Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 V 186



104 V 186

46. Auszug aus dem Urteil vom 8. November 1978 i.S. Kohler gegen
Ausgleichskasse des Kantons Zürich und AHV-Rekurskommission des Kantons
Zürich Regeste

    Umbau von Motorfahrzeugen (Art. 14 Abs. 1 lit. h IVV).

    - Ob sich die Übernahme der invaliditätsbedingten Umbaukosten vor
oder selbst nach Ablauf der 6jährigen Frist im Sinne der Weisung des
Bundesamtes für Sozialversicherung vom 23. April 1974 rechtfertigt,
bestimmt sich nach Art. 8 Abs. 1 IVG (Erw. 1 und 2).

    - Beginn der 6jährigen Frist (Erw. 3).

Sachverhalt

                      Aus dem Tatbestand:

    A.- Der im Jahre 1951 geborene Versicherte verunfallte am 8. März
1968 beim Skispringen und leidet seither an einer Querschnittlähmung der
unteren Körperhälfte.

    Die Invalidenversicherung gewährte zahlreiche medizinische
und berufliche Massnahmen sowie Hilfsmittel. Am 14. November 1968
übernahm sie u.a. die invaliditätsbedingten Umbaukosten an einem Auto
im Betrag von Fr. 2'500.-. Am 14. Juli 1975 teilte der Versicherte der
Regionalstelle für berufliche Eingliederung, Zürich, mit, er werde sich
einen neuen Opel Kadett Caravan kaufen und beantrage daher die Übernahme
der Umbaukosten. Im Zusammenhang mit einem Gesuch um Kostengutsprache
für einen Wand-Standing fügte die Ausgleichskasse ihrer Verfügung vom
22. September 1975 folgendes bei:

    "Bezüglich des Begehrens um einen Grundsatzentscheid wegen inv.-
   bedingten Auto-Umbaues ist auf die Besprechung mit der IV-Regionalstelle
   hinzuweisen. Die Invalidenversicherung rechnet mit einer Gebrauchsdauer
   von 6 Jahren, so dass frühestens nach Ablauf dieser Frist zu einem
   neu einzureichenden Begehren Stellung genommen werden kann."

    Auf dieses Schreiben hin stellte der Versicherte am 25. September
1975 das Gesuch um Vergütung der im Jahre 1974 entstandenen Kosten für
den Umbau seines neuen Autos.

    Mit Verfügung vom 8. Dezember 1975 wies die Ausgleichskasse des
Kantons Zürich das Gesuch mit folgender Begründung ab:

    "Obwohl rein materiell die Anspruchsvoraussetzungen gegeben
   wären, ist das Begehren auf Grund von Art. 48 Abs. 2 des Gesetzes
   abzuweisen.

    Dieser Artikel bestimmt nämlich: 'Meldet sich ein Versicherter mehr
   als 12 Monate nach Entstehung des Anspruchs an, so werden Leistungen
   lediglich für die 12 der Anmeldung vorangehenden Monate gewährt.'"

    B.- Die AHV-Rekurskommission des Kantons Zürich wies eine gegen diese
Verfügung erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 21. November 1977 ab. Zur
Begründung führte die Vorinstanz aus, bei der Vornahme der Umbauten
sei die Frist von 6 Jahren, die im Zeitpunkt der letzten Verfügung vom
14. November 1968 eröffnet worden sei, noch nicht abgelaufen, weshalb
die Kostengutsprache zu Recht verweigert worden sei.

    C.- Der Versicherte führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit den
Anträgen:

    "Das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Kosten von

    Fr. 2'530.- für den Autoumbau gemäss Begehren vom 25. September

    1975 seien von der IV zu übernehmen. Eventuell: Es sei mir für den
   jeweiligen Autoumbau ein jährlicher Amortisationsbeitrag zu gewähren
   und es sei festzustellen, in welchen zeitlichen Abständen ich als

    Querschnittgelähmter Anspruch auf Übernahme von Autoumbaukosten
   durch die IV habe. Für den Fall, dass der Umbau von Ihnen als zu früh
   vorgenommen betrachtet werden sollte: Es sei mir von den Fr. 2'530.-
   ein Abzug von 7/72 zu machen."

