Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 214



105 Ia 214

43. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
vom 12. Oktober 1979 i.S. Versari und Rothenberger/Escor Automaten AG
gegen Polizeiabteilung und Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; Rückerstattung von Gebühren.

    Es verstösst gegen Art. 4 BV, die Rückerstattung von
Bewilligungsgebühren für das Aufstellen von Geldspielautomaten zu
verweigern, wenn infolge einer Gesetzesänderung der Betrieb dieser
Automaten während der Bewilligungsdauer verboten wird.

Sachverhalt

    A.- Nach Art. 1 Abs. 1 der Verordnung des Bündner Grossen Rates über
die Spielautomaten und Spielbetriebe vom 20. November 1954 bedarf das
Aufstellen von Spielapparaten zum öffentlichen Gebrauch einer kantonalen
Bewilligung. Diese Bewilligung wird von der kantonalen Polizeiabteilung
für die Dauer eines Kalenderjahres gegen Entrichtung einer vom Kleinen
Rat festzusetzenden Gebühr erteilt (Art. 1 Abs. 2 der Verordnung). In
den Ausführungsbestimmungen über die Spielapparate und Spielbetriebe
vom 16. April 1973, abgeändert am 8. Dezember 1975, setzte die Regierung
diese Bewilligungsgebühr für Spielapparate, die Geld- oder Warengewinne
abgeben, auf Fr. 200.- und für die übrigen Spielapparate auf Fr. 80.-
je Kalenderjahr fest (Art. 2 der Ausführungsbestimmungen).

    Der Escor Automaten AG, Chur, und der einfachen Gesellschaft
"Vero-Automaten" von Bruno Versari und Hans Rothenberger wurden
für das Jahr 1977 277 bzw. 134 Bewilligungen für das Aufstellen von
Geldspielautomaten erteilt. Die Bewilligungsgebühren betrugen insgesamt
Fr. 55'400.- bzw. Fr. 26'800.-.

    Am 13. März 1977 stimmte das Bündner Volk der Änderung von Art. 31
des Gesetzes über das Wandergewerbe und die Spiel- und Filmpolizei
vom 16. Oktober 1966 (WGG) zu. Der neue Art. 31 WGG verbietet das
Aufstellen von Spielapparaten, die Geld- und Warengewinne abgeben. In den
Übergangsbestimmungen wird vorgesehen, dass die Gesetzesänderung mit ihrer
Annahme durch das Volk in Kraft trete und dass die vor diesem Zeitpunkt
aufgestellten Spielapparate innert drei Monaten nach der Inkraftsetzung
der neuen Vorschrift ausser Betrieb zu setzen seien.

    Die Escor Automaten AG sowie Bruno Versari und Hans Rothenberger
fochten die Übergangsbestimmungen des WGG beim Bundesgericht an, da sie
die für die Entfernung der Spielapparate vorgesehene dreimonatige Frist für
unverhältnismässig kurz hielten. Ihre staatsrechtlichen Beschwerden wurden
mit Urteil vom 13. Juli 1977 abgewiesen. Auf Einladung des Bundesgerichtes
setzte hierauf die Bündner Regierung den Beschwerdeführern eine Nachfrist
bis 31. August 1977 zur Beseitigung der Apparate an.

    Mit Schreiben vom 29. und 30. September 1977 ersuchten die
Escor Automaten AG und die Firma "Vero-Automaten" die kantonale
Polizeiabteilung um Rückerstattung eines Drittels der für das Jahr
1977 bezahlten Bewilligungsgebühren. Die Polizeiabteilung wies die
Forderungen am 5. Oktober 1977 zurück, worauf die Escor Automaten AG
sowie Versari und Rothenberger an das Verwaltungsgericht des Kantons
Graubünden gelangten, welches die Rekurse am 17. Januar 1978 ebenfalls
abwies. Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes haben die beiden
Rekurrenten staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV
eingereicht. Das Bundesgericht heisst die Beschwerde gut.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 3

    3.- Das Verwaltungsgericht hat die Rückerstattung eines Anteils der -
pauschal erhobenen - Gebühren einzig aus dem Grunde abgelehnt, weil es
im Wesen der Pauschale liege, dass diese nur in vollem Umfange entrichtet
und nicht aufgeteilt werden könne. Diese Auffassung ist völlig unhaltbar
und sachlich nicht zu vertreten.

    Pauschalierung einer Gebühr bedeutet, dass auf die Festsetzung von
Gebührenbemessungsgrundlagen und auf die Berechnung des Gebührenbetrages
im Einzelfall verzichtet und eine im vornherein bestimmte, feste Geldsumme
bezogen wird (vgl. BLUMENSTEIN, System des Steuerrechts, 3. A., S. 248;
VALLENDER, Grundzüge des Kausalabgabenrechts, S. 62 f.). Solche fixen
Gebühren können wie die variablen sowohl für einmalige Verrichtungen des
Staates wie auch für Gegenleistungen, die während eines gewissen Zeitraumes
andauern, vorgesehen werden. Werden die staatlichen Gegenleistungen nicht
oder nicht während der ganzen vorgesehenen Zeitdauer erbracht, so kann es
für die Entstehung eines Rückerstattungsanspruches nicht von Bedeutung
sein, ob die Gebühr als fester Betrag - also als Pauschale - entrichtet
oder im Einzelfall anhand eines Gebührenmassstabes berechnet oder innerhalb
eines Gebührenrahmens festgesetzt worden sei. Die Argumentation des
Verwaltungsgerichtes hält deshalb vor Art. 4 BV nicht stand.

