Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 43



104 IV 43

14. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofs vom 21. Februar 1978 i. S. W.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau Regeste

    Art. 37 Abs. 1 GSchG.

    Ein in einen Fluss versenkter aufgebrochener Stahlschrank kann geeignet
sein, das Wasser zu verunreinigen.

Sachverhalt

    A.- Nachdem W. anfangs November 1973 gesehen hatte, wie sein
Mieter A. in seiner Scheune in Wegenstetten/AG einen Tresor mit einer
Winkelschleifmaschine aufbrach, nahm er von ihm Geld im Betrag von
Fr. 400.- entgegen im Bewusstsein, dass das Geld aus dem aufgebrochenen
Tresor stammte. Als W. wenige Tage später feststellte, dass der
Kassenschrank sich immer noch in der Scheune befand, forderte er A. auf,
den Tresor möglichst rasch aus seinem Haus zu entfernen, und riet ihm,
ihn zu versenken. Wenig später machte er A. auf einer gemeinsamen Fahrt
nach Egerkingen in der Gegend des Kraftwerkes Ruppoldingen darauf
aufmerksam, dass hier eine Gelegenheit bestehe, den Gegenstand zu
versenken. Anschliessend fuhr A. mit W. an die Aare, um dort die Gegend
zu rekognoszieren. Später brachte A. mit einem Komplizen den Tresor nach
Ruppoldingen und versenkte ihn beim Aarekanaleinfluss.

    B.- Das Bezirksgericht Rheinfelden sprach mit Urteil vom 2. März
1977 W. der Hehlerei schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingten
Gefängnisstrafe von einer Woche.

    Auf Berufung des Verurteilten und der Staatsanwaltschaft hin sprach
das Obergericht des Kantons Aargau am 29. September 1977 W. der Hehlerei
sowie der Gehilfenschaft zu vorsätzlicher Gewässerverunreinigung schuldig
und verurteilte ihn zu einer bedingten Gefängnisstrafe von einer Woche
sowie zu einer Busse von Fr. 100.-.

    C.- W. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene
Urteil aufzuheben und die Sache zur Freisprechung des Angeklagten an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Staatsanwaltschaft beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- Das Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigung
vom 8. Oktober 1971 (Gewässerschutzgesetz, GSchG) untersagt in Art. 14
Abs. 1, Stoffe, die geeignet sind, das Wasser zu verunreinigen, mittelbar
oder unmittelbar in die Gewässer einzubringen oder abzulagern. Wer dieses
Verbot vorsätzlich und widerrechtlich übertritt, ist gemäss Art. 37 Abs.
1 GSchG strafbar.

    Die Vorinstanz hat W. wegen Gehilfenschaft zu dieser Tat mit Fr. 100.-
gebüsst. Sie sieht die Haupttat darin, dass A. den Kassenschrank bei
Ruppoldingen im Aarekanal versenkt hat. Dadurch habe er vorsätzlich
und widerrechtlich einen festen Gegenstand, der geeignet sei, das
Wasser zu verunreinigen, in ein Gewässer abgelagert. Die Beihilfe des
Beschwerdeführers liege darin, dass er mit A. den Ort ausgekundschaftet
und ihm geraten habe, den Tresor dort zu versenken.

    a) Dagegen macht der Beschwerdeführer zunächst geltend, dass ein
aus Stahl hergestellter Kassenschrank ein Gewässer verunreinigender
Gegenstand sei, sei nicht erwiesen. Es liege kein Beweis dafür vor, dass
der Tresor Gewässer verunreinigt habe. Da die meisten Kassenschränke aus
rostfreiem Stahl gefertigt seien, hätte untersucht werden müssen, aus
welchem Stahl der Tresor hergestellt worden sei. Abgesehen davon stelle
es eine überdehnende Auslegung dar, jemanden wegen Gewässerverunreinigung
zu bestrafen, der einen eisernen Gegenstand in einem Fluss versenke.

    Dass der Tresor aus dem Wasser gehoben wurde, bevor er nachweislich
durch Rost oder sonstwie das Wasser der Aare verunreinigt hat,
ist unerheblich. Denn Art. 37 Abs. 1 GSchG ist als Gefährdungsdelikt
schon dann erfüllt, wenn der betreffende Gegenstand geeignet ist, eine
Verschmutzung herbeizuführen.

