Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 270



104 IV 270

62. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 19. Oktober 1978 i.S. B.
gegen Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen Regeste

    Art. 1 und 2 der Verordnung über die Einfuhr ausländischer Banknoten
vom 14. April 1976.

    Gesetzmässigkeit des generellen Einfuhrverbots für ausländische
Banknoten (Erw. 4-7).

Sachverhalt

    A.- a) Gestützt auf Art. 1 und 2 Abs. 2 des BB vom 8. Oktober 1971
über den Schutz der Währung (SR 941.11) erliess der Bundesrat am 14. April
1976 eine Verordnung über die Einfuhr ausländischer Banknoten (AS 1976
I 883). Nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 dieser Verordnung ist es untersagt,
ausländische Banknoten im Gegenwert von mehr als Fr. 20'000.- pro Person
und Vierteljahr in schweizerisches Zollgebiet einzuführen. Widerhandlungen
gegen diese Verordnungsbestimmungen sowie Versuch und Gehilfenschaft sind
gemäss Art. 4 und 5 des BB strafbar.

    b) In der Zeit vom 21. April bis 29. Juni 1976 führte der in Innsbruck
wohnhafte österreichische Staatsangehörige R. unter 15 Malen insgesamt
180,3 Millionen Lire in 1'000-, 2'000- und 5'000- Lirenoten mit seinem
Personenwagen von Italien in die Schweiz ein, wo er sie jeweils bei
der Bank X. in St. Gallen in 100'000-, 50'000- oder 10'000-Lirenoten
umtauschte. Diese führte er dann wieder nach Italien aus und wechselte sie
dort erneut in kleinere Lirenoten. Da die Bank die kleineren Lirenoten über
ihrem Nennwert entgegennahm, ergab sich für R. aus diesen Transaktionen
ein Gewinn.

    Die Wechselgeschäfte bei der Bank X. wickelte R. stets mit dem
Prokuristen B. ab, dem er jeweils telefonisch mitteilte, welchen
Betrag an ausländischen Banknoten er zu welchem Zeitpunkt umzutauschen
wünsche. B. stellte aufgrund dieser Meldungen die gewünschten grossen
Lirenoten bereit, sodass beim Eintreffen des R. in St. Gallen der
Geldwechsel in kurzer Zeit abgewickelt werden konnte.

    B.- Mit Strafbescheid vom 3. Januar 1977 sprach das Eidg. Finanz-
und Zolldepartement (EFZD) R. der vorsätzlichen Widerhandlung gegen
Art. 4 des genannten BB schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von
Fr. 12'000.-. B. wurde der Gehilfenschaft zu den von R. begangenen
strafbaren Handlungen schuldig gesprochen und zu Fr. 1'000.- Busse
verurteilt. Am 4. April 1977 bestätigte das EFZD auf Einsprache hin den
gegen R. und B. ergangenen Strafbescheid.

    B. verlangte am 22. April 1977 gerichtliche Beurteilung.

    Das Bezirksgericht Unterrheintal sprach B. am 24. August 1977 von
der Anklage der Gehilfenschaft zu Widerhandlungen gegen die Verordnung
des Bundesrates vom 14. April 1976 frei.

    Am 3. Mai 1978 fand jedoch das Kantonsgericht St. Gallen B. dieser
Gehilfenschaft schuldig und auferlegte ihm eine bedingt vorzeitig löschbare
Busse von Fr. 1'000.-.

    C.- B. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Kantonsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

