Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 V 74



104 V 74

15. Urteil vom 21. Juni 1978 i.S. Schmid gegen Ausgleichskasse des Kantons
Thurgau und Rekurskommission des Kantons Thurgau für die AHV Regeste

    Art. 33bis Abs. 1 AHVG. Als "massgebende Grundlage" zur Ermittlung
der für den Berechtigten vorteilhafteren Berechnungsart gelten sowohl
das durchschnittliche Jahreseinkommen als auch die Rentenskala.

Sachverhalt

    A.- Fritz Schmid bezog vom 1. August 1969 bis 31. Oktober 1977
eine ganze einfache Invalidenrente mit Zusatzrente für die Ehefrau im
Gesamtbetrage von Fr. 1'035.- monatlich. Die Bemessung der Rente beruhte
zuletzt auf einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von Fr. 20'790.-
und der Rentenskala 25.

    Nachdem Fritz Schmid das 65. Altersjahr zurückgelegt hatte, gewährte
ihm die Ausgleichskasse des Kantons Thurgau mit Wirkung ab 1. November 1977
eine ordentliche einfache Altersrente nebst Zusatzrente für die Ehefrau,
gesamthaft Fr. 817.- monatlich, basierend auf einem durchschnittlichen
Jahreseinkommen von Fr. 15'120.- und der Rentenskala 24 (Verfügung vom
15. Dezember 1977). Die Anwendung der tieferen Rentenskala ergab sich
daraus, dass die Ausgleichskasse bei der Berechnung der Beitragsdauer
eine Lücke in den Jahren 1969 bis 1976 - entstanden zufolge eines
Auslandaufenthaltes, während dem es Fritz Schmid unterlassen hatte,
der freiwilligen Versicherung für Auslandschweizer beizutreten -
mitberücksichtigte. Das tiefere durchschnittliche Jahreseinkommen ergab
sich aus der Berücksichtigung der Beitrags- und Einkommensverhältnisse
des Versicherten seit Beginn der Invalidenversicherungsleistungen im
Jahre 1969.

    B.- Gegen diese Verfügung erhob Fritz Schmid Beschwerde und verlangte,
es sei bei der Bemessung der Altersrente in Anwendung von Art. 33bis AHVG
auf die für ihn vorteilhafteren Grundlagen, wie sie bei der Berechnung der
bisher gewährten Invalidenrente galten, abzustellen. Die Rekurskommission
des Kantons Thurgau hiess das Begehren teilweise gut, indem sie für die
Bemessung der Altersrente das bei der Invalidenrente berücksichtigte
durchschnittliche Jahreseinkommen von Fr. 20790.- anwendbar erklärte und
gestützt darauf dem Versicherten total Fr. 931.- pro Monat zusprach.

    C.- Mit seiner Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt Fritz
Schmid sinngemäss, es sei der Bemessung der Altersrente die Skala 25
zugrundezulegen. Im wesentlichen macht er geltend, die nach Eintritt
des Invalidenrentenfalles entstandenen Beitragslücken dürften bei der
Ermittlung des Rentenbetrages nicht berücksichtigt werden.

    Während die Ausgleichskasse auf Abweisung schliesst, beantragt das
Bundesamt für Sozialversicherung, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei
gutzuheissen, der Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und die Sache
zum Erlass einer neuen Verfügung an die Ausgleichskasse zurückzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

    Gemäss Art. 33bis Abs. 1 AHVG ist für die Berechnung von Alters-
und Hinterlassenenrenten, die an die Stelle einer Rente gemäss dem
Bundesgesetz über die Invalidenversicherung treten, auf die für die
Berechnung der Invalidenrente massgebende Grundlage abzustellen, falls
dies für den Berechtigten vorteilhafter ist.

    Für den Beschwerdeführer sind die Berechnungsgrundlagen der
Invalidenrente günstiger. Dennoch lehnt es die Ausgleichskasse ab,
vollumfänglich darauf abzustellen. Sie anerkennt zwar, dass das letzte,
bei der Invalidenrente berücksichtigte durchschnittliche Jahreseinkommen
auch der Altersrente zugrundezulegen ist; jedoch widersetzt sie sich
der Anwendung der dort berücksichtigten Rentenskala. Art. 33bis AHVG
sei nur bei vollständiger Beitragsdauer anwendbar; andernfalls wäre ein
Invalidenrentner mit fehlenden Beitragsjahren besser gestellt als ein
AHV-Rentner, der sich in einem solchen Falle mit einer Teilrente im Sinne
von Art. 38 AHVG begnügen müsste.

    Dieser Betrachtungsweise kann nicht gefolgt werden. Wenn Art. 33bis
Abs. 1 AHVG auf die für die Berechnung der Invalidenrente "massgebende
Grundlage" verweist, so gilt dies in einem umfassenden Sinne und erstreckt
sich sowohl auf das massgebende durchschnittliche Jahreseinkommen als
auch auf die anwendbare Rentenskala. Eine Aufspaltung des Begriffs der
"massgebenden Grundlage" verbietet sich schon vom Gesetzeswortlaut
her. Dieser liefert aber auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die
Anwendung der vorteilhafteren Rentenskala eine vollständige Beitragsdauer
voraussetzen würde. Gegenteils ist im Hinblick auf den Abs. 3 des
gleichen Artikels, wo dieses Erfordernis im Zusammenhang mit der Ablösung
ausserordentlicher Renten ausdrücklich genannt wird, anzunehmen, dass
es für den allgemeinen Fall des Abs. 1 keine Berücksichtigung finden
darf. Die Rz 531 der Wegleitung über die Renten des Bundesamtes für
Sozialversicherung beruht somit auf einer zutreffenden Auslegung von
Art. 33bis Abs. 1 AHVG.

    Richtig ist zwar, dass diese Regelung zu einer Besserstellung von
Invalidenrentnern mit Beitragslücken führen kann. Diese Ungleichbehandlung
hat aber der Gesetzgeber, als er Art. 33bis - im Zusammenhang mit dem
Erlass des IVG - ins AHVG einfügte, in Kauf genommen, um beim Eintritt
des Invalidenrentners ins AHV-Alter eine Leistungsverkürzung zu vermeiden.
Verwaltung und Richter sind an diese gesetzliche Regelung gebunden.

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne gutgeheissen,
dass der Entscheid der Rekurskommission des Kantons Thurgau für die AHV
vom 10. Februar 1978 und die Verfügung der Ausgleichskasse des Kantons
Thurgau vom 15. Dezember 1977 aufgehoben werden und die Sache zum Erlass
einer neuen Verfügung im Sinne der Erwägungen an die Ausgleichskasse
zurückgewiesen wird.