Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 V 51



104 V 51

10. Urteil vom 16. März 1978 i.S. Z. gegen Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt betreffend Erläuterung des Urteils des Eidg.
Versicherungsgerichts vom 5. September 1977 Regeste

    Art. 145 Abs. 1 OG. Zulässigkeit des Erläuterungsgesuchs.

Sachverhalt

    A.- Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) errechnete
gestützt auf Art. 45 IVG für ihren Versicherten Eugen Z. eine aus
ihrer eigenen Rente und aus den Renten der Invalidenversicherung
resultierende Überversicherung von Fr. 908.-, um welchen Betrag sie ihre
Rente mit Wirkung ab 1. Januar 1975 kürzte (Verfügung vom 13. August
1975). In seinem Urteil vom 5. September 1977 (BGE 103 V 90) hatte
das Eidg. Versicherungsgericht auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
des Eugen Z. hin darüber zu befinden, ob die Zusatzrenten, die der
Beschwerdeführer von der Invalidenversicherung für seine geschiedene
Ehefrau und für das unter die elterliche Gewalt der Mutter gestellte
Kind Eliane bezieht, in die Überversicherungsrechnung einbezogen werden
dürfen. Das Gericht verneinte dies für den Fall, dass der Versicherte die
beiden IV-Zusatzrenten vollumfänglich weitergeleitet und auch die laut
Scheidungsurteil geschuldeten Unterhaltsbeiträge regelmässig überwiesen
habe. Es verhielt die SUVA, "dies näher abzuklären und alsdann über den
Rentenanspruch bzw. über eine allfällige Kürzung gemäss Art. 45 Abs. 1 IVG
und den heutigen Erwägungen neu zu verfügen" (Erw. II. 4 des Urteils). Das
Gericht hiess die Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne gut, "dass
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Basel-Landschaft vom
14. Januar 1976 sowie die SUVA-Verfügung vom 13. August 1975 aufgehoben
werden und die Sache an die SUVA zurückgewiesen wird, damit sie im Sinne
der Erwägungen verfahre".

    B.- Die Abklärungen der SUVA ergaben, dass Eugen Z. nur
die IV-Zusatzrenten an die geschiedene Frau weitergeleitet, die
Unterhaltsbeiträge gemäss Scheidungsurteil dagegen seit dem 1. Januar 1975
nicht bezahlt hatte. Die SUVA stellte sich daher auf den Standpunkt, es
fehle an einer der im bundesgerichtlichen Urteil genannten Voraussetzungen,
unter denen die Zusatzrenten bei der Berechnung der Überversicherung
unberücksichtigt zu lassen wären. Sie teilte dem Rechtsvertreter des Eugen
Z., Advokat Dr. S., mit, ihre neue Verfügung werde somit gleich lauten
müssen wie diejenige, die das Eidg. Versicherungsgericht aufgehoben habe
(Schreiben vom 24. November 1977).

    Dr. S. unterbreitete der SUVA den Vorschlag, sie möge die in den
Jahren 1975 bis 1977 aufgelaufenen rückständigen Alimente (36 Monate
zu Fr. 300.- = Fr. 10'800.-) aus dem Nachbetreffnis, das Eugen Z. von
der Anstalt zugut habe (36 Monate zu Fr. 750.- = Fr. 27'000.-) direkt
der geschiedenen Frau anweisen und ihr in Zukunft die monatlichen
Unterhaltsbeiträge direkt auszahlen.

    Die Parteien einigten sich in der Folge bezüglich der Zeit ab 1. Januar
1978: Eugen Z. erklärte sich bereit, seiner geschiedenen Frau und dem
Kinde Eliane monatlich die Unterhaltsbeiträge von Fr. 300.- gemäss
Scheidungsurteil zu bezahlen und der SUVA einen periodischen Nachweis
hierüber zu erbringen; vorbehältlich dieses Nachweises verzichtete
die SUVA darauf, die IV-Zusatzrenten in die Überversicherungsrechnung
einzubeziehen, und reduzierte dementsprechend die Überentschädigung auf
monatlich Fr. 111.-.

    Bezüglich der Jahre 1975 bis 1977 ersucht Dr. S. um Erläuterung des
bundesgerichtlichen Urteils vom 5. September 1977 mit dem Antrag, dieses
sei "in dem Sinne klarzustellen und zu vervollständigen, als erkannt
werden soll:

    Die Beschwerdegegnerin wird verurteilt, dem Beschwerdeführer für
   die Zeit vom 1.1.75 bis zum 31.12.1977 Fr. 27'000.- nachzubezahlen,
   mit der Massgabe, dass hievon Fr. 10'800.- direkt an Frau Marcella

    Z.-T. zur Auszahlung zu bringen sind, währenddem die restlichen

    Fr. 16'200.- an den Beschwerdeführer zur Auszahlung gelangen."
Dr. S. begründet diesen Antrag im wesentlichen damit:

    "Unklarheit bzw. Unvollständigkeit scheint mir deswegen gegeben
   zu sein, weil die Auffassungen der Parteien insofern auseinandergehen,
   als die Bundesanstalt die Auffassung vertritt, entsprechend dem engen

    Wortlaut der Urteilsmotive sei eine Nachzahlungspflicht nur dann
   gegeben, wenn der Beschwerdeführer den Nachweis erbringt, dass er
   die Alimente schon bezahlt hat, diese Zahlungen also bereits erfolgt
   sind. Demgegenüber vertrete ich die Auffassung, das Urteil sei in dem

    Sinne zu verstehen, dass die Nachzahlung der Bundesanstalt auch dann
   zu erfolgen hat, wenn die Alimentenzahlung nicht schon erfolgt ist,
   aber dafür Gewähr geboten wird, dass sie erfolgen wird."

