Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 67



105 Ia 67

16. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 11. Mai 1979 i.S. Maier gegen Kanton Bern und Präsident des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4, 31 und 33 BV; Anwaltsmonopol in Steuersachen.

    1. Legitimation der Partei zur staatsrechtlichen Beschwerde, wenn eine
von ihr bevollmächtigte Person nicht als Parteivertreter zugelassen wurde
(E. 1b).

    2. Anwaltsmonopol und Handels- und Gewerbefreiheit:

    a) Inwiefern hat eine gesetzliche Ordnung der gewillkürten
Parteivertretung die Handels- und Gewerbefreiheit zu beachten (E. 4)?

    b) Öffentliche Interessen, welche Einschränkungen der gewillkürten
Parteivertretung rechtfertigen können (E. 5).

    c) Ist es mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip vereinbar,
die gewillkürte Parteivertretung vor der obersten kantonalen
Steuerjustizbehörde allein den Rechtsanwälten vorzubehalten? (Frage offen
gelassen). Überblick über den Rechtszustand in den Kantonen (E. 7).

Sachverhalt

    A.- Gemäss Art. 27 Abs. 1 des bernischen Gesetzes über die
Verwaltungsrechtspflege vom 22. Oktober 1961 (VRPG) richtet sich die
Befugnis, vor Verwaltungsjustizbehörden für andere als Rechtsbeistand
zu handeln, nach den Vorschriften über die Anwälte. Art. 83 Abs. 2 der
Zivilprozessordnung für den Kanton Bern bestimmt, dass die Fähigkeit,
für einen anderen im Prozess als Rechtsbeistand zu verhandeln, nach den
besonderen Gesetzen über die Befähigung zur Anwaltschaft zu beurteilen
ist. Art. 12 des bernischen Gesetzes über die Advokaten vom 10. Dezember
1840 (AG) lautet:

    Rechte der Advokaten, Fürsprecher und Prokuratoren

    Art. 12

    1 Die bereits bestehenden und die infolge dieses Gesetzes patentierten

    Advokaten haben
   ausschliessend das Recht, die schriftlichen Vorträge in Civil- und

    Administrativsachen anderer, welche zu den wesentlichen Bestandteilen
der

    Verhandlungen gehören, zu verfassen und zu unterschreiben und können in
   allen Arten von Prozessen die erforderlichen Diktaturen zu Protokoll
   geben.

    2 Ausser in den Fällen, wo das Gesetz es auch andern Personen
   ausdrücklich gestattet, steht ihnen einzig die Befugnis mündlicher
   Vorträge in Sachen anderer vor dem Richter und den Gerichten zu. Es
   werden aber nur die bisherigen und die infolge dieses Gesetzes
   patentierten Fürsprecher zu der mündlichen Verhandlung nicht eigener
   Civilsachen vor dem Obergerichte zugelassen.

    3 Die Advokaten sind berechtigt, für die Geschäfte, welche sie in

    Aufträgen anderer besorgen, die in dem Tarife bestimmten Emolumente und

    Entschädigungen zu fordern.  Während diese Vorschriften von den
bernischen Gerichten offenbar ausnahmslos angewendet werden, ist die
Praxis im verwaltungsinternen Verfahren und auch vor der kantonalen
Rekurskommission (untere Rechtspflegebehörde in Steuersachen) weniger
streng.

