Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 68



104 IV 68

22. Urteil des Kassationshofes vom 31. Mai 1978 i.S.
S.-Versicherungsgesellschaft und M.-Bank gegen Staatsanwaltschaft des
Kantons Zürich und F. Regeste

    1. Art. 269 BStP.

    Die Vereinigung von Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtlicher
Beschwerde in einer gemeinsamen Eingabe ist nur zulässig, wenn beide
Rechtsmittel hinsichtlich Antrag und Begründung klar auseinandergehalten
werden (Erw. 2).

    2. Art. 271 Abs. 1 BStP, Art. 58 und Art. 60 StGB.

    a) Eine auf den Zivilweg verwiesene adhäsionsweise geltend gemachte
Schadenersatzforderung ist nicht mit der Strafklage "beurteilt" (Erw. 3b).

    b) Die Einziehung von Verbrechensgut zuhanden des Staates gemäss
Art. 58 StGB wird nicht zur Befriedigung eines Zivilanspruchs verhängt
(Erw. 3c).

    c) Ein auf Art. 60 StGB gestütztes Begehren des Geschädigten betrifft
keinen Zivilanspruch (Erw. 3d).

Sachverhalt

    A.- Am 17. Juni 1977 verurteilte das Geschworenengericht des Kantons
Zürich F. wegen qualifizierten Raubes, wiederholter und fortgesetzter
Urkundenfälschung, einfacher Körperverletzung sowie Gewalt und
Drohung gegen Beamte zu zwölf Jahren Zuchthaus, Fr. 3000.- Busse und
15 Jahren Landesverweisung. Das Gericht verpflichtete F. zudem, die
S.-Versicherungsgesellschaft mit Fr. 112 196.15 zu entschädigen. Im
Mehrbetrag wurde das Schadenersatzbegehren der Versicherung auf den
Zivilweg verwiesen. Dagegen wurde ihr eine Umtriebsentschädigung von
Fr. 4698.80 zuerkannt.

    Das Geschworenengericht beschloss des weiteren, die bei F. und R.
beschlagnahmten Geldbeträge von Fr. 589 529.10, Wert 6. Januar 1977,
und Fr. 33 138.-, Wert 31. Dezember 1976, samt den seither aufgelaufenen
Zinsen beider Konti, sowie die weiter am 18. März bzw. 1. April 1976
beschlagnahmten Fr. 21 200.- und Fr. 295.30, abzüglich die den Geschädigten
zugesprochenen Fr. 112 196.15, Fr. 4698.80 und Fr. 133.10, definitiv zu
beschlagnahmen und zur Deckung der Busse sowie der Untersuchungs- und
Gerichtskosten zu verwenden, während der verbleibende Betrag im Sinne
von Art. 58 StGB zuhanden des Kantons Zürich eingezogen werde.

    B.- Gegen dieses Urteil und den damit verbundenen Beschluss führen die
S.-Versicherungsgesellschaft und die M.- Bank Nichtigkeitsbeschwerde und
erklären, für den Fall, dass der Kassationshof wider Erwarten auf diese
mangels Legitimation der Beschwerdeführerinnen nicht eintreten sollte,
sei die Eingabe als staatsrechtliche Beschwerde entgegenzunehmen. Die
Beschwerdeführerinnen machen eine Verletzung von Art. 58 und 60 StGB sowie
einen Verstoss gegen den Grundsatz der Rechtsgleichheit, denjenigen der
Verhältnismässigkeit und gegen die verfassungsmässige Eigentumsgarantie
geltend; schliesslich rügen sie auch Willkür in der Tatsachenfeststellung.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführerinnen möchten die Natur des Rechtsmittels als
Nichtigkeitsbeschwerde oder staatsrechtliche Beschwerde von der Frage ihrer
Legitimation zur einen oder zur andern Beschwerde abhängig machen. Damit
übersehen sie jedoch, dass notwendig zunächst die Frage entschieden werden
muss, welcher Art das Rechtsmittel seinem Inhalt nach ist, und dass erst
dann diejenige nach der Befugnis der Beschwerdeführerinnen zur Ergreifung
des betreffenden Rechtsmittels entschieden werden kann.

