Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 190



105 Ia 190

38. Auszug aus dem Urteil der II. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 24.
Juli 1979 i.S. F. gegen Hochschule St. Gallen für Wirtschafts- und
Sozialwissenschaften (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; kantonale Prüfung.

    Kognition des Bundesgerichts bei staatsrechtlichen Beschwerden gegen
kantonale Examensentscheide.

Sachverhalt

    A.- Mit Schreiben vom 24. April 1978 teilte der Studiensekretär
der Hochschule St. Gallen dem Beschwerdeführer F. mit, dass er die
Zwischenprüfung im Fach "Volkswirtschafts-Lehre I" zum dritten Mal und
damit endgültig nicht bestanden habe. Gegen diesen Prüfungsentscheid
reichte F. beim Senat Einsprache ein; sie blieb ohne Erfolg. Auch die
beim Hochschulrat der Hochschule St. Gallen eingelegte Beschwerde wurde
abgewiesen. Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende auf Art. 4
BV gestützte Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Bei staatsrechtlichen Beschwerden gegen Prüfungsentscheide
ist die Kognition des Bundesgerichts grundsätzlich nicht anders als
bei andern auf Art. 4 BV gestützten Beschwerden. Demnach überprüft das
Bundesgericht die Sachverhaltsfeststellungen und die Beweiswürdigung der
kantonalen Behörden lediglich auf Willkür hin und greift nur ein, wenn
diese offensichtlich falsch sind oder auf einem offenkundigen Versehen
beruhen (BGE 101 Ia 306; 98 Ia 142 mit Hinweisen). Auch bei der Anwendung
und Auslegung des kantonalen Rechts - sowohl des Verfahrensrechts, als auch
der materiellen Vorschriften - steht dem Bundesgericht die Willkürprüfung
zu, und es hebt den angefochtenen Entscheid nur auf, wenn kantonale
Vorschriften in unhaltbarer Weise ausgelegt und angewendet wurden, so
dass der Entscheid mit keinen sachlichen Gründen vertreten werden kann
(BGE 102 Ia 3; 97 I 627, 923). Das Bundesgericht prüft indessen frei,
ob die unmittelbar aus Art. 4 BV abgeleiteten Garantien, insbesondere der
Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sei (BGE 103 Ia 138; 102 Ia 26;
101 Ia 170).

    Eine besondere Kognitionsregelung ergibt sich freilich für
die Überprüfung von Examensleistungen. Deren Bewertung erfolgt nach
pflichtgemässem Ermessen der Prüfungsinstanz. Bei Ermessensentscheiden
einer Verwaltungsbehörde kann das Bundesgericht nach der allgemeinen Regel
auf Willkürbeschwerden hin eingreifen, wenn diese die Grenze zulässigen
Ermessens offensichtlich überschritten hat, d.h. wenn ihr Entscheid auf
einer unhaltbaren Würdigung der Umstände beruht oder wenn sie sich von
Erwägungen hat leiten lassen, die offensichtlich keine oder doch keine
massgebliche Rolle spielen dürfen (BGE 100 Ia 307 E. 3b; 99 Ia 452 E. 4,
563 E. 2 mit Hinweis). Bei der Überprüfung von Examensentscheiden ist wegen
deren besonderer Natur noch grössere Zurückhaltung geboten (vgl. Urteil
vom 10. Mai 1967 i.S. R., vom 20. Dezember 1978 i.S. S.; SJZ 73/1977,
S. 10; vgl. BGE 99 Ia 591 f.). Die Besonderheit besteht vorab darin,
dass eine sachgerechte Beurteilung oftmals die Kenntnis der Verhältnisse
an der betreffenden Schule oder Universität sowie der Persönlichkeit der
Kandidaten voraussetzt. Zudem werden Prüfungen in sehr verschiedenartigen
Materien abgenommen, so dass als Examinatoren häufig Fachleute berufen
werden, welche aufgrund ihrer Spezialkenntnisse und ihrer Erfahrung
in einer bestimmten, zumeist nicht rechtlichen Materie zur Abnahme von
Prüfungen besonders geeignet sind. Schliesslich erfordert eine wirksame
Kontrolle einer Prüfungsleistung den Vergleich mit den Arbeiten der andern
Kandidaten und eine Auseinandersetzung mit den übrigen Leistungen des
Betroffenen. Die Abänderung einer Examensbewertung durch das Bundesgericht
birgt daher die Gefahr neuer Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten in
sich. Diese Gefahr besteht insbesondere, wenn die Prüfung aufgrund des
Entscheides wiederholt werden muss, denn Examen lassen sich nicht unter
völlig gleichen Bedingungen nochmals durchführen (vgl. dazu im einzelnen
PLOTKE, Probleme des Schulrechts, Prüfungen und Promotionen, 1974, S. 249
ff., 341 ff.). Aus diesen oder ähnlichen Erwägungen verzichten die Kantone
oftmals auf Rechtsmittel gegen Prüfungsentscheide oder lassen nur formelle
Rügen zu (BGE 99 Ia 591; Blätter für Zürcherische Rechtsprechung 70/1971,
S. 52 f.; Urteil des BGer vom 1. Oktober 1975 i.S. D.). Auch das OG
schliesst in Art. 99 lit. f die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
Verfügungen über das Ergebnis von eidgenössischen Berufs-, Fach- oder
andern Fähigkeitsprüfungen aus (vgl. BBl 1965 II 1314). Der Bundesrat tritt
auf Beschwerden von ETH-Studenten gegen das Ergebnis der Diplomprüfung
ebenfalls nicht ein (VPB 39/1975 Nr. 85). Gegen letztinstanzliche
Prüfungsentscheide kantonaler Behörden kann zwar gestützt auf Art. 4
BV staatsrechtliche Beschwerde geführt werden, doch kann es nicht
Aufgabe des Bundesgerichts sein, gewissermassen die Prüfung selbst zu
wiederholen. Das Bundesgericht prüft daher bei solchen Beschwerden in
erster Linie, ob das gesetzlich vorgeschriebene oder unmittelbar durch
Art. 4 BV gewährleistete Prüfungsverfahren durchgeführt wurde und ob die
kantonalen Rechtsmittelbehörden ihrer Kontrollpflicht in hinreichender
Weise nachgekommen sind. Bezüglich der Bewertung von Examensleistungen
prüft es lediglich, ob sich die entscheidenden Instanzen von sachfremden
Erwägungen haben leiten lassen, so dass der Prüfungsentscheid unter
rechtsstaatlichen Gesichtspunkten als nicht mehr vertretbar erscheint.

    b) Gemäss Art. 26 der Ordnung für die wirtschaftswissenschaftliche
Diplomprüfung vom 24. Januar 1968 können im kantonalen Einsprache-
und Rekursverfahren nur die Verletzung wesentlicher Vorschriften der
Prüfungsordnung und der zu ihrem Vollzug erlassenen Bestimmungen,
Unangemessenheit in der Beurteilung des Leumunds sowie Willkür bei der
Bewertung der Prüfungsleistung geltend gemacht werden. Indem die kantonalen
Rechtsmittelinstanzen ihre Kognition im Sinne dieser Bestimmung beschränkt
haben, haben sie kein Verfassungsrecht verletzt.