Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IB 205



105 Ib 205

32. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 18. Oktober 1979 i.S. B. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich
(Verwaltungsgerichtsbeschwerde) Regeste

    Entzug des Führerausweises wegen deliktischen Missbrauchs des
Motorfahrzeugs (Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG).

    1. Der Begriff des Verbrechens gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG
richtet sich nach StGB (E. 1).

    2. Notwendiger Zusammenhang zwischen der Verwendung des Motorfahrzeugs
und der Begehung des Delikts (hier bejaht für einen Benzindiebstahl)
(E. 1).

    3. Berücksichtigung der besonderen Nähe des Entzugstatbestands zur
strafrechtlichen Sanktion bei der Bemessung der Entzugsdauer (E. 2).

Sachverhalt

    A.- B. tankte vom November 1977 bis 16. Mai 1978 bei einer
Selbstbedienungstankstelle widerrechtlich zu Lasten seines
ehemaligen Arbeitgebers Benzin. Die insgesamt bezogenen 262,3 Liter
Super-Benzin ergaben einen Deliktsbetrag von Fr. 235,60. Im polizeilichen
Ermittlungsverfahren wurde festgestellt, dass B. anlässlich seiner früheren
Tätigkeit als Chauffeur bei der geschädigten Firma den damals vermeintlich
verlorenen Tankstellenschlüssel nach Wiederauffinden der Berechtigten
nicht zurückgegeben hatte. Die Polizeidirektion des Kantons Zürich warf
B. Verwendung eines Motorfahrzeugs zu deliktischen Zwecken vor und entzog
ihm den Führerausweis auf die Dauer von sechs Monaten. Im Verfahren vor
dem Regierungsrat beantragten sowohl B. als auch die Polizeidirektion
die Gutheissung der Beschwerde; B. erachtete eine Entzugsdauer von
einem Monat, die Polizeidirektion eine solche von vier Monaten für
angemessen. Der Regierungsrat hiess die Beschwerde teilweise gut und
verfügte eine Herabsetzung der Entzugsdauer auf drei Monate. Hiegegen
erhebt B. Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verlangt die Herabsetzung der
Entzugsdauer auf einen Monat. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG muss der Führerausweis
entzogen werden, wenn der Führer "ein Motorfahrzeug zur Begehung eines
Verbrechens oder mehrmals zu vorsätzlichen Vergehen verwendet hat". Es
ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer wiederholt rechtswidrig
zulasten seines früheren Arbeitgebers getankt und damit den Tatbestand
des Diebstahls erfüllt hat. Er wurde deswegen von der Bezirksanwaltschaft
Bülach wegen fortgesetzten Diebstahls mit 24 Tagen Gefängnis bedingt
bestraft (Strafbefehl vom 31. Oktober 1978).

    Der Beschwerdeführer hat das Benzin mit seinem Personenwagen
getankt. Es kann nicht fraglich sein und wird auch nicht bestritten, dass
er im Sinn von Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG zur Begehung des Diebstahls ein
Motorfahrzeug verwendet hat. Der notwendige Zusammenhang zwischen der
Verwendung des Motorfahrzeugs und der Begehung des Benzindiebstahls ist
offensichtlich gegeben (vgl. zu diesem Zusammenhang das Kreisschreiben
der Eidg. Polizeiabteilung an die zuständigen kantonalen Behörden und
Beschwerdeinstanzen vom 21. Juli 1975, VPB 39/1975 Nr. 126 S. 65).

    Der Diebstahl ist eine mit Zuchthaus bedrohte strafbare Handlung und
stellt damit im Sinn des StGB (Art. 9 Abs. 1) ein Verbrechen dar. Nach
diesem Begriff kommt es nicht darauf an, ob im Einzelfall auf Zuchthaus
erkannt wird oder nicht. Auch ein Diebstahl, der wie im vorliegenden Fall
mit einer Gefängnisstrafe von 24 Tagen (unter bedingtem Strafvollzug)
bestraft wird und der innerhalb des für dieses Delikt gegebenen weiten
Strafrahmens eher als Bagatelldelikt erscheinen mag, ist im Sinn des StGB
ein Verbrechen. Es besteht ferner kein Zweifel, dass der Gesetzgeber
in Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG für den Begriff des Verbrechens auf die
Terminologie des StGB abstellte (vgl. Botschaft betreffend Änderung
des SVG vom 14. November 1973, BBl 1973 II, S. 1183; s. auch das
zit. Kreisschreiben der Eidg. Polizeiabteilung in VPB 39/1975 Nr. 126,
S. 65 f., wonach sich der Begriff des Verbrechens nach Art. 9 StGB
richte). Mit Rücksicht auf die einheitliche Handhabung des Entzugsgrunds
und die wirksame Verbrechensbekämpfung wurde überdies ausdrücklich ein
bloss fakultativer Entzug abgelehnt (Botschaft aaO; Berichterstatter Munz
im Ständerat, Amtl. Bull. 1974 S. 103). Für die Anordnung der Massnahme
an sich kann somit die relative Geringfügigkeit eines Verbrechens nicht
berücksichtigt werden; ein Entzug hat in jedem Fall zu erfolgen. Inwiefern
dem Gewicht des Delikts allenfalls im Rahmen der Entzugsdauer Rechnung
getragen werden kann, ist nachfolgend zu prüfen.

