Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 80



105 Ia 80

17. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
18. Mai 1979 i.S. Jenni und Theiler gegen Grosser Rat des Kantons Bern
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 85 lit. a OG; Finanzreferendum.

    1. Ob eine Ausgabe als neu oder als gebunden zu gelten hat, ist nur
von Bedeutung, wenn die Ausgabenbewilligungskompetenz nicht delegiert
worden ist (E. 4).

    2. Das bernische Strassenbaugesetz delegiert die
Ausgabenbewilligungskompetenz nicht an den Grossen Rat (E. 5a); eine solche
Delegationsnorm ist auch nicht gewohnheitsrechtlich entstanden (E. 5b).

    3. Begriff der neuen bzw. gebundenen Ausgabe in der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung (E. 6a) und im Kanton Bern (E. 6b); Abgrenzung im Bereich
des Strassenbaus und -unterhalts (E. 7a und b).

    4. Wann ist bei einer Abstimmungsvorlage über ein Strassenbauprogramm
die Einheit der Materie verletzt (E. 7c)?

Sachverhalt

    A.- In seiner Novembersession 1978 hatte der Grosse Rat des
Kantons Bern den Voranschlag für das Jahr 1979 zu genehmigen. Unter
anderem waren Ausgaben in der Höhe von 72 Millionen Franken für
Strassenbauten vorgesehen, darunter 35 Millionen für "Spezielle
Strassenstrecken". Grossrat Luzius Theiler stellte den Antrag, die beiden
Positionen seien der Volksabstimmung zu unterstellen. Der Antrag wurde am
14. November 1978 vom Grossen Rat abgelehnt. Am 21. November 1978 hatte
der Grosse Rat sodann über das Zweijahresprogramm für den Strassenbau zu
befinden, das die Grundlagen für die Budgetkredite enthielt. Der Grosse
Rat nahm das Programm an, ohne es der Volksabstimmung zu unterstellen. Mit
staatsrechtlicher Beschwerde verlangen Daniele Jenni und Luzius Theiler im
wesentlichen, dass die am 14. bzw. 21. November 1978 genehmigten Posten
von 37 und 35 Millionen Franken für den Strassenbau dem Referendum zu
unterstellen seien.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- Fraglich ist in erster Linie, ob der Genehmigungsbeschluss vom
21. November 1978 der Volksabstimmung zu unterstellen war, soweit der
Grosse Rat damit Kredite in der Höhe von 37 und 35 Millionen Franken
bewilligte und sie gleichzeitig dem Finanzreferendum entzog. Das
Finanzreferendum ist im Kanton Bern in den Art. 6 Ziff. 4 und 6ter der
Staatsverfassung vom 4. Juni 1893 (KV) geordnet. Nach Art. 6 Ziff. 4
unterliegen dem obligatorischen Referendum diejenigen Beschlüsse des
Grossen Rates, welche für den gleichen Gegenstand neue, nicht gebundene
Gesamtausgaben von mehr als 10 Millionen Franken zur Folge haben, und
gemäss Art. 6ter KV sind diejenigen Beschlüsse dem fakultativen Referendum
zu unterstellen, welche für den gleichen Gegenstand eine Gesamtausgabe
von mehr als 1 Million Franken zur Folge haben. Art. 6 Ziff. 4 KV sieht
das Referendum ausdrücklich nur für neue, nicht gebundene Ausgaben vor;
die gleiche Einschränkung gilt auch für Art. 6ter KV, ohne dass dies
dort ausdrücklich wiederholt werden muss (Vortrag der Finanzdirektion an
den Regierungsrat zuhanden des Grossen Rates vom September 1969, S. 6;
vgl. auch BGE 103 Ia 445 E. 1; 101 Ia 585 E. 2b). Die Kredite von 37
und 35 Millionen Franken sind demnach dem obligatorischen Referendum zu
unterstellen, wenn sie neue, nicht gebundene Ausgaben zur Folge haben.