    Die Schweizerische Bundesanwaltschaft und das EFZD beantragen
sinngemäss Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- B. bestreitet die Gesetzmässigkeit von Art. 1 Abs. 1 der VO des
Bundesrates. Er macht geltend, die Verordnung stütze sich ausdrücklich
auf Art. 1 Abs. 1 des BB, überschreite jedoch mit dem generellen Verbot
der Einfuhr ausländischer Banknoten über eine bestimmte kleine Freigrenze
hinaus die Delegationsnorm. Aufgrund des Wortlauts von Art. 1 BB und
der Gesetzesmaterialien (Botschaft des Bundesrates, BBl 1971 II 837)
habe der Bundesrat lediglich Massnahmen zum Schutz der schweizerischen
Währung anordnen dürfen. Das erlassene Einfuhrverbot für ausländische
Banknoten sei demnach nur insoweit durch die Delegationsnorm gedeckt,
als die eingeführten ausländischen Noten in der Schweiz verblieben
bzw. in Schweizer Franken oder in Gold umgetauscht würden. Schweizerische
Währung und Wirtschaft würden jedoch in keiner Weise gefährdet, wenn
die eingeführten ausländischen Banknoten in der Schweiz bloss in andere
Noten der gleichen Währung umgetauscht und sogleich wieder im gleichen
Betrag ins Ausland ausgeführt würden. Das generelle Einfuhrverbot für
ausländische Banknoten sei deshalb zu weit gefasst und sei - weil über
die Delegationsnorm hinausgehend - gesetzwidrig.

Erwägung 3

    3.- Die Rüge wird heute vom Beschwerdeführer erstmals erhoben. Das
würde jedoch ihre Prüfung durch das Bundesgericht nur hindern, wenn
die Vorinstanz nach kantonalem Prozessrecht die Rechtsfrage mangels
Geltendmachung durch eine der Parteien nicht zu prüfen hatte und sie aus
diesem Grund offen geblieben wäre. In solchen Fällen kann sich auch der
Kassationshof mangels eines letztinstanzlichen Urteils im betreffenden
Punkte mit der Frage nicht befassen (BGE 102 IV 106, 87 IV 102). So
verhielt es sich hier nicht. Das Kantonsgericht St. Gallen hatte als
Berufungsinstanz geurteilt, und das sanktgallische Gesetz über die
Strafrechtspflege enthält in den die Berufung regelnden Bestimmungen der
Art. 180-189 keine Vorschrift, welche dem Gericht vorschriebe, nur die
von den Parteien im Berufungsverfahren geltend gemachten Rechtsfragen
zu prüfen. Das Kantonsgericht hat daher die Frage nicht deshalb nicht
erörtert, weil es sie aus solchem prozessualen Grunde nicht hatte prüfen
dürfen, sondern weil es deren Prüfung offenbar nicht für nötig erachtet
hat oder ihm das Problem überhaupt nicht bewusst geworden ist. Der
Kassationshof hat demzufolge auf die Rechtsfrage einzutreten.

Erwägung 4

    4.- Grundlage des Art. 1 Abs. 1 der VO des Bundesrates über die
Einfuhr ausländischer Banknoten ist Art. 1 des BB vom 8. Oktober 1971
über den Schutz der Währung. Diese Bestimmung ermächtigt den Bundesrat,
in Verbindung mit der Schweizerischen Nationalbank bei schwerwiegender
Störung der internationalen Währungsverhältnisse ausserordentliche
Massnahmen zu treffen, die er zur Führung einer dem Gesamtinteresse des
Landes dienenden Währungspolitik als notwendig und unaufschiebbar erachtet,
namentlich um den unerwünschten Zufluss ausländischer Gelder abzuwehren und
ihren Abfluss zu fördern. Damit bestimmt der BB einerseits den Zweck, dem
die zu erlassenden Massnahmen zu dienen haben, und umschreibt anderseits
die Voraussetzungen, unter denen der Bundesrat entsprechende Massnahmen
anordnen darf. In jeder Hinsicht geschieht dies jedoch in einem weiten
Rahmen, wobei es insbesondere dem Ermessen des Bundesrates überlassen wird,
über Art und Umfang der Massnahmen zu befinden, die er zur Erreichung des
gesetzten Zieles für geeignet und nötig hält. Der Richter, der zu prüfen
hat, ob Art. 1 Abs. 1 der VO des Bundesrates dem von Art. 1 Abs. 1 des
BB vorgeschriebenen Zweck diene, darf dabei nicht sein eigenes Ermessen
an die Stelle jenes des Bundesrates treten lassen. Vielmehr hat er sich
insoweit auf die Prüfung zu beschränken, ob sich der Bundesrat mit dem
Erlass von Art. 1 Abs. 1 der VO eines Mittels bedient hat, das objektiv
dem durch Art. 1 Abs. 1 des BB verfolgten Zweck zu dienen vermag, d.h. zur
Führung einer dem Gesamtinteresse des Landes dienenden Währungspolitik in
Zeiten schwerwiegender Störung der Internationalen Währungsverhältnisse
überhaupt geeignet ist (s. BGE 98 IV 135, 92 IV 109 u.a.m.).