    Die Vorinstanz nimmt als selbstverständlich an, dass ein aus
Stahl bestehender Tresor geeignet sei, ein Gewässer zu verunreinigen;
diese Eignung könne von keinem vernünftigen Menschen bezweifelt
werden. Damit beruft sie sich auf eine allgemeine Erfahrung, ohne
die konkrete Beschaffenheit des in casu versenkten Gegenstandes zu
berücksichtigen. Die Richtigkeit von Erfahrungssätzen und deren Anwendung
auf den Einzelfall ist eine Rechtsfrage, die der Kassationshof im Verfahren
der Nichtigkeitsbeschwerde überprüfen kann (vgl. BGE 83 IV 189 f. und
99 IV 74; ferner J. REHBERG, ZSR N.F. 94/1975, 2. Hbd., S. 386 ff. mit
Praxishinweisen).

    Stahl, der ständig mit Wasser in Berührung ist, rostet, sofern er
nicht durch besondere Behandlung "rostfrei" gemacht wurde. Aber selbst
nicht alle derartigen Verfahren können auf längere Zeit die Oxydation
völlig verhindern (Encyclopaedia Universalis, Bd. 1, Paris 1968, S. 160 f,
"Aciers inoxydables"; Nouvelle encyclopédie pratique de mécanique, Bd. 1,
Paris 1949, S. 484 f; Meyers enzyklopädisches Lexikon, Bd. 20, Mannheim
1977, S. 352 Stichwort "Rost"). Im vorliegenden Fall steht nicht fest, dass
der Stahltresor durch ein besonderes Verfahren wirksam gegen Rost geschützt
wurde. Vor den kantonalen Instanzen hat es der Beschwerdeführer auch nicht
behauptet, so dass die diesbezügliche Äusserung vor Bundesgericht neu ist
und daher nicht gehört werden kann (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Überdies
hat A. den Tresor mit einer Winkelschleifmaschine aufgebrochen, wodurch
ein allfälliger Rostschutz möglicherweise beseitigt wurde. Muss man somit
von einem gewöhnlichen Stahlschrank ausgehen, so ist die Annahme, der
Tresor sei geeignet gewesen, das Wasser der Aare zu verunreinigen, nicht
zu beanstanden. Zwar ist richtig, dass ein nicht rostfreier Kassenschrank,
für sich allein genommen, das Wasser der Aare nicht erheblich verschmutzen
könnte. Doch darf die Versenkung dieses Gegenstandes nicht isoliert
betrachtet werden; sie ist vielmehr bedeutsam im Zusammenhang mit der schon
bestehenden und von andern mitverursachten Gewässerverschmutzung. Nur wenn
solche Verunreinigungen als Massenerscheinung in jedem Einzelfall bekämpft
werden, besteht die Hoffnung auf einen wirksamen Gewässerschutz. Die hier
zu beurteilende Tat darf auch nicht mit irgendwelchen anderen geduldeten
Rosteinwirkungen wie Eisen- und Stahlbestandteilen von Brücken und Stegen,
eisernen Schiffsbestandteilen usw. verglichen werden. Diese Einwirkungen
werden bis zu einem gewissen Grade im Hinblick auf legitime höhere
Interessen geduldet. Solche Interessen fehlen nun aber offensichtlich,
wenn es darum geht, sich eines gestohlenen Gegenstandes zu entledigen.

    b) Der Beschwerdeführer beruft sich sodann auf Rechtsirrtum gemäss
Art. 20 StGB und macht geltend, es sei im angefochtenen Entscheid kein
einziger Grund angegeben worden, dass der Angeklagte keinen zureichenden
Grund zur Annahme gehabt habe, das Versenken des Tresors verletze die
Bestimmungen des Gewässerschutzgesetzes nicht. Diese Argumentation ist
jedoch verfehlt. Dass die Verunreinigung von Gewässern gegen rechtliche
Verbote verstösst, ist heute allgemein bekannt. Im vorliegenden Fall ist
aber in keiner Weise ersichtlich, dass dem Beschwerdeführer die Kenntnis
dieses Verbots aus zureichenden Gründen gefehlt habe. In der Beschwerde
wird denn auch nirgends dargelegt, aus welchen Gründen W. angenommen
haben soll, es sei zulässig, einen Tresor aus Stahl in einem Fluss zu
versenken. Demnach hat die Vorinstanz zu Recht die Anwendung von Art. 20
StGB abgelehnt.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.