    Ob eine Ausgabe als neu oder als gebunden zu gelten hat, ist indessen
nur dann massgebend, wenn die Ausgabenbewilligungskompetenz für den
betreffenden Aufgabenbereich nicht vom Volk an das Parlament oder an
die Regierung delegiert worden ist. Mit der Delegation überträgt der
Gesetzgeber die Kompetenz zur Bewilligung von ganz oder teilweise neuen
Ausgaben einem hiefür primär nicht zuständigen Organ (BGE 103 Ia 150
E. 5; 102 Ia 457 ff. E. 3b). Zunächst ist daher zu prüfen, ob das Volk
die Ausgabenbewilligungskompetenz für Strassenbauten rechtsgültig an
das Parlament delegiert hat. Nur für den Fall, dass im kantonalen Recht
keine genügende Delegationsnorm besteht, muss weiter geprüft werden, ob
die streitigen Ausgabenbeschlüsse neue oder gebundene Ausgaben zur Folge
haben. Bei Beschwerden betreffend die politische Stimmberechtigung und
betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen überprüft das Bundesgericht
nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht
frei, sondern auch die Auslegung anderer kantonaler Vorschriften, welche
den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem
Zusammenhang stehen. In ausgesprochenen Zweifelsfällen schliesst es sich
jedoch der von der obersten kantonalen Behörde vertretenen Auslegung an
(BGE 103 Ia 155 E. 2c; 560 E. 3b; 101 Ia 232 E. 1).

Erwägung 5

    5.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die Delegation
von Ausgabenbewilligungsbefugnissen vom Volk an das Parlament zulässig,
wenn sie nicht durch das kantonale Recht ausgeschlossen wird, wenn sie in
einem der Volksabstimmung unterliegenden Erlass erfolgt und wenn sie auf
ein bestimmtes Gebiet beschränkt ist. Das Institut des Finanzreferendums
darf zudem nicht durch eine Mehrzahl von Kompentenzdelegationen ausgehöhlt
werden (BGE 103 Ia 142; 102 Ia 461).

    a) Der Grosse Rat des Kantons Bern macht zumindest sinngemäss
geltend, Art. 33 Abs. 3 des bernischen Gesetzes über Bau und Unterhalt
der Strassen vom 2. Februar 1964 (SBG), wonach Strassenpläne für
die Neuanlage von Strassenzügen dem Grossen Rat, alle andern dem
Regierungsrat zur Genehmigung vorzulegen sind, enthalte neben der
Plangenehmigungskompetenz des Grossen bzw. Regierungsrates auch die
Delegation der Befugnis, die Ausgaben für die genehmigten Strassen zu
bewilligen. Wie das Bundesgericht in BGE 102 Ia 462 ausführte, ist es
aufgrund des Normwortlauts und der Systematik des Erlasses oftmals
schwierig zu ermitteln, Ob eine Norm nur eine staatliche Aufgabe
umschreibt und die sachliche Zuständigkeit der Behörden regelt, oder
ob sie eine eigentliche Delegation der Ausgabenbewilligungskompetenz
umfasst. Im Gegensatz zur einschlägigen Bestimmung in jenem Fall
(§ 16 der Schwyzer Strassenverordnung) und der in BGE 101 Ia 137 zu
beurteilenden Vorschrift (Art. 50 Abs. 5 des Schaffhauser Schulgesetzes)
ist aus dem Wortlaut von Art. 33 Abs. 3 SBG und aus der Systematik des
Gesetzes zu entnehmen, dass mit der Genehmigungsbefugnis nicht auch die
Ausgabenbewilligungskompetenz delegiert werden sollte. Art. 33 SBG regelt
ausschliesslich das Verfahren beim Erlass von Strassenplänen. Dessen
Abs. 1 bestimmt, dass die Strassenpläne in den beteiligten Gemeinden
öffentlich aufzulegen sind, Abs. 2 normiert das Einspracheverfahren
und Abs. 3 regelt, in welchen Fällen der Regierungsrat bzw. der Grosse
Rat zur Genehmigung der Pläne zuständig ist. Diese Bestimmung scheidet
daher lediglich die Plangenehmigungskompetenz des Regierungsrates und
des Grossen Rates aus und kann daher nicht als Delegationsnorm für die
Ausgabenbewilligungsbefugnis verstanden werden.

