Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 V 84



104 V 84

18. Auszug aus dem Urteil vom 16. Mai 1978 i.S. Menzi gegen Ausgleichskasse
SPIDA und Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft Regeste

    Vergütung der Kosten der Ersatzbatterien von Elektrofahrstühlen
(Art. 14 IVV und Art. 7 Abs. 2 und 3 HV vom 29. November 1976). Die
Regelung in der Wegleitung zur HV, wonach Elektrofahrstuhlbatterien anders
behandelt werden als Autobatterien, verstösst gegen den Grundsatz der
Rechtsgleichheit. Wenn der Ersatz von Autobatterien zum Reparaturaufwand
gezählt wird, der von der Versicherung nach Massgabe des Art. 7 Abs. 2
HV zu übernehmen ist, gilt die gleiche Regelung auch für den Ersatz von
Batterien für Elektrofahrstühle.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 7 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Abgabe von
Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung vom 29. November 1976 (HV)
werden die Kosten, die bei Hilfsmitteln trotz sorgfältigen Gebrauchs
infolge Reparatur, Anpassung oder teilweiser Erneuerung entstehen,
von der Invalidenversicherung übernommen, sofern nicht ein Dritter
ersatzpflichtig ist. Die Kosten für den Betrieb von Hilfsmitteln,
insbesondere von Motorfahrzeugen, Fahrstühlen mit elektromotorischem
Antrieb und Hörapparaten, gehen dagegen, von Beiträgen in Härtefällen
abgesehen, nicht zu Lasten der Versicherung (Art. 7 Abs. 3 HV).

Erwägung 2

    2.- Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Kosten, welche
dem Beschwerdeführer infolge Ersetzung der Elektrofahrstuhl-Batterien
verursacht wurden, als Reparatur- oder als Betriebsaufwand zu betrachten
sind.

    a) Während sich das vom 1. Januar 1969 bis Ende 1976 gültig
gewesene Kreisschreiben des Bundesamtes für Sozialversicherung
über die Abgabe von Hilfsmitteln zu dieser Frage nicht äusserte,
legt die seit dem 1. Januar 1977 gültige gleichnamige Wegleitung des
Bundesamtes in Rz 10.03.44 fest, dass der Ersatz von Batterien bei
Elektrofahrstühlen zu den Betriebskosten zu rechnen ist (ebenso Rz
9.02.5 der Wegleitung in bezug auf die nicht strassenverkehrstauglichen
Fahrstühle mit elektromotorischem Antrieb). Die Kosten für den Ersatz einer
Autobatterie werden dagegen als Reparaturaufwand betrachtet (Rz 10.01.23
bis 10.04.23 der Wegleitung). Das Bundesamt begründet diese differenzierte
Betrachtungsweise mit funktionellen Unterschieden: bei einem Auto stelle
die Batterie lediglich ein Hilfsgerät zum Benzinmotor dar und diene der
Starthilfe;, demgegenüber handle es sich bei den Elektrofahrstuhl-Batterien
"um direkte Kraftspender, die den eigentlichen Betrieb des Fahrstuhles
bewerkstelligen". Dieser Auffassung ist jedoch entgegenzuhalten, dass der
Kraftspender, welcher den Elektrofahrstuhl antreibt, nicht die Batterie
ist, sondern vielmehr der elektrische Strom, den sie liefert. Dieser
Strom wird von der Batterie nicht erzeugt, sondern - nach vorheriger
Aufladung am Stromnetz - bloss gespeichert und bei Bedarf wieder
abgegeben. Die Batterie ist demnach weder im Auto mit Benzinmotor noch
im Elektrofahrstuhl ein Betriebsmittel. Aus dem Vorstehenden folgt, dass
zwar gewisse funktionelle Unterschiede bestehen. Sie sind aber insgesamt
betrachtet nicht derart wesentlich, dass es sich rechtfertigen würde,
deswegen die Kosten für Ersatzbatterien im einen Fall zum Reparatur-,
im anderen dagegen zum Betriebsaufwand zu rechnen.

