Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 131



105 Ia 131

28. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes von 20. August 1979 i.S. G.
gegen Statthalteramt des Bezirks Zürich und Kassationsgericht des Kantons
Zürich (staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; §§ 430, 435 - 437 der zürcherischen Strafprozessordnung.

    Ist hinsichtlich der den Entscheid tragenden Erwägungen ein
Nichtigkeitsgrund gegeben, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Das
kantonale Kassationsgericht darf nicht einzelne aktenwidrige oder
willkürliche Feststellungen "zuhanden des Bundesgerichts", bei dem eine
eidg. Nichtigkeitsbeschwerde hängig ist, streichen und die kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde "im Sinne der Erwägungen" abweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 4

    4.- a) In seiner Eventualbegründung zog das Obergericht aus einer
Mehrzahl von Indizien den Schluss, der Beschwerdeführer habe in Kauf
genommen, dass in den von ihm gemieteten Räumlichkeiten an der A.-Strasse
verbotene Glücksspiele veranstaltet wurden. Die von G. in der kantonalen
Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwände gegen die Eventualbegründung hat
das Kassationsgericht weitgehend als unzulässige appellatorische Kritik an
der obergerichtlichen Beweiswürdigung verworfen. Einzig die Annahme des
Obergerichts, durch die Auslandabwesenheit habe G. sich vor allem seiner
Verantwortung zu entziehen versucht, hat die Vorinstanz als in dieser Form
nicht genügend belegt erachtet, da nicht abgeklärt sei, aus welchen Motiven
der Beschwerdeführer jeweils im Ausland weilte. Das Kassationsgericht
hat den Satz "zuhanden des Bundesgerichts" ersatzlos gestrichen.

    b) Der Beschwerdeführer hat ein rechtliches Interesse daran, dass
durch die zuständige Behörde entschieden werde, oh es auch ohne diese
Annahme als erwiesen erachtet werden könne, er habe die Veranstaltung
der verbotenen Glücksspiele in Kauf genommen. Auf die staatsrechtliche
Beschwerde ist daher insoweit einzutreten.

    c) Die von der Vorinstanz als unzulässig erkannte Annahme des
Obergerichts, G. habe sich durch seine Auslandabwesenheit vor allem seiner
Verantwortung zu entziehen versucht, ist offensichtlich nicht nur von
nebensächlicher Bedeutung. Sie ist im Gegenteil ein schwerwiegendes Indiz
dafür, dass der Beschwerdeführer die Veranstaltung verbotener Glücksspiele
in den von ihm gemieteten Räumlichkeiten in Kauf genommen habe. Sie betont
stärker als andere Indizien das Willensmoment. Der vom Kassationsgericht
"zuhanden des Bundesgerichts" gestrichene Satz stellt die Quintessenz
eines wesentlichen Teils der in der Eventualbegründung enthaltenen
Erwägungen des Obergerichts dar. Liegt aber nach der zürcherischen Praxis
(vgl. L. RAYMANN, Die Nichtigkeitsgründe im zürcherischen Strafprozess,
Diss. ZH 1972, S. 70) ein relativer Nichtigkeitsgrund im Sinne von §
430 Ziff. 4 StPO schon dann vor, wenn nicht ausgeschlossen werden kann,
dass der Mangel den Entscheid beeinflusste, so hat das Kassationsgericht,
indem es das Urteil des Obergerichts trotz der wesentlichen Bedeutung
des weggefallenen Indizes nicht aufhob, § 435 StPO nicht nur unrichtig,
sondern willkürlich angewendet. Hinzu kommt, dass eine Streichung
einzelner Erwägungen "zuhanden des Bundesgerichts" in der zürcherischen
Strafprozessordnung gar nicht vorgesehen ist. Es fehlen im Gesetz auch
jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Art der Erledigung der kantonalen
Nichtigkeitsbeschwerde durch die Kassationsinstanz davon abhängt, ob neben
der kantonalen Beschwerde auch noch eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde
erhoben worden ist oder nicht.

    Das Urteil der Vorinstanz beruht daher auf einer willkürlichen
Anwendung des kantonalen Verfahrensrechts und verletzt damit Art. 4 BV. Ob
zur Abklärung des Sachverhalts und zu dessen rechtlicher Beurteilung
das Kassationsgericht (vgl. § 437 i.V.m. § 430 Ziff. 5 StPO) oder das
Obergericht (vgl. § 436 i.V.m. § 430 Ziff. 4 StPO) zuständig ist, kann
hier offen bleiben, da der staatsrechtlichen Beschwerde, wie eingangs
erwähnt, lediglich kassatorische Funktion zukommt. Der Entscheid darüber
hängt davon ab, ob die als unzulässig erklärte Annahme des Obergerichts
betreffend G. Motiv für die Auslandabwesenheit eine aktenwidrige
tatsächliche Annahme im Sinne von § 430 Ziff. 5 StPO oder willkürliche
Beweiswürdigung, d.h. eine Verletzung gesetzlicher Prozessformen im
Sinne von § 430 Ziff. 4 StPO (vgl. L. RAYMANN, aaO, 71, A. DECURTINS,
Die kantonal-zürcherische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Diss. ZH
1971, S. 37 oben), darstellt.