    Peter Zürcher, Prokurist in Thierachern/BE, vertrat den in Spanien
wohnhaften Kurt Maier in einer Steuerstreitsache vor den bernischen
Behörden. Die kantonale Rekurskommission wies am 25. April 1978 einen von
Zürcher im Namen Maiers erhobenen Rekurs ab. Die Rechtsmittelbelehrung
dieses Entscheides enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass eine
allfällige Beschwerde an das Verwaltungsgericht entweder durch
den Beschwerdeführer selbst oder durch einen zur Prozessführung vor
bernischen Gerichten ermächtigten Anwalt verfasst und unterzeichnet sein
müsse. Zürcher, der nicht Rechtsanwalt ist, erhob gegen den erwähnten
Entscheid namens von Kurt Maier Beschwerde beim Verwaltungsgericht
des Kantons Bern. Der Präsident des Verwaltungsgerichts machte Zürcher
drei Tage vor Ende der Rechtsmittelfrist brieflich darauf aufmerksam,
dass vor Verwaltungsgericht nur Rechtsanwälte gültig für andere handeln
können. Er gab Zürcher Gelegenheit, diesen Mangel bis zum Ablauf der
Beschwerdefrist zu verbessern und drohte ihm an, im Unterlassungsfall
nicht auf die Beschwerde einzutreten. Am letzten Tage der Frist reichte
Peter Zürcher eine notariell beglaubigte Vollmacht ein, welche ihn unter
anderem berechtigt, "...den Vollmachtgeber vor allen Behörden und Instanzen
zu vertreten, Prozesse aller Art anzuheben, ...Anwälte zu bezeichnen und
diese zur Prozessführung und allen damit verbundenen Vorkehren ... zu
ermächtigen. ..." Der Präsident des Verwaltungsgerichtes des Kantons Bern
als Einzelrichter lehnte am 13. Juni 1978 das Eintreten auf die von Peter
Zürcher eingereichte Beschwerde Maiers ab.

    Mit fristgerechter staatsrechtlicher Beschwerde verlangt Zürcher
im Namen Maiers die Aufhebung dieses Entscheides. Er rügt sinngemäss,
Art. 12 AG verstosse gegen Art. 4, 31 und 33 BV.

    Die kantonale Steuerverwaltung und das Verwaltungsgericht des Kantons
Bern schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

    Das Bundesgericht hat bei den obersten Steuerjustizbehörden aller
Kantone Amtsberichte über die Frage eingeholt, wie vor diesen Behörden die
Parteivertretung gehandhabt wird. Alle Kantone haben sich vernehmen lassen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- a) Aus Art. 29 Abs. 2 OG folgt e contrario, dass Nichtanwälte
im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren als Parteivertreter zugelassen
sind. Peter Zürcher ist von Kurt Maier zur Prozessführung ordnungsgemäss
bevollmächtigt worden.

    b) Mit der Beschwerde wird geltend gemacht, die gesetzliche Regelung,
wonach zur Parteivertretung vor dem bernischen Verwaltungsgericht nur
Rechtsanwälte berechtigt sind, verstosse gegen Art. 4, 31 und 33 BV. Die
Beschwerde, wiewohl von Zürcher unterzeichnet, wird ausschliesslich im
Namen Kurt Maiers erhoben. Die Nichtanerkennung als Prozessvertreter
berührt zwar zunächst nur die Rechtsstellung Zürchers. In Fällen, in
welchen ein Anwalt in einem anderen Kanton als in demjenigen, dessen
Fähigkeitsausweis er besitzt, nicht als Prozessvertreter zugelassen
wurde, hat das Bundesgericht indessen immer anerkannt, dass durch diese
Verfügung auch die Partei in ihren Rechten betroffen ist. Es hat daher
auch die Partei zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4, 31 und 33
BV sowie von Art. 5 der Übergangsbestimmungen als legitimiert erachtet
(BGE 95 I 410 mit Verweisungen; BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 371;
HINDEN, Die Legitimation zur staatsrechtlichen Beschwerde, Zürich 1961, S.
160; MARTI, Die staatsrechtliche Beschwerde, 3. Auflage, Basel 1977,
N. 95). Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um die interkantonale
Anerkennung eines Anwaltes als Parteivertreter. Die Interessenlage ist
im wesentlichen aber dieselbe. Durch den Nichteintretensentscheid wird
dem Beschwerdeführer verunmöglicht, sein vermeintliches Recht durch das
Verwaltungsgericht materiell überprüfen zu lassen. Er wird dadurch in
seiner Rechtsstellung betroffen. Die erwähnte Rechtsprechung ist daher
auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden.