    In seiner zusätzlichen Stellungnahme weist das Bundesamt überdies
darauf hin, dass mit der in der neuen Wegleitung vorgesehenen Lösung"
eine gewisse Gleichschaltung hinsichtlich der Betriebskosten angestrebt"
werde; es wäre rechtsungleich, wenn der Besitzer eines Elektrofahrstuhls"
kostenmässig stark bevorzugt" würde, was dann zuträfe, wenn die
Invalidenversicherung für die Kosten von Ersatzbatterien aufkommen
müsste. Die vom Bundesamt angestellte Vergleichsrechnung hinsichtlich
der ungefähren Kilometerbetriebskosten bei einem Elektrofahrstuhl und
einem Auto mit Benzinmotor ist jedoch wirklichkeitsfremd, da sie in
beiden Fällen von der gleichen Tageskilometerleistung (30 km) ausgeht,
obwohl der Elektrofahrstuhl nur auf die Zurücklegung kurzer Wegstrecken
angelegt ist (vgl. in diesem Zusammenhang Rz 10.01.5 bis 10.04.5 der
Wegleitung, wonach bei einem direkten Arbeitsweg unter 2 km lediglich
Elektrofahrstühle abgegeben werden). Weil mit einem Elektrofahrstuhl
normalerweise weit weniger Kilometer gefahren werden als mit einem Auto,
liegen die Kilometerbetriebskosten bei jenem erheblich über den vom
Bundesamt errechneten Zahlen. Und wenn die Gesamtkosten niedriger sein
sollten als bei einem Auto, so ist dies kein Grund dafür, die Kosten für
den Ersatz der Elektrofahrstuhl-Batterien als Betriebsaufwand zu betrachten
und dem Versicherten zu überbinden. Denn es ist nicht zu übersehen, dass
der Versicherte bei einem Auto eine ungleich bessere Leistung erhält als
bei einem Elektrofahrstuhl: er ist im Auto gegen Witterungseinflüsse
geschützt, kann weitere Personen sowie Gepäck mitführen und hat für
Privatfahrten 4000 km im Jahr zugute (vgl. Rz 10.01.32 bis 10.04.32 der
Wegleitung). Dass er hiefür höhere Betriebskosten als der Besitzer eines
Elektrofahrstuhls zu tragen hat, ist gerechtfertigt.

    Aus dem Gesagten folgt, dass der Ersatz von Batterien bei
Elektrofahrstühlen nicht anders behandelt werden darf als bei Autos mit
Benzinmotoren. Die in der neuen Wegleitung getroffene Regelung verletzt
den Grundsatz der Rechtsgleichheit und ist daher rechtswidrig.

    b) Das Bundesamt vertritt in seiner ergänzenden Stellungnahme die
Auffassung, dass, wenn schon eine Gleichbehandlung notwendig sei, wohl eher
die Auto-Batterie ausgeklammert und ihre Ersetzung zu den vom Versicherten
zu tragenden Betriebskosten gerechnet werden müsste, Es ist jedoch nicht
ersichtlich, dass das Bundesamt die bereits im früheren Kreisschreiben
und auch in der jetzt gültigen Wegleitung festgelegte Verwaltungspraxis
ändern will, wonach der Ersatz einer Auto-Batterie als Reparaturaufwand
gilt. Daher stellt sich im vorliegenden Fall lediglich die Frage, ob im
Rahmen der geltenden Praxis der Ersatz einer Elektrofahrstuhl-Batterie
gleich zu behandeln ist. Dies ist nach dem in Erw. 2 a hievor Gesagten zu
bejahen. Daraus folgt, dass auch im Falle der Elektrofahrstuhl-Batterie
Reparaturaufwand vorliegt, der nach Massgabe des Art. 7 Abs. 2 HV von
der Invalidenversicherung zu übernehmen ist.