Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 105 IA 113



105 Ia 113

23. Auszug aus dem Urteil der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom
21. Mai 1979 i.S. X. gegen Z. und Kassationsgericht des Kantons Zürich
(staatsrechtliche Beschwerde) Regeste

    Art. 4 BV; unentgeltliche Rechtspflege.

    Begriff der Aussichtslosigkeit eines Zivilprozesses.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtes hat eine
bedürftige Partei in einem für sie nicht aussichtslosen Zivilprozess
Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege. Das Bundesgericht untersucht in
erster Linie, ob die Bestimmungen des kantonalen Prozessrechtes über die
unentgeltliche Rechtspflege nicht in willkürlicher Weise angewendet worden
seien. Ist dies zu verneinen, so prüft es weiter (und zwar in rechtlicher
Hinsicht frei), ob der unmittelbar aus dem Grundsatz der Rechtsgleichheit
im Sinne von Art. 4 BV fliessende Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege
verletzt worden sei (BGE 104 Ia 33 mit Verweisungen).

    a) Gemäss § 84 Abs. 1 der zürcherischen Zivilprozessordnung haben
unbemittelte Parteien Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung, "sofern
der Prozess nicht als aussichtslos erscheint". Das Handelsgericht hat
zum Begriff der Aussichtslosigkeit bemerkt, als aussichtslos gälten
"Rechtsbegehren, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer
sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft
bezeichnet werden können, nicht aber, wenn die Gewinnaussichten
und die Verlustgefahren sich ungefähr die Waage halten oder wenn
jene nur wenig geringer sind als diese. Es soll verhindert werden,
dass eine Partei auf Staatskosten einen Prozess durchführt, den eine
vermögliche Person auf eigene Kosten vernünftigerweise nicht unternehmen
würde." Das Kassationsgericht hat sich dieser Umschreibung des Begriffs der
Aussichtslosigkeit durch Verweisung auf den Entscheid des Handelsgerichtes
angeschlossen. Sie entspricht nicht nur ständiger zürcherischer Praxis
(vgl. dazu Komm. STRÄULI/MESSMER, N. 5 zu § 84 ZPO), sondern steht
auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, das die
Aussichtslosigkeit genau gleich zu umschreiben pflegt wie die zürcherischen
Gerichte (BGE 98 Ia 342 E. 1, 95 I 415 E. 2 mit Verweisungen).

    b) Der Beschwerdeführer beruft sich eingangs der Beschwerdeschrift
selbst auf diese Rechtsprechung, versucht indessen an anderer Stelle
doch, sie praktisch in Frage zu stellen. Er macht geltend, "aussichtslos"
sei gleichbedeutend mit "nicht ernsthaft", und das sei ein Prozess nur
dann, "wenn die Klageschrift bereits auf Anhieb und ohne Beweisverfahren
erkennen lässt, dass der Kläger mit seinem Standpunkt scheitern wird". Als
Beispiele aussichtsloser Klagen führt er an: klarerweise fehlende
Passivlegitimation, fehlende Prozessvoraussetzungen wie z.B. verpasste
Fristen, Rechtsschriften eines notorischen Querulanten. Damit engt er
den Begriff der Aussichtslosigkeit in einer Weise ein, die nicht der
angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtes entspricht. Es lässt die
Abweisung eines Gesuches um unentgeltliche Rechtspflege nicht nur dann
zu, wenn der Prozess im Zeitpunkt der Gesuchstellung bereits aufgrund
der Akten durch Urteil zuungunsten des Gesuchstellers entschieden
werden könnte, sondern es räumt den kantonalen Instanzen durchaus die
Befugnis ein, einer Partei die unentgeltliche Rechtspflege auch dann zu
verweigern, wenn zwar vielleicht noch Beweiserhebungen in Betracht zu
ziehen wären, die Aussichten auf einen Prozessgewinn jedoch aufgrund der
bisher vorliegenden Akten weit geringer sind als diejenigen auf einen
Verlust. Massgebend ist, ob eine über die nötigen Mittel verfügende
Partei bei vernünftiger Überlegung das Risiko eingehen würde, den Prozess
einzuleiten oder fortzuführen. Dieser Lösung liegt der Gedanke zugrunde,
dass weder die Kantone noch die jeweilige Gegenpartei von Bundesrechts
wegen verpflichtet werden können, Aufwendungen für Prozesse zu erbringen,
die nicht geführt würden, wenn damit für die klagende Partei das übliche
Kostenrisiko verbunden wäre. An der bisherigen Rechtsprechung ist daher
festzuhalten. Sie erlaubt den kantonalen Instanzen in Verbindung mit der
Würdigung der Akten auch eine antizipierte Beweiswürdigung (vgl. dazu auch
BGE 97 I 220), die vom Bundesgericht nur auf Willkür hin überprüft werden
kann. Demgemäss erweist sich die Beschwerde im vornherein insoweit als
unbegründet, als damit in allgemeiner Form gerügt wird, das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege hätte vor Erhebung der angebotenen Beweise
nicht abgewiesen werden dürfen.