Erwägung 4

    4.- Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, dass die Befugnis der
Kantone, Regeln über die Parteivertretung aufzustellen, durch die Handels-
und Gewerbefreiheit beschränkt wird, und dass insbesondere die Einrichtung
eines Anwaltsmonopols vor diesem Freiheitsrecht nicht standhält.

    a) In der Rechtslehre ist umstritten, ob und inwieweit die Handels-
und Gewerbefreiheit im Zusammenhang mit der Ordnung der Parteivertretung,
namentlich der Rechtsanwaltschaft, überhaupt zu berücksichtigen ist. Der
überwiegende Teil der Lehre und auch das Bundesgericht in konstanter
Rechtsprechung bejahen indessen ihre Geltung auch in diesem Bereich (BGE
103 Ia 431; 100 Ia 166 ff. E. 3 mit Verweisungen, KÜNZLER, Das Anwaltsrecht
des Kantons Appenzell-Ausserrhoden, St. Gallen 1976, S. 35 ff.; ZEMP, Das
Luzerner Anwaltsrecht, Winterthur 1968, S. 15; HESS, Das Anwaltsmonopol,
Stäfa 1957, S. 16; FIDEK, Das Berufsrecht der Anwälte und Rechtsagenten
im Kanton St. Gallen, St. Gallen 1951, S. 6; HUBATKA, Thurgauisches
Anwaltsrecht, Frauenfeld 1951, S. 74 f.; KELLER, Die Gewerbefreiheit
und die Rechtsanwaltschaft als wissenschaftliche Berufsart, Uster 1951,
S. 58 f.; anderer Meinung: SALZMANN, Das besondere Rechtsverhältnis
zwischen Anwalt und Rechtsstaat, Thun 1976, S. 126 ff.; vgl. 244
ff. und 311 ff.; TRAUTWEILER, Aargauisches Anwaltsrecht, Muri/AG 1946,
S. 14 f.). An dieser Rechtsprechung ist zumindest insoweit festzuhalten,
als die Rechtsanwaltschaft in einem Kanton als Gewerbe und nicht als
öffentliches Amt ausgestaltet ist.

    b) Die in Art. 31 Abs. 1 BV verankerte Handels- und Gewerbefreiheit
gewährleistet dem Bürger die freie Wahl der privatwirtschaftlichen
Erwerbstätigkeit (MARTI, Die Wirtschaftsfreiheit der schweizerischen
Bundesverfassung, Basel 1976, S. 51, N. 90). Gemäss Art. 31 Abs. 2
BV können die Kantone Vorschriften über die Ausübung von Handel und
Gewerben erlassen. Diese Bestimmungen dürfen jedoch den Grundsatz der
Handels- und Gewerbefreiheit nicht beeinträchtigen. Einschränkungen
der Handels- und Gewerbefreiheit müssen auf gesetzlicher Grundlage
beruhen, im öffentlichen Interesse liegen und die Grundsätze der
Verhältnismässigkeit und der Rechtsgleichheit beachten (BGE 103
Ia 596 E. 1a; 102 Ia 544 E. 11, beide mit Verweisungen; MARTI, aaO,
S. 68 ff.). Die bundesgerichtliche Rechtsprechung verlangt weiter, dass
Eingriffe in die Handels- und Gewerbefreiheit nur aus polizeilichen oder
sozialpolitischen Motiven vorgenommen werden dürfen. Verfassungswidrig
sind dagegen alle wirtschaftspolitischen Massnahmen, die in die freie
Konkurrenz zur Sicherung oder Förderung gewisser Erwerbszweige oder
Betriebsarten eingreifen und das wirtschaftliche Geschehen planmässig
lenken (BGE 103 Ia 596 E. 1a mit Verweisungen).

    c) Art. 33 Abs. 1 BV ermächtigt die Kantone, die wissenschaftlichen
Berufe, zu welchen unbestrittenermassen auch die Rechtsanwaltschaft
gehört (BGE 103 Ia 50 E. 2c; KÜNZLER, aaO, S. 35; FEHLMANN, Die rechtliche
Stellung der freien wissenschaftlichen Berufe, Affoltern a.A., 1946, S. 50
ff., 77 ff.), von einem Fähigkeitsausweis abhängig zu machen. Art. 33
Abs. 1 BV gilt in Lehre und Praxis überwiegend als Anwendungsfall von
Art. 31 Abs. 2 BV (BGE 95 I 335 E. 4; LARGIER, Der Fähigkeitsausweis
im schweizerischen Wirtschaftsrecht; Uster 1951, S. 58 f.; KÜNZLER,
aaO, S. 36; ZEMP, aaO, S. 15; HESS, aaO, S. 16; FLEINER/GIACOMETTI,
Schweizerisches Bundesstaatsrecht, Zürich 1949, S. 306; BURCKHARDT,
Kommentar der Schweizerischen Bundesverfassung, 3. Auflage, Bern 1931,
S. 277). Damit ist noch nicht gesagt, welche Tätigkeiten im Bereich der
Rechtspflege besonders befähigten Personen vorbehalten werden dürfen
und wie der Kreis der Berechtigten und die Anforderungen, denen diese zu
genügen haben, zu umschreiben sind.