    Es stellt sich daher die Frage, ob sich der angefochtene Entscheid
aus andern, vom Verwaltungsgericht nicht ausdrücklich verworfenen Gründen
halten lasse.

Erwägung 4

    4.- Die umstrittene Gebühr ist ein Entgelt für die Bewilligung,
Geldspielapparate während eines Jahres zum Gebrauch aufzustellen. Die
Gegenleistung des Staates besteht somit in der Erteilung der Bewilligung
für die Dauer eines Jahres und in der polizeilichen Beaufsichtigung
des Spielbetriebes. Ob die von den Beschwerdeführern entrichteten
Gebühren reine Verwaltungsgebühren sind, oder ob sie zusätzlich auch
Wesensmerkmale einer Steuer tragen, also als Gemengsteuern zu betrachten
sind (vgl. u.a. BGE 103 Ia 87 E. 5a; VALLENDER, aaO, S. 41), ist für die
Entscheidung im vorliegenden Fall nicht massgeblich. Ausschlaggebend ist
einzig, dass die Beschwerdeführer nach Bezahlung der Gebühren berechtigt
waren, ihre Spielautomaten aufzustellen und während der vollen Dauer
eines Jahres zu betreiben.

Erwägung 5

    5.- Der Rechtsgrundsatz, dass Zuwendungen, die aus einem nicht
verwirklichten oder nachträglich weggefallenen Grund erfolgen,
zurückzuerstatten sind, gilt auch im öffentlichen Recht (BGE 88 I 216
f., 78 I 88; IMBODEN/RHINOW, Schweizerische Verwaltungsrechtsprechung
Nr. 32 B und dort zitierte Rechtsprechung). Eine Leistung ist
allerdings dann nicht ohne Rechtsgrund erbracht worden, wenn sie auf
Grund einer rechtskräftigen Verfügung erfolgt. Die Fehlerhaftigkeit
einer rechtskräftigen Abgabenverfügung ändert, wie das Bundesgericht in
ständiger Rechtsprechung festgestellt hat, grundsätzlich nichts daran, dass
die Abgabe geschuldet wird. Die Rückerstattung der bezahlten Steuer oder
Gebühr kann deshalb nur in Frage kommen, wenn ein Grund vorliegt, auf die
Steuer- oder Gebührenverfügung zurückzukommen, d.h. wenn das Gesetz selbst
die Abänderung oder Aufhebung der Verfügung vorsieht oder ein direkt aus
Art. 4 BV herzuleitender Revisionsgrund vorliegt (BGE 78 I 61 f., 200 f.,
206, 75 I 309 ff., 71 I 47, ZBl 64/1963 S. 303, ASA 34 Nr. 15, 32 Nr. 10,
vgl. auch BGE 102 Ib 46 ff.; IMBODEN/RHINOW, aaO, Nr. 43 B insbes. III).

    In vorliegenden Fall wird nicht bestritten, dass die Beschwerdeführer
die ihnen auferlegten Gebühren nicht angefochten haben und die auf
die Dauer eines Jahres erteilten Bewilligungen zum Aufstellen von
Spielapparaten mitsamt der Gebührenauflage rechtskräftig geworden
sind. Diese rechtskräftig erteilten Bewilligungen sind jedoch durch
die Gesetzesänderung vom 13. März 1977 sinngemäss abgeändert bzw.
auf einen drei Monate nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung
liegenden Zeitpunkt aufgehoben worden. Da die Gebührenauflage Bestandteil
der Bewilligung darstellt, teilt sie deren rechtliches Schicksal. Dem
Rückerstattungsbegehren der Beschwerdeführer kann somit die ursprüngliche
Rechtskraft der Gebührenverfügung nicht entgegengehalten werden, da diese
durch das Gesetz selbst nachträglich aufgehoben worden ist.

    Selbst wenn man aber davon ausgehen wollte, dass die Gebührenauflage
eine selbständige Verfügung darstelle und durch die Gesetzesänderung
nicht auch dahingefallen sei, so wäre das Vorliegen eines Revisionsgrundes
anzunehmen. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung haben die Kantone
auch ohne ausdrückliche kantonale Bestimmung auf Grund von Art. 4 BV eine
Revision materiell rechtskräftiger Verfügungen u.a. dann vorzunehmen,
wenn sich eine gegenüber dem der ersten Verfügung zugrundeliegenden
Tatbestand wesentlich veränderte Sachlage ergeben hat, wobei die neu
geschaffene Lage - wie dies im vorliegenden Falle zutrifft - durch eine
Gesetzesänderung herbeigeführt worden sein kann (BGE 78 I 61 f., 200 f., 86
I 173). Die kantonalen Behörden hätten daher das von den Beschwerdeführern
gestellte Rückerstattungsbegehren, in welchem sich diese ausdrücklich
auf die neue Situation beriefen, als Revisionsbegehren entgegennehmen
und diesem stattgeben müssen. Der Entscheid des Verwaltungsgerichtes
lässt sich daher auch unter der Annahme, die Gesetzesänderung habe an
der Gültigkeit der Gebührenauflage an sich nichts geändert, nicht halten.