    Die Ausgleichskasse verzichtet auf Vernehmlassung. Das
Bundesamt für Sozialversicherung beantragt Gutheissung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Im vorliegenden Fall sei nichts dagegen
einzuwenden, wenn dem Versicherten ein Beitrag bewilligt, jedoch ein
Abzug für den zu früh vorgenommenen Umtausch des Autos gemacht würde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Invalide haben Anspruch auf Eingliederungsmassnahmen, soweit diese
notwendig und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit wieder herzustellen,
zu verbessern, zu erhalten oder ihre Verwertung zu fördern (Art.
8 Abs. 1 IVG).

    Im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste besteht Anspruch
auf jene Hilfsmittel, deren der Versicherte für die Ausübung der
Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in seinem Aufgabenbereich, für die
Schulung, die Ausbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung
bedarf (Art. 21 Abs. 1 IVG).

    In Art. 14 Abs. 1 lit. h IVV hat der Bundesrat Hilfsgeräte
am Arbeitsplatz sowie Zusatzgeräte von Apparaten und Maschinen
aufgenommen. Die Praxis hat den Geltungsbereich dieser Bestimmung auf
Motorfahrzeuge ausgedehnt, die für die Berufsausübung notwendig sind (BGE
97 V 237, ZAK 1972 S. 495). Diese bis Ende 1976 in Kraft gewesene Ordnung,
welche auf den vorliegenden Fall noch Anwendung findet, gilt grundsätzlich
in gleicher Weise auch unter der Herrschaft der auf den 1. Januar 1977 in
Kraft getretenen Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln (vgl. Art. 2
Abs. 3 HV sowie Liste der Hilfsmittel Ziffer 10.05).

    Nach Ziffer III der rückwirkend auf den 1. Januar 1974 in Kraft
getretenen Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung vom 23. April
1974 übernimmt die Invalidenversicherung sowohl bei leihweiser Abgabe
als auch bei Gewährung von Amortisationsbeiträgen "zusätzlich die Kosten
für die infolge des Gebrechens erforderlichen Spezialeinrichtungen
(z.B. Abänderungen für Handbedienung), soweit die Fahrzeuge nicht bereits
fabrikmässig entsprechend ausgerüstet sind. Diese Kosten können höchstens
alle 6 Jahre übernommen werden."

    Nach Art. 21 Abs. 3 IVG werden dem Versicherten die Hilfsmittel nur
in einfacher und zweckmässiger Ausführung abgegeben.

Erwägung 2

    2.- a) Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich
Anspruch auf Übernahme der invaliditätsbedingten Änderungskosten hat.

    b) Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, entspricht die vom Bundesamt
für Sozialversicherung in den Weisungen vom 23. April 1974 vorausgesetzte
Zeitspanne von mindestens 6 Jahren der nach dem heutigen Stand der Technik
zu erwartenden Lebensdauer eines Fahrzeuges. Die Vorinstanz fasst diese
Frist als "Sperrfrist" auf, innert welcher die Invalidenversicherung keine
Leistungen zu erbringen habe. Das Bundesamt für Sozialversicherung ist
der Meinung, dass dieser Zeitraum grundsätzlich einzuhalten sei. Da jedoch
der Beschwerdeführer sein Fahrzeug nur wenige Monate vor Ablauf der Frist
gewechselt habe - er tausche seine Autos ungefähr alle zwei Jahre ein und
übernehme in der Zwischenzeit die Abänderungskosten selbst -, sei in diesem
Einzelfall nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Beitrag bewilligt, aber
ein entsprechender Abzug für den zu früh erfolgten Umbau gemacht werde.