    Wenn der Kanton gestützt auf die verfassungsrechtliche
Kompetenzausscheidung im Interesse einer wohlgeordneten Rechtspflege
über diese Fragen Rechtsregeln erlässt, kommt ihm ein erhebliches
Ermessen zu. Er muss dabei aber den ebenfalls im öffentlichen Interesse
liegenden Grundrechten Rechnung tragen. Allfällige Kollisionen zwischen
verschiedenen öffentlichen Interessen sind durch wertende Gegenüberstellung
und Abwägung zu lösen (BGE 104 Ia 97 E. 6 mit Verweisungen; IMBODEN/RHINOW,
Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung, 5. Auflage, Basel 1976, Nr. 57
B IV). Im Rahmen dieser Abwägung ist auch die Handels- und Gewerbefreiheit
mitzuberücksichtigen.

Erwägung 5

    5.- a) Wer einen Streit um den Bestand von Rechten und Pflichten
nicht selber führen, sondern einen Vertreter damit beauftragen will, hat
ein eminentes Interesse an dessen Fachkenntnissen, an dessen Sorgfalt,
Verantwortungsbewusstsein und Zutrauenswürdigkeit. Der Erfolg einer Klage
oder eines anderen Rechtsmittels wird selbst dann, wenn die entscheidende
Instanz das Recht von Amtes wegen anzuwenden hat, nicht zuletzt von den
Fähigkeiten des Vertreters abhängen. Die Partei muss sich darauf verlassen
können, dass ihr Vertreter im einschlägigen formellen und materiellen
Recht bewandert ist. Andererseits braucht der Vertreter vollen,
rückhaltlosen Einblick in alle erheblichen Verhältnisse des Klienten,
um dessen Interessen wirksam vertreten zu können. Dazu muss er auf das
unbedingte Vertrauen des Rechtssuchenden zählen können, was seinerseits
bedingt, dass dieser voll auf die Verschwiegenheit des Vertreters rechnen
darf(BGE 100 Ia 168 E. 3).

    Im weitern liegt es auch im Interesse der Funktionstüchtigkeit
und Qualität der Rechtspflege - und somit letztlich ebenfalls im
Interesse des rechtssuchenden Bürgers -, dass derjenige, welcher
einen Rechtsstreit tatsächlich führt, ausreichende Rechtskenntnisse
besitzt. Ein rechtskundiger Vertreter weiss die zu lösenden Fragen richtig
zu stellen. Er kann dem Richter die Auffindung des richtigen Rechts
wesentlich erleichtern und damit einen wertvollen Beitrag zur Verminderung
des Arbeitsaufwandes der Rechtspflegebehörden aller Stufen leisten. Für
eine Ordnung, welche die Parteivertretung gewissen fachlich und persönlich
qualifizierten Personen vorbehält, sprechen daher durchaus beachtliche
öffentliche Interessen. In der Literatur wurde sogar - namentlich mit
Blick auf ausländische Beispiele - die Frage aufgeworfen, ob nicht die
Einführung eines eigentlichen Anwaltszwanges ein geeignetes Mittel wäre,
um der allgemein überhandnehmenden Überlastung namentlich höchster Gerichte
zu steuern (ANDRE GRISEL, La surcharge des Cours suprêmes et les moyens
d'y remédier; ZBl 1978, S. 373 ff., 383).

    b) Diese Gründe haben die meisten Kantone bewogen, die Parteivertretung
und teilweise auch weitere Tätigkeiten im Bereich der Rechtspflege
in unterschiedlichem Ausmass rechtlicher Ordnung zu unterwerfen und
deren Ausübung ausschliesslich Personen, die sich über ihre Befähigung
ausgewiesen haben, zu überlassen. Mit der Privilegierung dieser Personen
sind regelmässig Anforderungen an ihre Befähigung und oft auch gewisse
Berufspflichten und eine öffentlichrechtliche Aufsicht verbunden.