    Die SUVA bestreitet die Erläuterungsbedürftigkeit des Urteils vom 5.
September 1977 und bemerkt: Nach dem entscheidenden Passus des Urteils
sei massgebend, ob Eugen Z. die für die geschiedene Frau und das Kind
Eliane bestimmten Renten vollumfänglich weitergeleitet und auch die
Unterhaltsbeiträge gemäss Scheidungsurteil regelmässig überwiesen
habe. Diese Formulierung könne nur so verstanden werden, dass es auf
die effektiv erfolgten Zahlungen ankomme. Die SUVA beantragt, auf das
Erläuterungsgesuch sei nicht einzutreten, eventuell sei das Urteil im
Sinne ihrer Rechtsauffassung zu erläutern.

Auszug aus den Erwägungen:

       Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Nach Art. 145 Abs. 1 OG nimmt das Bundesgericht die Erläuterung
eines von ihm gefällten Urteils vor, wenn dessen Rechtsspruch unklar,
unvollständig oder zweideutig ist oder wenn seine Bestimmungen
untereinander oder mit den Erwägungen im Widerspruch stehen. Gegenstand
der Erläuterung ist somit grundsätzlich nur das Dispositiv. Dass das
Dispositiv des Urteils vom 5. September 1977 unklar, unvollständig oder
zweideutig sei, wird mit Recht nicht behauptet.

    Die Erläuterung kann jedoch auch hinsichtlich der Erwägungen eines
bundesgerichtlichen Urteils verlangt werden, wenn Sinn und Tragweite
des Dispositivs erst durch Beizug der Entscheidungsgründe ermittelt
werden können (BIRCHMEIER, Bundesrechtspflege, S. 516). Wenn die SUVA im
Urteil vom 5. September 1977 verhalten wurde, "im Sinne der Erwägungen"
zu verfahren, so bezog sich das auf die erwähnte Erw. II. 4, deren Sinn
heute zwischen den Parteien umstritten ist. Hinsichtlich dieser Erwägung
ist daher das Erläuterungsgesuch zulässig. Auf dieses Gesuch ist somit
einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Das Erläuterungsverfahren nach Art. 145 OG bezweckt,
eine Unklarheit, Unvollständigkeit oder Zweideutigkeit in einem
bundesgerichtlichen Urteil zu beheben. Jedoch kann in diesem Verfahren
nicht das ergangene Urteil durch ein anderes ersetzt werden. Darauf
läuft das Begehren des Dr. S. aber hinaus, wenn er beantragt, die SUVA
sei zu bestimmten Leistungen zu verurteilen, während das Urteil des
Eidg. Versicherungsgerichts auf Rückweisung der Sache an die SUVA
lautet. Dieser Antrag ist deshalb zum vorneherein unbegründet und
abzuweisen.

Erwägung 3

    3.- Dagegen ist näher zu prüfen, ob die fragliche Stelle in den
Erwägungen des Urteils vom 5. September 1977 einer Klarstellung oder
Vervollständigung bedarf.

    Das Eidg. Versicherungsgericht hat die SUVA verhalten, abzuklären,
"ob der Beschwerdeführer die für die geschiedene Frau und das Kind
Eliane bestimmten Renten vollumfänglich weitergeleitet und auch die
Unterhaltsbeiträge gemäss Scheidungsurteil regelmässig überwiesen hat". Dem
hat das Gericht beigefügt: "Träfe dies zu, so wären die streitigen
Renten der Invalidenversicherung nicht in die Überversicherungsrechnung
einzubeziehen". Mit dieser Formulierung ist zunächst in direkter
Weise der Fall geregelt, dass Eugen Z. seinen Verpflichtungen
nachgekommen sein sollte: die IV-Zusatzrenten wären diesfalls nicht in
die Überversicherungsrechnung einzubeziehen. In indirekter Weise lässt
aber die zitierte Formulierung auch den Umkehrschluss zu, dass diese
Zusatzrenten in die Überversicherungsrechnung einbezogen werden müssten,
falls Eugen Z. seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen wäre. Diese
beiden Fälle sind an sich klar und bedürfen keiner Erläuterung.

    Die Meinungsverschiedenheit der Parteien betrifft ein zusätzliches,
neues Problem. Dr. S. verlangt nämlich, dass die Offerte des
Eugen Z. auf Nachzahlungen der ausstehenden Unterhaltsbeiträge aus
seiner Nachforderung gegenüber der SUVA der Erfüllung seiner laufenden
Alimentationsverpflichtung gleichgestellt werde; entscheidend sei, dass die
Alimentenschuld überhaupt getilgt werde, und nicht der Zeitpunkt, in dem
dies geschehe. Dieses Problem stellte sich dem Eidg. Versicherungsgericht
nicht, als es sein Urteil fällte. Es ergab sich erst aus dem neuen
Sachverhalt, indem Eugen Z. der SUVA seinen Vorschlag unterbreitete.
Die Erläuterung einer Frage, die vom Eidg. Versicherungsgericht nicht zu
prüfen war und die es daher nicht geprüft hat, ist aber ausgeschlossen
(vgl. BIRCHMEIER S. 516).

Entscheid:

        Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

    Das Erläuterungsgesuch wird abgewiesen.