    Der Regierungsrat nimmt an, mit der Annahme des neuen
Strassenbaugesetzes im Jahre 1964 habe der Stimmbürger die damalige
Praxis des Regierungs- bzw. des Grossen Rates gebilligt, wonach Ausgaben
für den Strassenbau nie dem obligatorischen Referendum zu unterstellen
seien. Falls der Regierungsrat mit diesem Argument geltend machen will,
Art. 33 Abs. 3 SBG müsse zumindest seit 1964 als genügende Delegationsnorm
anerkannt werden, ist dem entgegenzuhalten, dass für eine solche Auslegung
die Nachweise fehlen. Es ist nicht dargetan und aus den Materialien auch
nicht ersichtlich, dass die Frage der Finanzierung des Strassenbaus und des
damit verknüpften Referendumsrechts bei der Annahme des Strassenbaugesetzes
eine Rolle gespielt hat, und dass der Gesetzgeber entgegen dem Wortlaut
und der Systematik des Gesetzes mit der Genehmigungskompetenz auch die
Ausgabenbewilligungskompetenz delegieren wollte.

    b) Es kann sich weiter die Frage stellen, ob die Delegation der
Ausgabenbewilligungskompetenz gewohnheitsrechtlich entstanden sei,
d.h. ob im Kanton Bern für den Strassenbau eine gewohnheitsrechtliche
Delegationsnorm auf Gesetzesstufe bestehe. An die Voraussetzungen
für die Entstehung von Gewohnheitsrecht werden im öffentlichen Recht
indessen strenge Anforderungen gestellt (BGE 103 Ia 379; 96 I 228 E. 6c;
89 I 270). Nach der Lehre und Rechtsprechung setzt die Entstehung von
Gewohnheitsrecht nicht nur eine lange, ununterbrochene Dauer der Übung
voraus, sondern zudem die der Übung zugrundeliegende Rechtsüberzeugung
sowohl der rechtsanwendenden Behörden, als auch der vom angewendeten
Grundsatz Betroffenen (opinio iuris et necessitatis). Ferner müsste
eine Lücke des geschriebenen Rechts vorliegen und das unabweisliche
Bedürfnis, sie zu füllen (BGE 104 Ia 312 E. 4; zur Publikation
bestimmter Entscheid vom 17. Januar 1979 i.S. Aberhard E. 2a; 102
Ib 300; 96 V 51; 94 I 308, GRISEL, Droit administratif suisse, S. 37;
IMBODEN/RHINOW, Schweiz. Verwaltungsrechtsprechung, Nr. 7, S. 44). Diese
Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zunächst fehlt angesichts der
verfassungsrechtlichen Regelung des Referendumsrechts eine Lücke des
geschriebenen Rechts. Ferner ist nicht dargetan, dass die Stimmbürger die
Überzeugung haben, der Ausschluss vom Referendum bei Strassenbauten sei
wirklich rechtens. Aus diesen Gründen besteht nach dem geltenden Recht
weder eine geschriebene noch eine gewohnheitsrechtliche Bestimmung, welche
die Ausgabenbewilligungsbefugnis im Strassenwesen vom Volk an den Grossen
Rat delegiert. Dem Grossen Rat steht selbstverständlich die Möglichkeit
offen, auf dem Gesetzgebungsweg eine genügende Delegationsnorm zu schaffen.

