtsschrift
verbunden werden (BGE 100 Ia 280 lit. b). Der Beschwerdeführer hätte
demnach keine gesonderte staatsrechtliche Beschwerde einreichen müssen,
sondern die hinsichtlich der Anwendung des kantonalen Rechtes zu erhebenden
Verfassungsrügen zusammen mit den Beanstandungen vorbringen können,
die im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde möglich sind.

    b) Der Beschwerdeführer behauptet nicht, das Verwaltungsgericht habe
seine verfassungsmässigen Rechte missachtet, indem es Heinrich zur Rüge
zuliess, die Baubewilligung verletze kantonales Recht. Er bringt auch
nicht vor, es verstosse gegen die Verfassung, dass das Verwaltungsgericht
angenommen habe, das Bauprojekt widerspreche dem kantonalen Baugesetz. Das
Bundesgericht kann die Begründung des angefochtenen Entscheides in
dieser Beziehung daher nicht überprüfen. Das hat zur Folge, dass der
Beschwerdeführer auch mit seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts
erreichen kann. Selbst wenn seine in diesem Rahmen vorgebrachten
Rügen begründet wären und die Baubewilligung weder gegen das GSchG
noch den BMR verstiesse, könnte das Bundesgericht das Urteil des Zuger
Verwaltungsgerichts nicht aufheben; denn dessen Entscheid ruht nach wie
vor auf der Begründung, die Baubewilligung könne nicht erteilt werden, weil
das Bauvorhaben dem kantonalen Recht nicht entspreche, und diese Begründung
ist nicht, zumindest nicht in einer Art. 90 OG entsprechenden Weise mit der
Behauptung angefochten worden, sie verletze verfassungsmässige Rechte. Bei
der gegebenen Rechtslage hätte der Beschwerdeführer dies aber tun müssen,
damit seine Beschwerde den Erfolg erzielen könnte, den er anstrebt.

    c) Beruht ein mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbarer Entscheid
auf mehreren, voneinander unabhängigen Begründungen, so muss sich die
Beschwerde mit jeder von ihnen auseinandersetzen und dartun, dass der
Entscheid nach jeder dieser Begründung verfassungswidrig ist. Tut sie dies
nicht, ist die Beschwerdeschrift nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit
des Entscheides darzulegen und erfüllt damit die Voraussetzung einer
hinreichenden Begründung im Sinne von Art. 90 OG nicht. Aus diesem
Grunde tritt das Bundesgericht in solchen Fällen auf die Beschwerde
nicht ein (BGE 87 I 375; 104 Ia 392 E. 6a; MARTI, Die staatsrechtliche
Beschwerde, 4. Auflage, S. 139). Diese Überlegung muss auch hier gelten,
wo der kantonale Entscheid sich auf eine Begründung stützt, die mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten ist und auf eine zweite, deren
Überprüfung im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren verlangt werden
kann. Setzt sich der Beschwerdeführer nicht mit beiden Begründungen in der
erforderlichen Form auseinander, so sind seine Vorbringen nicht geeignet,
eine Rechtswidrigkeit darzutun, die zur Aufhebung (oder Abänderung)
des kantonalen Entscheides durch das Bundesgericht führen kann. Auch in
diesem Fall muss somit der Grundsatz gelten, dass das Bundesgericht nicht
auf die Beschwerde eintreten kann, die sich nur gegen eine von mehreren
unabhängigen Begründungen des angefochtenen Entscheides richtet, während
der Beschwerdeführer eine andere eigenständige Begründung unangefochten
lässt. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann demnach nicht anhand
genommen werden.