Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 249



105 Ia 249

49. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17.
Oktober 1979 i.S. Israel British Bank Ltd. (in winding up) gegen Schweiz.
Volksbank, Handelsgericht und Kassationsgericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde). Regeste

    Art. 2 ÜbBest. BV. Kautionspflicht von Konkursmassen.

    Eine kantonale Bestimmung, wonach einer Konkursmasse eine
Prozesskostenkaution auferlegt werden kann, ist mit der bundesrechtlichen
Ordnung des Konkursverfahrens vereinbar. Die Auflage einer Kaution
verstösst damit nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts.

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerische Volksbank unterhielt Geschäftsbeziehungen
mit der Israel British Bank Ltd. in Tel Aviv, welche am 13. Oktober
1974 in Zwangsliquidation ("in winding up") versetzt wurde, nachdem
ihr bereits ein Verwalter beigegeben worden war. Am 24. Dezember 1974
reichte die Schweizerische Volksbank in Prosekution eines Arrestes beim
Handelsgericht des Kantons Zürich Klage auf Bezahlung von etwas über
5 Mio Fr. gegen die Israel British Bank Ltd. ein. Die Beklagte erhob
Widerklage auf Zahlung von 38,5 Mio US$. Das Handelsgericht auferlegte
ihr hierauf eine Prozesskaution, welche das Kassationsgericht auf
Nichtigkeitsbeschwerde hin mit Entscheid vom 5. Juli 1977 auf 1,7 Mio Fr.
festsetzte. Diese Kaution ist geleistet worden. Nachdem die Israel British
Bank Ltd. eine Klageduplik und Widerklagereplik im Umfange von 620 Seiten
mit neuen Eventualwiderklagebegehren eingereicht hatte, forderte das
Handelsgericht die Widerklägerin auf, eine zusätzliche Prozesskaution
von diesmal etwas über 2 Mio Fr. zu leisten. Die Israel British Bank
Ltd. erhob wiederum Nichtigkeitsbeschwerde und beantragte dabei, von
einer erneuten Kautionsauflage sei abzusehen. Das Kassationsgericht
des Kantons Zürich setzte mit Entscheid vom 25. Januar 1979 die weitere
Prozesskaution auf 1,5 Mio Fr. fest. Die Kautionsauflage stützt sich auf
§ 73 Ziff. 7 der Zürcher ZPO, nach welcher Bestimmung eine als Kläger
oder Widerkläger auftretende "Konkurs- oder Nachlassmasse" für die
Gerichtskosten und die Prozessentschädigung Kaution zu leisten hat. Die
Israel British Bank Ltd. legte gegen den Entscheid des Kassationsgerichtes
vom 25. Januar 1979 staatsrechtliche Beschwerde ein. Sie machte unter
anderem geltend, die Kautionsauflage verstosse gegen die derogatorische
Kraft des Bundesrechts. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab, in
diesem Punkt aus folgender

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, das SchKG lasse es nicht
zu, dass einer Konkursmasse eine Prozesskostenkaution auferlegt werde.
Die kantonalen Instanzen hätten mit ihren auf § 73 Ziff. 7 der Zürcher
ZPO gestützten Entscheiden die derogatorische Kraft des Bundesrechts
missachtet.

    a) Das Kassationsgericht nimmt im angefochtenen Entscheid
vom 25. Januar 1979 zu dieser Frage nicht mehr direkt Stellung,
sondern verweist dafür auf die Erwägungen im früheren Entscheid vom
5. Juli 1977. Dort hat es offen gelassen, ob die Beschwerdeführerin als
Konkursmasse zu behandeln sei, da die Kautionspflicht, auch wenn sie einer
Konkursmasse auferlegt werde, die Verwirklichung des Bundesrechts nicht
gefährde. Dem schweizerischen Konkursrecht liege der Gedanke zugrunde,
dass die Konkursverwaltung mangels ausreichender flüssiger Mittel von der
Prozessführung absehen und von der Möglichkeit der Abtretung nach Art. 260
SchKG Gebrauch machen solle. Demgemäss habe das Bundesgericht einen
Anspruch der Konkursmasse auf unentgeltliche Prozessführung unter Hinweis
auf die Abtretungsmöglichkeit abgelehnt. Dass die Abtretung die kleinen
Gläubiger benachteilige, sei nur insoweit richtig, als ganz allgemein das
Prozessrisiko für einen Kläger in günstigen finanziellen Verhältnissen
weniger ins Gewicht falle als für einen weniger gut situierten. Im übrigen
habe auch der mittellose Konkursgläubiger Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege. Sei demnach die Konkursverwaltung verpflichtet, beim Fehlen
liquider Mittel vom Prozessführungsrecht keinen Gebrauch zu machen, so
habe die Kautionspflicht lediglich zur Folge, dass die Pflichterfüllung der
Konkursverwaltung sichergestellt werde. Dies könne nicht bundesrechtswidrig
sein.