Erwägung 6

    6.- a) Besteht im kantonalen Recht keine Delegationsnorm, welche die
Ausgabenbewilligungskompetenz vom Volk an das Parlament überträgt, so
stellt sich die Frage, ob die beschlossenen Ausgaben der Volksabstimmung
entzogen werden dürfen, weil sie nicht neu, sondern gebunden sind. Als
gebunden und damit nicht referendumspflichtig gelten nach den vom
Bundesgericht aufgestellten allgemeinen Grundsätzen insbesondere
jene Ausgaben, die durch einen Rechtssatz prinzipiell und dem Umfang
nach vorgesehen sind oder die zur Erfüllung der gesetzlich geordneten
Verwaltungsaufgaben unbedingt erforderlich sind. Gebunden ist eine Ausgabe
ferner, wenn anzunehmen ist, das Stimmvolk habe mit einem vorausgehenden
Grunderlass auch die daraus folgenden Aufwendungen gebilligt, falls ein
entsprechendes Bedürfnis voraussehbar war oder falls gleichgültig ist,
welche Sachmittel zur Erfüllung der vom Gemeinwesen mit dem Grunderlass
übernommenen Aufgaben gewählt werden. Es kann also auch dann, wenn
die Frage, "ob" eine mit Ausgaben verbundene Aufgabe zu erfüllen ist,
weitgehend durch den Grunderlass präjudiziert ist, das "wie" wichtig
genug sein, um die Mitsprache des Volkes zu rechtfertigen. Immer dann,
wenn der entscheidenden Behörde in bezug auf den Umfang der Ausgabe, den
Zeitpunkt ihrer Vornahme oder andere Modalitäten eine verhältnismässig
grosse Handlungsfreiheit zusteht, ist eine neue Ausgabe anzunehmen (BGE
103 Ia 447; 102 Ia 459 E. 3a, 467; 101 Ia 133 E. 4; 100 Ia 370 E. 3a).

    b) Es besteht jedoch kein bundesrechtlicher Begriff der neuen und
gebundenen Ausgabe. Von der bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung
darf deshalb dort abgewichen werden, wo sich bei der Auslegung des
kantonalen Rechts oder aufgrund einer feststehenden und unangefochtenen
Rechtsauffassung und Praxis des kantonalen Gesetzgebers eine andere
Betrachtungsweise aufdrängt (BGE 102 Ia 459/60 mit Hinweisen). Das
Bundesgericht überprüft grundsätzlich frei, welche Bedeutung dem Begriff
der neuen und gebundenen Ausgabe nach dem kantonalen Verfassungsrecht
zukommt.

    Der Grosse Rat beruft sich auf eine jahrzehntelange Praxis, wonach
mit einer einzigen Ausnahme im Jahre 1949 die Strassenbauausgaben weder
als Gesamtprogramm, noch als Objektkredite der Volksabstimmung unterstellt
worden seien. Seit Ende der Fünfzigerjahre habe der Grosse Rat regelmässig
Zweijahresprogramme für den Ausbau der Staatsstrassen beschlossen mit
je mehr als 10 Millionen Franken Ausgaben. Entscheidend fällt vorliegend
indessen ins Gewicht, dass die heutige verfassungsrechtliche Regelung des
Referendumsrechts erst aus dem Jahre 1970 stammt. Diese Verfassungsrevision
setzte insofern einen Neuanfang, als der Begriff der neuen und gebundenen
Ausgabe erstmals ausdrücklich in den Verfassungstext eingeführt wurde. Aus
den Materialien zu dieser Partialrevision ergibt sich, dass man damals
nicht von einem besonderen Begriff der neuen und gebundenen Ausgabe
ausging, sondern vielmehr die von der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
entwickelte Begriffsbestimmung übernehmen wollte. Im Vortrag der
Finanzdirektion an den Regierungsrat zuhanden des Grossen Rates vom
September 1969, S. 5, wird ausgeführt, man habe sich überlegt, ob der
Begriff der neuen und gebundenen Ausgabe nicht konkret und verpflichtend
in der Verfassung selber umschrieben werden müsse. Unter Hinweis auf die
Begriffsbestimmung in der Lehre und der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
wurde indessen beantragt, die Auslegung des Begriffs der Praxis und
der Rechtslehre zu überlassen. Auch der Präsident der vorberatenden
Kommission fasste im Grossen Rat zur Erläuterung des Begriffs der neuen
und gebundenen Ausgabe die bundesgerichtliche Rechtsprechung zusammen
(Tagblatt des Grossen Rates vom 10. November 1969, S. 668), und es
gibt auch anderweitig keinen Hinweis dafür, dass für die Auslegung der
neu geschaffenen Verfassungsbestimmung nicht die bundesgerichtliche
Begriffsbestimmung massgebend sein solle. Der Regierungsrat weist in
seiner Vernehmlassung nicht nach, dass sich seit dem Jahre 1970 im Kanton
Bern eine andere Betrachtungsweise durchgesetzt hat. Er weist auch nicht
nach, dass der Begriff der neuen und gebundenen Ausgabe lediglich im
Bereiche des Strassenbaurechts eine andere Bedeutung erfahren habe als
in andern Rechtsgebieten. Abgesehen davon, dass eine solche Annahme
aus grundsätzlichen Erwägungen nicht leichthin zu unterstellen wäre,
besteht vorliegend kein Anhaltspunkt dafür, dass der Grosse Rat die
Strassenbaukosten stets dem Referendum entzog, weil er der Meinung
war, in diesem Gebiete gelte ein besonderer Begriff der neuen und
gebundenen Ausgabe; er ging offenbar vielmehr davon aus, dass es sich
bei den Ausgaben für den Strassenbau um gebundene Ausgaben im Sinne der
bundesgerichtlichen Rechtsprechung handle. In dem vom Regierungsrat
angerufenen Bundesgerichtsentscheid 95 I 525 lagen die Verhältnisse
wesentlich anders. In jenem Fall stütze sich die jahrzehntelange Praxis
zum Begriff der "ordentlichen" und "ausserordentlichen" Ausgabe auf eine
alte Verfassungsbestimmung, die im Verlaufe der Zeit die vom Parlament
vertretene Bedeutung erhielt. Zudem hat das Bundesgericht in jenem
Entscheid ausgeführt, der Begriff der ordentlichen bzw. ausserordentlichen
Ausgabe sei nicht notwendigerweise gleichbedeutend wie derjenige der neuen
bzw. gebundenen Ausgabe, von dem die bernische Staatsverfassung ausgeht.