    c) Der Auffassung des Bundesamtes für Sozialversicherung ist der
Vorzug zu geben. So wäre es jedenfalls nicht sachgerecht, Wenn bei einem
- Wegen vorzeitiger Alterung - knapp vor Ablauf der 6jährigen Frist
vorgenommenen invaliditätsbedingten Umbau keine Leistungen erbracht
würden. Die Weisung des Bundesamtes für Sozialversicherung, dass solche
Umbaukosten grundsätzlich "höchstens alle 6 Jahre" zu übernehmen sind,
ist dahin auszulegen, dass bei einem - ausnahmsweisen und begründeten -
früher erfolgten Wechsel eines Fahrzeuges ein Abzug vorgenommen werden
muss, der dem vorzeitigen Wechsel innerhalb der 6jährigen Frist zu
entsprechen hat. Damit erhält ein Versicherter, der sein Auto bereits
vor Ablauf von 6 Jahren wechselt, nicht mehr an Leistungen als derjenige,
welcher erst bei Ablauf der Frist ein anderes Fahrzeug erwirbt.

    Anderseits gilt auch für solche Umbaukosten der Grundsatz, dass
sie nur zu übernehmen sind, wenn für den Umbau eine Notwendigkeit
besteht (Art. 8 Abs. 1 IVG). Die in der Weisung des Bundesamtes für
Sozialversicherung erwähnte Frist von 6 Jahren ist im Sinne einer -
den durchschnittlichen tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden
- Minimalfrist zu verstehen. Daraus folgt, dass mit dem Ablauf der
6jährigen Frist nicht automatisch ein Anspruch auf Vergütung der Kosten
eines neuen Umbaus entsteht, wenn der alte noch seinen Zweck versieht,
und dass dementsprechend auch kein absoluter Anspruch auf Übernahme dieser
Kosten pro rata temporis (gerechnet auf 6 Jahre) besteht.

    d) Der Beschwerdeführer wechselt seine Autos ungefähr alle zwei
Jahre und übernimmt innerhalb der 6jährigen Frist die Abänderungskosten
selbst. Wie dem Bericht der Garage X. vom 21. Dezember 1977 zu entnehmen
ist, hätte er sein altes Fahrzeug einer grösseren und kostspieligen
Motorrevision unterziehen müssen. Aus diesem Grund und weil er das Auto
nur einige Monate vor Ablauf der 6jährigen Frist wechselte, rechtfertigt
sich die Übernahme der invaliditätsbedingten Umbaukosten für die Dauer
einer neuen Periode von mindestens 6 Jahren unter Vornahme eines der
verfrühten Zusprechung entsprechenden Abzuges.

Erwägung 3

    3.- Vorinstanz und Bundesamt für Sozialversicherung gehen davon
aus, dass die 6jährige Frist vom Zeitpunkt der Verfügung zu laufen
beginne. Weil jedoch zwischen der Vornahme der invaliditätsbedingten
Abänderungen und dem Erlass einer Verfügung geraume Zeit verstreichen
kann, ist auf den Zeitpunkt des Umbaus (der mit der Inbetriebnahme des
Fahrzeuges zusammenfallen dürfte) abzustellen.

    Nach Aussage des Beschwerdeführers nahm dieser sein Auto Opel
Commodore am 1. Dezember 1968 in Betrieb, so dass angenommen werden
kann, die 6jährige Frist (umfassend 72 Monate) wäre am 1. Dezember 1974
abgelaufen. Am 1. April 1974 tauschte er das alte Auto gegen ein neues
um. Weil er somit das Auto 8 Monate vor Ablauf der Frist erwarb, ist ein
Abzug von 8/72 vorzunehmen.

    Damit wird dem Beschwerdeführer sinngemäss eine Leistung ab 1. Dezember
1974 erbracht. Das hiefür am 25. September 1975 eingereichte Gesuch ist
somit im Sinne von Art. 48 Abs. 2 IVG rechtzeitig gestellt worden.