    b) Die Beschwerdeführerin macht demgegenüber geltend, die
bundesrechtliche Ordnung schütze den Prozessgegner und die Gerichtskasse
dadurch, dass Ansprüche bezüglich Gerichtskosten und Prozessentschädigungen
aus Prozessen der Konkursmasse Masseforderungen würden. Daneben schaffe
das Bundesrecht durch die Ordnung der Konkursverwaltung praktisch Gewähr
dafür, dass für die Konkursmasse sachgemäss gehandelt werde. Diese
Ordnung sei abschliessend und gestatte es den Kantonen nicht, die
Kautionspflicht der Konkursmasse einzuführen. Das gelte gleich wie in
der Schweiz auch in Israel. Durch die Einführung der Kautionspflicht für
Konkursmassen würde die Verwertung der Aktiven des Gemeinschuldners zu
Gunsten der Gläubigergesamtheit verhindert, da sie der Konkursverwaltung
die Prozessführung in manchen Fällen verunmögliche. Keine Konkursmasse
habe flüssige oder bevorschussbare Mittel in Millionenhöhe, auch wenn
sie genügend Aktiven besitze. Eine Abtretung im Sinne von Art. 260
SchKG biete gerade im vorliegenden Falle keine Gewähr dafür, dass
die Aktiven der Gemeinschuldnerin verwertet würden, da kein Gläubiger
eine so grosse Forderung habe, dass es als vernünftig erschiene, ein
solches Prozesskostenrisiko zu tragen. § 73 Ziff. 7 ZPO führe dazu,
dass Schuldner grosser Forderungen sich im Konkurs des Gläubigers darauf
beschränken könnten, die Forderung wider besseres Wissen zu bestreiten,
mit der Folge, dass sie nicht zu bezahlen hätten. Dieses Ergebnis könne
vom Bundesrecht nicht zugelassen werden. Die Bestimmung der Zürcher ZPO
über die Kautionspflicht der Konkursmasse sei zudem willkürlich, weil bei
amtlich verwalteten Konkursmassen - im Gegensatz zu den in Ziff. 1-6 von §
73 ZPO genannten Fällen - keine Gefährdung der Prozesskosten bestehe.

    c) Die Beschwerdegegnerin wendet in ihrer Vernehmlassung hauptsächlich
ein, die Konkursverwaltung dürfe einen Prozess gar nicht führen oder
weiterführen, wenn nicht feststehe, dass die Masse zur Kostendeckung
ausreiche. Die Kautionspflicht erleichtere ihr die Einhaltung dieser
Pflicht, da sie oft nur schwer zum voraus den Erlös aus der Verwertung
von Aktiven und die Höhe künftiger Prozesskosten abschätzen könne. Das
Risiko, dass die Prozesskosten die Aktiven überstiegen, sei bei einer
Konkursmasse mindestens ebenso gross wie bei einer Aktiengesellschaft in
Liquidation. Auch könne die Konkursmasse die Verjährung von Forderungen
durch Betreibung unterbrechen, bis sie ihre Aktiven verwertet habe und
wisse, ob sie über die für die Prozessführung notwendigen Mittel verfüge.

    d) Die Frage, ob die Beschwerdeführerin als Konkursmasse zu behandeln
und bezüglich der Kautionspflicht einer solchen gleichzustellen ist,
kann auch im vorliegenden Verfahren offen gelassen werden, weil, wie zu
zeigen sein wird, das Bundesrecht der kantonalrechtlichen Festsetzung
einer Kautionspflicht für Konkursmassen nicht entgegen steht.

    Die Frage der Sicherstellung von Gerichtskosten und Anwaltskosten
der Gegenpartei ist eine solche des Prozessrechts und wird demnach
im kantonalen Verfahren vom kantonalen Recht beherrscht. Das SchKG
enthält selbst für Prozesse vollstreckungsrechtlichen Charakters
keine entsprechenden Vorschriften. Beim vorliegenden Prozess handelt
es sich zudem, ungeachtet der Tatsache, dass mit der Klage ein Arrest
prosequiert wird und die Beklagte und Widerklägerin eine Konkursmasse
sein mag, um einen normalen Forderungsprozess. Das SchKG enthält auch
keine Vorschriften, welche sich auf die prozessuale Kautionspflicht von
Konkursmassen beziehen. Die Beschwerdeführerin behauptet dies selber
nicht; sie will die Unzulässigkeit der Kautionsauflage aus allgemeinen
Grundsätzen des Konkursrechts ableiten.

    Wenn die konkursrechtlichen Verfahrensvorschriften die
Konkursverwaltung verpflichten, für die Masse nur Prozesse zu führen, falls
ausreichende Mittel zur Deckung der Kosten vorhanden sind, und wenn diesen
Kosten der Charakter von Massaschulden zukommt, so wird damit nicht primär
der Zweck verfolgt, das Gericht und die Gegenpartei in bezug auf diese
Kosten sicherzustellen, sondern es soll ein geordnetes Konkursverfahren
gewährleistet werden, was einschliesst, dass sich die Verfahrenskosten
ganz allgemein im Rahmen der zur Deckung verfügbaren Mittel zu halten
haben. Darin liegt keine bundesrechtliche Regelung der Kostenhaftung für
Prozesse, an welchen Konkursmassen als Parteien beteiligt sind, und auch
keine Regelung der Kautionspflicht. Es kann deshalb nicht gesagt werden,
dass für entsprechende kantonale Regelungen kein Raum mehr bliebe.