    aa) Am ausgeprägtesten zeigt sich dies bei den patentierten
Rechtsanwälten. Diese sind schon von Bundesrechts wegen an das
Berufsgeheimnis gebunden (Art. 321 StGB) und bieten daher volle Gewähr
für Verschwiegenheit. Daneben bestehen kantonale Vorschriften über die
Berufsausübung. Im Kanton Bern untersteht der patentierte Rechtsanwalt für
seine Berufstätigkeit der Aufsicht der Anwaltskammer (Art. 7 des Dekrets
über die Anwaltskammer vom 28. Dezember 1919 i.V. mit Art. 420 Abs. 1
ZPO), eines staatlichen Organs, welches die Aufgabe hat, Verstösse der
Fürsprecher gegen ihre Berufspflichten gemäss Art. 17 AG zu ahnden. Die
vom bernischen Anwaltsverband erlassenen Standesregeln sind auch von
Anwälten, welche nicht dem Verband angehören, zu beachten, soweit sie
die in den gesetzlichen Vorschriften allgemein umschriebenen Pflichten
konkretisieren (BGE 98 Ia 360 E. 3a). Der patentierte Fürsprecher ist
für seine Mühewaltung an einen Gebührentarif gebunden (Dekret über die
Anwaltsgebühren vom 6. November 1973) und kann verpflichtet werden,
seine Dienste bedürftigen Personen zu einem ermässigten Tarif zur
Verfügung zu stellen (Art. 77 Abs. 6 ZPO i.V. mit Art. 17 ff. des Dekrets
über die Anwaltsgebühren). In den meisten Kantonen bestehen ähnliche
Regelungen. Viele Kantone, und insbesondere der Kanton Bern, stellen hohe
Anforderungen an die Erlangung des Anwaltspatentes. Der Rechtsanwalt
als "freier Diener am Recht" (Ziff. 1 der Standesregeln des Bernischen
Anwaltsverbandes; vgl. BGE 103 Ia 431; 96 I 528) bietet daher dank seiner
Ausbildung und der über ihn ausgeübten strengen Aufsicht erhöhte Gewähr für
den Schutz seiner Mandanten und für ein Verhalten, welches die Rechtspflege
im Interesse ihrer Funktionsfähigkeit und der Qualität der Rechtsprechung
vor sachlich nicht gerechtfertigter Inanspruchnahme und Belastung bewahrt.

    bb) Soweit einzelne Kantone für gewisse Arten von Streitigkeiten
weiteren Personen das Tätigwerden als Parteivertreter gestatten,
sind die Regelungen hinsichtlich Zulassung und Aufsicht höchst
unterschiedlich. Einzelne Kantone prüfen die Befähigung zur
Parteivertretung in bestimmten Materien jeweilen im Einzelfall oder
führen Listen über die in bestimmten Fällen nebst den Anwälten zur
Parteivertretung berechtigten Personen. Andere Kantone unterwerfen auch
solche Personen Prüfungen und öffentlichrechtlicher Aufsicht. Endlich
kennen die meisten Kantone Bereiche, in welchen die Parteivertretung
nicht geregelt und daher frei ist.

Erwägung 6

    6.- Im Kanton Bern ist - im Gegensatz zur Mehrzahl der schweizerischen
Kantone (vgl. HESS, S. 26 ff., 53 ff.) - nicht nur die berufsmässige
oder die entgeltliche, sondern jede Parteivertretung dem Anwaltsmonopol
unterstellt (Art. 12 AG). Da die Handels- und Gewerbefreiheit nur die
Freiheit der Erwerbstätigkeit schützt, kann der Beschwerdeführer hieraus
nichts zu seinen Gunsten ableiten. Er tut dies auch zu Recht nicht.

    Das bernische Anwaltsmonopol erstreckt sich nach dem Wortlaut von
Art. 12 AG auf das gesamte Handeln in "Civil- und Administrativsachen
anderer". Ob es sich rechtfertigt, die Vertretung vor Administrativbehörden
vollumfänglich dem Anwaltsmonopol zu unterstellen, ist im vorliegenden
Fall nicht zu prüfen. Der Beschwerdeführer erwähnt selber, dass er im
vorliegenden Steuerstreit im verwaltungsinternen Verfahren und vor der
kantonalen Rekurskommission als vertraglicher Vertreter zugelassen wurde;
er wäre daher nicht legitimiert, diesbezügliche Rügen zu erheben. Das
bernische Anwaltsmonopol ist daher im vorliegenden Fall nur streitig,
soweit es sich auf die Vertretung in Steuersachen vor Verwaltungsgericht
bezieht.