Erwägung 2

    2.- Die Eingabe der Beschwerdeführerinnen ist nacheinander als
Nichtigkeitsbeschwerde und als staatsrechtliche Beschwerde bezeichnet. In
der Begründung wird jedoch unter anderem eine Verletzung von Art. 58 und
60 StGB gerügt. Da die Anwendung dieser Bestimmungen vom Bundesgericht im
Verfahren auf Nichtigkeitsbeschwerde überprüft werden kann, enthält die
Eingabe insoweit eine Rüge, die ihre Bezeichnung als Nichtigkeitsbeschwerde
rechtfertigt. Daneben enthält sie freilich auch Vorbringen, die Gegenstand
einer staatsrechtlichen Beschwerde bilden könnten. Da jedoch Nichtigkeits-
und staatsrechtliche Beschwerde zwei selbständige Rechtsmittel sind, die
- sowohl was die Form der Einreichung als die gerichtliche Beurteilung
betrifft - unterschiedlichen Verfahrensregeln unterliegen, können sie
nicht in ein und derselben Eingabe vereinigt werden. Vom Erfordernis
getrennter Eingaben kann nur dann eine Ausnahme gemacht werden, wenn die
verschiedenen Rechtsmittel in der Rechtsschrift nach Antrag und Begründung
äusserlich klar in getrennten Abschnitten auseinandergehalten werden
(BGE 101 IV 248). Das ist hier nicht der Fall. Da die staatsrechtliche
Beschwerde im Verhältnis zur Nichtigkeitsbeschwerde subsidiären Charakter
hat (Art. 84 Abs. 2 OG), sind deshalb die Rügen der Verletzung von Art. 4
BV und der Eigentumsgarantie nicht zu hören.

Erwägung 3

    3.- Ist somit die Eingabe als Nichtigkeitsbeschwerde entgegenzunehmen,
stellt sich nunmehr die Frage, ob die Beschwerdeführerinnen als
Geschädigte in diesem Verfahren die Verletzung von Art. 58 und 60 StGB
rügen können. Das ist aus verschiedenen Gründen zu verneinen.

    a) Als Privatstrafklägerinnen gemäss Art. 270 Abs. 3 BStP steht ihnen
die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zu, weil sie vor Geschworenengericht
nicht allein, ohne Beteiligung der Staatsanwaltschaft die Anklage
vertreten haben.

    b) Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde nach Art. 271 BStP in Frage steht,
ist sie schon deswegen nicht gegeben, weil die Beschwerdeführerinnen den
Entscheid des Geschworenengerichtes im fraglichen Punkte nur insoweit
anfechten, als damit ein Teil ihres "Schadenersatzbegehrens" auf den
Zivilweg verwiesen wurde. Nach Art. 271 Abs. 1 BStP kann nämlich der
Geschädigte die Nichtigkeitsbeschwerde wegen des Zivilanspruchs nur
ergreifen, sofern dieser zusammen mit der Strafklage "beurteilt" worden
ist. Wo jedoch der Strafrichter ein adhäsionsweise geltend gemachtes
Begehren auf den Zivilweg verweist, beurteilt er es gerade nicht,
sondern stellt es dem Geschädigten anheim, sein Begehren beim zuständigen
Zivilrichter anhängig zu machen (vgl. auch BGE 96 I 633).

    c) Sodann betrifft, was die Beschwerdeführerinnen mit dem Hinweis
auf Art. 58 StGB geltend machen, gar keine Zivilforderung, sondern eine
Massnahme, die um der öffentlichen Ordnung und Sittlichkeit willen und
nicht im Hinblick auf die Befriedigung eines vom Geschädigten geltend
gemachten Zivilanspruchs verhängt wird (BGE 91 IV 168 und das nicht
veröffentlichte Urteil des Kassationshofes vom 29. März 1977 i.S. M. und
Kons.).

    d) Schliesslich wird auch mit der Berufung auf Art. 60 StGB keine
Zivilforderung geltend gemacht. Bei dem Begehren eines Geschädigten
gemäss Art. 60 StGB handelt es sich um ein solches aus öffentlichem
Recht, was die Beschwerde nach Art. 271 BStP ausschliesst (BGE 89 IV 173
und das vorgenannte nicht veröffentlichte Urteil).

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.