Erwägung 7

    7.- Bei der Beurteilung der Frage, ob der Genehmigungsbeschluss
vom 21. November 1978 neue oder gebundene Ausgaben im Sinne der
bundesgerichtlichen Begriffsbestimmung zur Folge hat, müssen die Positionen
des Zweijahresprogramms einzeln geprüft werden.

    a) In das Zweijahresprogramm wurden auch Kosten für blosse
Strassenunterhaltsarbeiten aufgenommen, so etwa die Posten 10.1.02
und 10.2.02 "Belagserneuerungen"; auch in den übrigen Posten sind
möglicherweise reine Unterhaltskosten enthalten, die der Anpassung
bestehender Strassen an die gegenwärtigen Erfordernisse bezüglich Ausbau
und Sicherheit dienen.

    Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist es klar, dass
die Aufwendungen für den Unterhalt eines bestehenden Strassennetzes
und seine Anpassung an die neuen technischen Erfordernisse gebundene
Ausgaben sind (BGE 103 Ia 287 E. 5). Sie werden übrigens auch jährlich
wiederkehren. Arbeiten, die darüber hinausgehen, so für den Bau neuer
Strassen oder für die vollständige Neuanlage einer bestehenden Strasse,
gelten dagegen grundsätzlich als nicht gebundene Ausgaben, sofern nicht
durch eine besondere gesetzliche Ermächtigung die Ausgabenkompetenz durch
den Stimmbürger delegiert ist oder in einem Grunderlass die vorgesehenen
Ausgaben zum vornherein bewilligt worden sind. Dass die Unterhaltsarbeiten
gebundene Ausgaben sind, ergibt sich auch aus Art. 44 SBG, der vorschreibt,
dass die Strassen und ihre technischen Anlagen so zu unterhalten sind,
dass sie nach Möglichkeit in gutem Zustand sind und einen sicheren Verkehr
gewährleisten. Mit der Annahme des Gesetzes haben die Stimmbürger auch
den damit verbundenen Finanzaufwand von vornherein gebilligt, so dass die
jährlichen Kosten, obwohl zum voraus nicht genau bestimmbar, durch den
Grunderlass in Kauf genommen wurden. Im Einzelfall können sie weitgehend
aufgrund der gesetzlichen Umschreibung von den übrigen Ausgaben getrennt
werden. Die Behörde, die den Unterhalt zu besorgen hat, verfügt bei der
Erfüllung der Aufgabe über keinen wesentlichen Spielraum.

    Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, soweit sie sich
gegen die Aufnahme von Krediten für den Strassenunterhalt wendet. Mangels
einer genauen Ausscheidung sind sie zahlenmässig bei der Beurteilung der
Beschwerde nicht erfassbar.

    b) Anders verhält es sich hinsichtlich der Ausgaben für die
Neuerstellung von Strassen und ihren Ausbau, soweit es sich nicht nur um
eine Anpassung der Strassen an die neuen Verkehrsverhältnisse handelt. Nach
dem Strassenbaugesetz hat der Staat zwar die Pflicht, öffentliche Strassen
zu bauen. Der Entscheid, wo, wann und wie Strassen gebaut werden sollen,
ergibt sich, anders als beim Strassenunterhalt, aber nicht schon aus
vorgegebenen Verhältnissen. Im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis sind
Aufwendungen für den Strassenbau grundsätzlich neue, nicht gebundene
Ausgaben. Freilich bestimmt Art 12 Abs. 2 SBG, dass der Staat die
Pflicht hat, im Bereich seiner Hoheit öffentliche Strassen zu bauen
und zu unterhalten und Art. 24 Abs. 1 und 2 SBG sieht vor, dass die
öffentlichen Strassen entsprechend ihrer Einteilung und den technischen und
wirtschaftlichen Anforderungen des Verkehrs sowie unter Berücksichtigung
der Leistungsfähigkeit des Pflichtigen zu erstellen und auszubauen sind,
und dass bei der Planung und Ausführung der Strassenbauten die Grundsätze
des Natur-, Landschafts- und Heimatschutzes zu beachten sind. Den Behörden
ist aber dennoch auf dem Gebiet des Strassenbaus ein sehr hohes Mass an
Entscheidungsfreiheit eingeräumt. Schon die Antwort auf die Frage nach
dem "ob", d.h. ob eine Strasse gebaut oder eine bestehende durch eine
neue ersetzt werden soll, ist besonderer Regelung vorbehalten und nicht
durch eine bestehende Rechtsnorm vorbestimmt. In noch weitergehendem
Masse ist den Behörden eine Entscheidungsfreiheit durch das "wie"
eingeräumt. Sofern eine Strasse erforderlich ist, kann sie nämlich immer
noch in sehr verschiedener Weise ausgeführt werden. Zudem steht häufig
auch die Wahl zwischen verschiedenen Linienführungen offen (BGE 102 Ia 467
f.). Beschlüsse über die Ausführung bestimmter Strassen und die Bewilligung
der Kredite dafür begründen deshalb neue, nicht gebundene Ausgaben.

    c) Gemäss Art. 6 Ziff. 4 und 6ter KV ist ein Beschluss des Grossen
Rates dem Finanzreferendum unterstellt, wenn er "für den gleichen
Gegenstand" neue Ausgaben von bestimmter Höhe zur Folge hat. Daraus ist
zu schliessen, dass einerseits mehrere Gegenstände nicht vermengt und
andererseits ein Gegenstand nicht aufgeteilt werden darf. Der Grundsatz der
Einheit der Materie ergibt sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts
bereits aus dem Bundesrecht (BGE 100 Ia 376 E. 5; 99 Ia 182 E. c; 97 I 673;
90 I 72 ff.). Auf dem Gebiete des Finanzreferendums hat dies zur Folge,
dass sich die dem Bürger gestellte Frage nicht auf mehrere Gegenstände
beziehen darf, es sei denn, dass mehrere Ausgaben sich gegenseitig bedingen
oder aber einem gemeinsamen Zweck dienen, der zwischen ihnen eine enge
sachliche Verbindung schafft. So können nach der Rechtsprechung mehrere
Kreditbegehren für Schulhausbauten oder für Strassenbauten oder für
Spitalbauten je zusammengefasst werden, weil andernfalls Parlament und
Regierung gehindert würden, alle Teile des Kantons und alle Glieder der
Bevölkerung in gleicher Weise an der allgemeinen Wohlfahrt teilnehmen zu
lassen (BGE 99 Ia 184). Hingegen ist es unzulässig, solche Kredite nur aus
abstimmungspolitischen Überlegungen in einer einzigen Abstimmungsfrage
zusammenzufassen; denn hier fehlt der gemeinsame Zweck. Der Grosse
Rat kann demnach eine Vielzahl von Strassenprojekten in einem einzigen
Beschluss über ein Strassenbauprogramm zusammenfassen; er kann aber auch
über bestimmte Strassenprojekte einzeln beschliessen. Auf der andern Seite
darf ein Gegenstand, der ein Ganzes bildet, nicht künstlich in Teilstücke
aufgeteilt werden, welche je einzeln dem Referendum nicht unterstehen
mit dem Zweck, den Gegenstand dem Referendum zu entziehen (BGE 100 Ia
376). Dagegen bestehen gegen eine Aufteilung grosser Bauvorhaben keine
rechtlichen Bedenken, wenn die Zuständigkeit dadurch nicht verschoben
wird, und wenn die Ausführung der einzelnen Teile für sich allein gesehen
einen vernünftigen Sinn ergibt, so dass die Freiheit der Stimmbürger,
sich für oder gegen die späteren Etappen auszusprechen, durch den ersten
Entscheid nicht aufgehoben wird (BGE 104 Ia 427). Daher bilden Strassen
einen einzigen unteilbaren Gegenstand, wenn die einzelnen Strassenstücke
weitgehend nutzlos wären, sofern die Strasse nicht fertiggestellt würde
(ESCHER, Das Finanzreferendum in den schweizerischen Kantonen, Diss. Zürich
1943, S. 145 ff.).