Erwägung 7

    7.- Nicht jede Betätigung als Parteivertreter braucht nach der
Bundesgerichtspraxis gleich hohen Ansprüchen zu genügen. Das Bundesgericht
hat in BGE 95 I 330 ff. entschieden, es widerspreche dem Grundsatz der
Verhältnismässigkeit und damit der Handels- und Gewerbefreiheit, zur
Gläubigervertretung vor Betreibungsamt nur patentierte Rechtsanwälte
zuzulassen. Auch für die Vertretung vor betreibungsrechtlichen
Aufsichtsbehörden gelten weniger strenge Anforderungen (nicht
veröffentlichtes Urteil vom 15. November 1978 i.S. I.). Auf der andern
Seite hat das Bundesgericht den Kantonen stets die Befugnis zugestanden,
das Verfahren vor dem Rechtsöffnungsrichter den im Kanton zugelassenen
Anwälten vorzubehalten (BGE 103 Ia 47 ff.). Es hat sodann eine Regelung
als zulässig erachtet, welche die berufsmässige Rechtsberatung und
Prozessvorbereitung patentpflichtig erklärte (BGE 100 Ia 166 ff. E. 3). Wie
es sich mit dem Recht der Parteivertretung vor Verwaltungsjustizbehörden
in Steuersachen verhält, hatte das Bundesgericht bis anhin noch nicht
zu entscheiden.

    a) Ein rechtsvergleichender Überblick über die geltenden Regelungen
über die Parteivertretung vor den obersten kantonalen Steuerjustizbehörden
zeigt folgendes:

    15 Kantone kennen (abgesehen vom Erfordernis der Handlungsfähigkeit
und unter Umständen von bestimmten Verbotsgründen) keinerlei
Beschränkungen. Dies sind die Kantone Zürich, Luzern, Obwalden,
Glarus, Zug, Freiburg, Solothurn, beide Appenzell, Graubünden, Thurgau,
Tessin, Waadt, Wallis und Neuenburg. Thurgau gedenkt allerdings, mit der
Einführung der Verwaltungsgerichtsbarkeit den vom Obergericht zugelassenen
Anwälten das alleinige Recht der berufsmässigen Parteivertretung vor
Verwaltungsgericht einzuräumen. Neuenburg schlägt de lege ferenda ein
allgemeines Anwaltsmonopol vor.

    Uri und Basel-Stadt behalten die berufsmässige Vertretung vor der
obersten Steuerjustizbehörde allein den Rechtsanwälten vor; Schwyz,
Basel-Landschaft, Schaffausen und St. Gallen lassen zur berufsmässigen
Vertretung neben den Anwälten weitere Personen zu, nämlich Schwyz die
Steuerberater, Basel-Landschaft und Schaffhausen Treuhandbüros, St. Gallen
die Rechtsagenten.

    Ausser Bern behalten Nidwalden, Aargau, Genf und Jura jede
gewillkürte Parteivertretung vor der obersten Steuerjustizbehörde
besonders bezeichneten Personen vor. In Nidwalden sind dies wie in Bern
lediglich die Anwälte. Nidwalden begründet diese Lösung damit, dass sich
Treuhänder, Steuerberater, etc., erfahrungsgemäss um Verfahrensfragen
wenig kümmern und damit ihren Klienten einen schlechten Dienst leisten und
dem Gericht erhebliche Mehrarbeit zu verursachen pflegen. Im Aargau wird
die Parteivertretung zusätzlich gewissen Familiengenossen und ausserdem
Notaren und Steuerberatern gestattet. Die Befähigung der letztgenannten
Personengruppe wird als Prozessvoraussetzung im Einzelfall geprüft; die
Zulassung richtet sich nach ihrer Ausbildung und Praxis. In Genf und im
Jura sind neben den Anwälten "personnes professionnellement qualifiées" als
Vertreter zugelassen; über diese Personen sollen Listen geführt werden,
die aber in beiden Kantonen noch nicht aufgestellt worden sind. Genf
deutet an, dass bei nicht berufsmässiger Vertretung die Anforderungen
gelockert werden könnten.