Erwägung 2

    2.- a) Für die Dauer eines gestützt auf Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG
anzuordnenden Entzugs kommen grundsätzlich die Regeln über die zeitlich
beschränkten Warnungsentzüge entsprechend zur Anwendung, wenn nicht
zusätzlich die besonderen Voraussetzungen eines Sicherungsentzugs gemäss
Art. 14 Abs. 2 lit. d und Art. 16 Abs. 1 SVG gegeben sind (BGE 104 Ib 98
E. 2), was hier nicht der Fall ist.

    Nach Art. 17 Abs. 1 SVG ist der Entzug auf eine bestimmte Dauer
festzusetzen, mindestens auf einen Monat (Art. 17 Abs. 1 lit. a SVG); die
Dauer bemisst sich nach den Umständen. Im übrigen ist ihre Bestimmung
Sache der kantonalen Behörde, die in dieser Beziehung über einen
Spielraum des Ermessens verfügt. Dabei sind bei einem Warnungsentzug
für die Bemessung der Dauer die Kriterien gemäss Art. 33 Abs. 2 VZV zu
berücksichtigen. Danach richtet sich die Dauer der Massnahme vor allem
nach der Schwere des Verschuldens, dem Leumund des Motorfahrzeugführers
sowie nach der beruflichen Notwendigkeit, ein Motorfahrzeug zu führen. Es
rechtfertigt sich, diese Kriterien auch auf den Entzugstatbestand des
Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG anzuwenden, wobei zu berücksichtigen ist,
dass der Entzug gemäss Art. 16 Abs. 3 lit. f SVG nicht in erster Linie
der Förderung der Verkehrssicherheit dient, sondern eine wirksamere
Verbrechensbekämpfung bezweckt (BGE 104 Ib 98 E. 2). Bei der Gewichtung
des Verschuldens ist daher der besonderen Nähe des Entzugstatbestands zur
strafrechtlichen Sanktion Rechnung zu tragen (vgl. BGE 104 Ib 99 E. 3). Es
ist dabei namentlich auch zu berücksichtigen, ob ein Straftatbestand
schwerwiegend verletzt wurde oder ob es sich eher um ein geringfügiges
Delikt handelt.

    b) Wie aus dem niedrigen Strafmass (24 Tage Gefängnis) folgt,
wiegen das Delikt und das Verschulden des Beschwerdeführers nicht sehr
schwer. Überdies ist der Beschwerdeführer als Berufschauffeur beruflich in
erheblichem Mass auf den Führerausweis angewiesen. Sein automobilistischer
Leumund scheint nicht besonders belastet zu sein. Man kann sich fragen,
ob es unter diesen Umständen nicht angezeigt gewesen wäre, die minimale
Entzugsdauer anzusetzen. Indes steht dem Bundesgericht eine eigentliche
Überprüfung der Angemessenheit der Massnahme nicht zu (Art. 104 lit. c
OG); es kann lediglich eingreifen, wenn die kantonale Behörde das ihr in
dieser Beziehung zustehende Ermessen überschritten oder missbraucht hat
(Art. 104 lit. a OG). Der Regierungsrat hat den ursprünglich auf sechs
Monate angeordneten Entzug mit Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse
des Beschwerdeführers und seine Massnahmeempfindlichkeit auf drei Monate
herabgesetzt. Angesichts des fortgesetzt begangenen Diebstahls lässt es
sich sachlich immerhin rechtfertigen, dass der Regierungsrat den Entzug
nicht auf die Minimaldauer herabgesetzt hat; jedenfalls liegt darin nicht
geradezu eine Überschreitung oder ein Missbrauch seines Ermessens. Der
angefochtene Entscheid verletzt daher hinsichtlich der Entzugsdauer
Bundesrecht nicht, weshalb die Beschwerde insofern abzuweisen ist.