    Einige Posten betreffen offenbar Kredite für Strassenarbeiten,
die der notwendigen Fortsetzung oder Beendigung früher beschlossener
und ausgeführten Strassenanlagen dienen. Soweit es sich bei diesen
Strassenstücken um Bauten handelt, die mit den früher erstellten Anlagen
einen einzigen Gegenstand bilden, hätte der Grosse Rat die Strasse nicht
aufgliedern und einzelne Teilstücke bewilligen dürfen, sondern er hätte
einen Gesamtkredit, ev. in Form des Verpflichtungskredites (vgl. Art. 27
ff. Finanzhaushaltsgesetz vom 29. September 1968), sprechen und diesen
dem Referendum unterstellen müssen. Andererseits hätten sich auch die
Beschwerdeführer bereits anlässlich der Bewilligung des ersten Teilstückes
gegen das vom Grossen Rat gewählte Vorgehen und gegen den Ausschluss des
Referendums zur Wehr setzen müssen, denn es stand schon anlässlich der
Bewilligung der ersten Etappe fest, dass die weiteren Kredite notwendig
würden. Der Ausschluss des Referendums für die folgenden Teilstücke kann
daher im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr mit staatsrechtlicher Beschwerde
angefochten werden, so dass die Beschwerde in diesen Fällen verspätet
und daher unzulässig ist (vgl. BGE 104 Ia 425, unpublizierte E. 3). Die
Strassen, die als ganzes hätten bewilligt werden müssen, können daher
weitergebaut und beendigt werden, ohne dem Referendum unterstellt zu
werden.

    d) Es ist Sache des Grossen Rates, zu entscheiden, welche Posten des
Zweijahresprogrammes gebundene und welche neue Ausgaben zur Folge haben
und in welchen Fällen eine Strasse, welche einen einzigen Gegenstand
im Sinne von Art. 6 Ziff. 4 und 6ter StB bildet, bloss fortgesetzt
und beendigt wird. Es kann nicht Aufgabe des Bundesgerichts sein, diese
Aufteilung vorzunehmen; es würden ihm dafür auch die nötigen Unterlagen
fehlen. Das Bundesgericht hebt deshalb den Beschluss des Grossen Rates vom
21. bzw. 14. November 1978 betreffend den Ausschluss des Referendums in
dem Sinne gesamthaft auf, dass lediglich die Posten, welche neue Ausgaben
zur Folge haben und im gegenwärtigen Zeitpunkt noch angefochten werden
können, dem Referendum zu unterstellen sind.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen teilweise gutgeheissen,
soweit auf sie eingetreten werden kann, und die Beschlüsse des Grossen
Rates vom 21. bzw. 14. November 1978 betreffend den Ausschluss des
Referendums werden im Sinne der Erwägungen aufgehoben.