    Demnach beschränken immerhin elf Kantone die Parteivertretung vor
der obersten Steuerjustizbehörde in der einen oder anderen Weise. Vor
den unteren Instanzen der Steuerverwaltung und -rechtspflege ist
die Parteivertretung - soweit ersichtlich - nur in den Kantonen Bern,
Basel-Stadt, Schaffhausen und Genf Beschränkungen unterworfen. Im Kanton
Bern hat die Praxis - wie erwähnt - die strenge Regel des Art. 12 AG
gelockert. In Basel-Stadt sind Berufsverbände zur Vertretung ihrer
Mitglieder zugelassen. In Schaffhausen und in Genf gelten grundsätzlich
dieselben Vorschriften wie vor der obersten Behörde, wobei Genf darauf
hinweist, dass die Praxis möglicherweise weniger streng sei.

    b) Verwaltungsgerichte sind - im Gegensatz zu übergeordneten
Verwaltungsbehörden - wie Zivil- oder Strafgerichte reine
Rechtspflegeorgane. Sie werden nur auf Parteiantrag tätig. Sie haben
sich nicht mit der Aufsicht über den geordneten Gang der Verwaltung zu
befassen, sondern entscheiden nur die ihnen unterbreiteten Einzelfälle,
die in der Regel reine Rechtsfragen betreffen. Ihre Urteile sind - unter
Vorbehalt der Revision - unabänderlich und können insbesondere durch
das Gericht nicht von Amtes wegen in Wiedererwägung gezogen werden. Der
Gesichtspunkt des Individualrechtsschutzes durch eine unabhängige Instanz
steht im Vordergrund (vgl. GYGI/STUCKI, Handkommentar zum bernischen
Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege, Bern 1962, S. 69 ff.; GYGI,
Verwaltungsrechtspflege und Verwaltungsverfahren im Bund, 2. Auflage,
Bern 1974, S. 18 ff., 31 ff., 39 ff.).

    Diesen Gedanken entspricht die regelmässig grössere Formstrenge
des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und insbesondere die Regelung
der sachlichen Zuständigkeit. Verwaltungsgerichte sind häufig auf die
Überprüfung bestimmter Beschwerdegründe beschränkt und geniessen, zumindest
in Ermessensfragen, keine volle Kognitionsbefugnis (vgl. Art. 16 Abs. 2
VRPG; Art. 149 des bernischen Gesetzes über die direkten Staats- und
Gemeindesteuern; im folgenden: StG; GYGI/STUCKI, aaO, zu Art. 16 Abs. 2
VRPG; GRUBER, Handkommentar zum bernischen StG, dritte Auflage, Bern und
Frankfurt 1975, N. 2 und 3 zu Art. 149 StG). Um die Interessen der Partei
wirkungsvoll vertreten zu können, muss der Rechtsbeistand in der Lage sein,
zu erkennen, welche Rügen seinem Rechtsmittel zum Erfolg verhelfen können
und welche zum vorneherein unzulässig sind. Blosse Formfehler können unter
Umständen dazu führen, dass auf eine Rechtsvorkehr nicht eingetreten
wird und der Partei die materielle Überprüfung des behaupteten Rechts
verwehrt bleibt.

    Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Kanton Bern für den
Rechtsschutz in Steuersachen mehrere Instanzen vorsieht. Gegen jede
Veranlagung kann Einsprache geführt werden (Art. 134 ff. StG). Der
Einspracheentscheid kann bei der kantonalen Rekurskommission angefochten
werden, welcher volle Überprüfungsbefugnis zusteht (Art. 141 ff.,
insbesondere 147 StG i.V. mit Art. 138 StG). Dieser Entscheid endlich kann
an das Verwaltungsgericht weitergezogen werden (Art. 149 StG). Dieser gut
ausgebaute unterinstanzliche Rechtsschutz hat nicht zuletzt die Funktion,
die oberste kantonale Instanz in gewissem Sinne zu entlasten (vgl. GYGI,
aaO, S. 33). In Anbetracht dieser Ordnung gewinnt das legitime Interesse
der letzten kantonalen Instanz an der Einhaltung gewisser prozessualer
Formen und namentlich daran, dass ihm die zu entscheidenden Rechtsfragen
durch kundige Vertreter unterbreitet werden, erhöhtes Gewicht.