    Auch der Einwand vermag nicht durchzudringen, die Kautionspflicht
von Konkursmassen verunmögliche die bestmögliche Verwertung der Aktiven
zu Gunsten der Gesamtheit der Konkursgläubiger und widerspreche deshalb
dem Bundesrecht. Zwar hat das Bundesgericht in BGE 85 I 147 ausgeführt,
um eine gleichmässige Befriedigung aller Gläubiger zu ermöglichen, seien
grundsätzlich auch bestrittene Rechte durch die Konkursmasse selber
auf dem Prozessweg geltend zu machen. Sei die Konkursmasse im Falle der
Klageerhebung kautionspflichtig, so bestehe beim Fehlen liquider Mittel
die Gefahr, dass sie selbst begründete Ansprüche nicht geltend machen
könne und deren Abtretung nach Art. 260 SchKG anbieten müsse; dadurch
würden die kleinen Gläubiger, die das Prozessrisiko nicht zu übernehmen
wagten, benachteiligt. Das Bundesgericht erachtete aber als fraglich,
ob im Hinblick auf diese für die ordnungsgemässe Liquidation unerwünschte
Folge die Auferlegung einer Prozesskaution an eine Konkursmasse geradezu
bundesrechtswidrig sei.

    Entgegen der Argumentation des Kassationsgerichts ist dem zitierten
bundesgerichtlichen Urteil darin beizupflichten, dass die Abtretung von
Ansprüchen der Konkursmasse an die Gläubiger zur Geltendmachung gemäss
Art. 260 SchKG die kleinen Gläubiger eher benachteiligt. Nur ein Gläubiger
mit einer hohen Forderung wird in der Regel das Risiko auf sich nehmen,
Prozesse mit grösseren Streitwerten zu führen, da das Prozessergebnis bis
zur Deckung seiner Konkursforderung dem prozessierenden Gläubiger zugute
kommt. Ein "kleiner" Gläubiger wird kaum einen Prozess um Ansprüche führen,
welche den Betrag seiner Konkursforderung erheblich übersteigen, liegt es
doch nicht in seinem Interesse, für die übrigen Gläubiger die Kastanien aus
dem Feuer zu holen. Diese Regelung wird indessen vom SchKG sanktioniert
und ist damit geltendes Bundesrecht. Selbst wenn die Kautionspflicht im
einen oder andern Falle eine Konkursverwaltung dazu veranlassen sollte,
im Zweifel von der Prozessführung abzusehen und zur Abtretung gemäss
Art. 260 SchKG zu schreiten, so könnte dieses Ergebnis nicht als dem
Sinne des Bundesrechts widersprechend beurteilt werden. Dazu kommt, dass
die Gläubigerschaft, welche die Prozessführung namens der Masse wünscht,
die Möglichkeit hat, einen Kostenvorschuss zu leisten, falls der Masse
die liquiden Mittel fehlen.

    Vor allem aber ist zu beachten, dass die Prozessführungsmöglichkeiten
von Konkursmassen nicht in erster Linie durch die Kautionspflicht,
sondern durch die zur Verfügung stehenden Mittel beschränkt werden. Die
Konkursverwaltung kann angesichts ihrer Aufgabe, für die Gesamtheit
der Gläubiger eine möglichst hohe Dividende zu erzielen, nicht alle
vorhandenen Mittel für die Führung riskanter Prozesse einsetzen. Sie wird
schon aus diesem Grunde keine Prozesse führen, wenn zur Kostendeckung
die liquiden Mittel nicht ausreichen. Die Kautionspflicht bringt deshalb
keine ins Gewicht fallende Erschwerung der Prozessführung mit sich,
sondern erleichtert es der Konkursverwaltung, das Kostenrisiko eines
Prozesses abzuschätzen. Ferner trifft es zu, dass der Entscheid über
die Prozessführung in der Regel so lange hinausgeschoben werden kann,
bis aus der Liquidation der Aktiven die Mittel für die Kautionsleistung
bereitstehen.

    Aus diesen Gründen kann nicht gesagt werden, die Kautionspflicht
von Konkursmassen gemäss § 73 Ziff. 7 der Zürcher ZPO laufe dem
SchKG zuwider. Selbst wenn die Beschwerdeführerin - was offen bleiben
kann - als Konkursmasse zu behandeln wäre, würde daher die auf dieser
Bestimmung beruhende Kautionsauflage des Kassationsgerichtes nicht gegen
die derogatorische Kraft des Bundesrechts und damit nicht gegen Art. 2
ÜbBest. BV verstossen.