    c) Allerdings ist zu berücksichtigen, dass neben dem Kanton
Bern lediglich der Kanton Nidwalden jegliche Parteivertretung vor
der obersten Steuerjustizbehörde den Anwälten vorbehält; in Uri
und Basel-Stadt gilt dasselbe für die berufsmässige Vertretung. In
allen anderen Kantonen ist die Parteivertretung vor diesen Instanzen
entweder frei, oder es sind zumindest weitere qualifizierte Personen
zugelassen. Zwar untermauert namentlich der Kanton Nidwalden seinen
Standpunkt mit beachtenswerten Argumenten. Dennoch liesse sich im
Rahmen der Prüfung der Verhältnismässigkeit der bernischen Ordnung
wohl die Frage aufwerfen, ob es in Steuersachen, wo es vor allem auf
Spezialkenntnisse des Steuer- und allenfalls des Obligationenrechts
ankommt, nicht gerechtfertigt wäre, auch Treuhänder, Revisoren und
Personen mit ähnlicher Ausbildung als Parteivertreter zuzulassen,
soweit sie sich über ihre Befähigung einwandfrei ausgewiesen haben
(z.B. durch eine höhere Fachprüfung für Bücherexperten, vgl. das von der
Schweizerischen Treuhand- und Revisionskammer am 11. Juni 1974 erlassene
und vom Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement am 21. November 1974
genehmigte Prüfungsreglement; oder durch eine kantonale Prüfung, vgl. etwa
Art. 3 und 4 sowie die Ausführungserlasse des Bündner Gesetzes über die
Ausübung des Treuhänderberufes vom 28. Mai 1978). Allenfalls wäre eine
geeignete Aufsicht über das Berufsgebaren dieser Personen zu schaffen.

    d) Peter Zürcher zeichnet als Prokurist. Er tut nicht dar, dass er
durch Ausbildung oder auch nur durch Praxis sich auf dem Gebiete des
Steuerrechts in besonderer Weise qualifiziert hat. Wie zu entscheiden
wäre, wenn es sich so verhielte, kann offen bleiben. Jedenfalls in der
vorliegenden Situation kann aus der Handels- und Gewerbefreiheit und aus
dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht abgeleitet werden, dass Peter
Zürcher als Parteivertreter zuzulassen ist. Die Beschwerde ist daher,
soweit mit ihr eine Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit gerügt
wird, abzuweisen.

Erwägung 8

    8.- Bei diesem Ergebnis bleibt für die Prüfung unter dem Gesichtswinkel
von Art. 4 BV wenig Raum.

    Das bernische Anwaltsmonopol ist - wie sich erwiesen hat -
keineswegs sinn- oder zwecklos. Im Umstand, dass das strenge System des
alleinigen Vertretungsrechts der patentierten Anwälte im Verfahren vor den
Steuerbehörden und vor der kantonalen Rekurskommission durch die Praxis
(vgl. MBVR 12 458; 30 409) gelockert wurde, liegt keine willkürliche
Unterscheidung. Das Verfahren vor den Steuerbehörden richtet sich nach dem
Steuergesetz, und die kantonale Rekurskommission ist gestützt auf Art. 148
StG einer eigenen, wenig formalistischen Ordnung unterstellt (Dekret
betreffend die kantonale Rekurskommission vom 6. September 1956). Wie die
Veranlagungsbehörde im Einspracheverfahren kann die Rekurskommission den
Einspracheentscheid vollumfänglich überprüfen und im Rahmen des Gesetzes
frei entscheiden (Art. 147 StG i.V. mit Art. 138 StG). Jedenfalls folgt
aus dieser Lockerung der Praxis auf der unteren Ebene nicht ohne weiteres,
dass das Verwaltungsgericht als oberste bernische Steuerjustizbehörde
ein Gleiches tun muss.

    Das Verwaltungsgericht betrachtete das Fehlen eines zulässigen
Vertretungsverhältnis als mangelnde Prozessvoraussetzung und trat deshalb
nicht auf die Beschwerde ein. Der Beschwerdeführer rügt nicht, dass diese
Sanktion gegen Art. 4 BV verstosse, so dass diese Frage nicht zu prüfen
ist. Die Beschwerde ist daher auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 4
BV abzuweisen.