    Gleicherweise wird er bei der Prüfung der weiteren Frage Zurückhaltung
üben, ob die vom Bundesrat vorgesehene Massnahme dem in der Delegationsnorm
verankerten Gebot der Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit genügt; denn
auch insoweit räumt das Gesetz dem Bundesrat Ermessen ein ("als notwendig
und unaufschiebbar erachtet"). Er wird deshalb das in der Voraussetzung der
sachlichen und zeitlichen Erforderlichkeit enthaltene Verbot des Übermasses
nur dann als missachtet ansehen, wenn der Bundesrat den besagten Rahmen
offensichtlich überschritten hat.

Erwägung 5

    5.- Der Beschwerdeführer bestreitet selber nicht, dass ein
Einfuhrverbot für ausländische Banknoten ein an sich geeignetes Mittel ist,
in Zeiten gestörter internationaler Währungsverhältnisse die schweizerische
Währung gegen spekulative Zuflüsse fremder Gelder zu schützen. Auch stellt
er nicht in Abrede, dass Massnahmen solcher Art zur Zeit unaufschiebbar
sind, ist doch die internationale Währungslage seit Jahren schwerwiegend
gestört mit der Folge einer unverhältnismässigen Aufwertung des Schweizer
Frankens gegenüber den meisten ausländischen Währungen, insbesondere
auch der Lira, und dass deswegen die Schweiz zu einem Anziehungspunkt
für spekulative und für die schweizerische Wirtschaft gefährliche
Kapitalbewegungen der internationalen Finanz geworden ist.

Erwägung 6

    6.- Dagegen hält B. dafür, dass das Verbot zu weit gehe, weil es
keine Rücksicht darauf nehme, ob die eingeführten Gelder auch sogleich
wieder ausgeführt würden. Er bestreitet damit implizite die durch die
Delegationsnorm geforderte Notwendigkeit eines generellen Verbots der
Einfuhr, wie es vom Bundesrat erlassen wurde.

    Es mag durchaus zutreffen, dass die sofortige Wiederausfuhr
ausländischer Gelder ihre Anlage in der Schweiz verunmöglicht und diesfalls
eine Gefahr für die schweizerische Währung nicht geschaffen wird. Um
jedoch bei Zulassung der Einfuhr fremder Banknoten volle Gewähr für ihre
unmittelbare Wiederausfuhr zu haben, müssten derart weitgehende Kontrollen
vorgesehen werden, dass sie mit den der Verwaltung zur Verfügung stehenden
Mitteln nicht durchzuführen wären (s. die Vernehmlassung des EFZD S. 3,
act. 12). Ohne eine solche Kontrolle aber wäre ein beschränktes Verbot,
wie es dem Beschwerdeführer vorschwebt, ein völlig untaugliches Mittel
zum Schutz der Schweizer Währung und wäre der Umgehung der Verordnung Tür
und Tor geöffnet. Wenn deshalb der Bundesrat die Einfuhr ausländischer
Banknoten ohne Rücksicht auf die allfällige Ausfuhr einer gleichwertigen
Summe in gleicher Währung verboten hat, so hat er damit eine Lösung
getroffen, welche es erlaubt, einen nicht tragbaren Kontrollaufwand zu
vermeiden und gleichzeitig den angestrebten Schutz der schweizerischen
Währung zu gewährleisten, ohne damit den Rahmen der Delegationsnorm
zu sprengen. Das trifft übrigens auch deswegen zu, weil der Bundesrat
eine durchaus differenzierte Lösung getroffen hat. Nicht nur hat er die
Einfuhr ausländischer Banknoten bloss für Beträge in einem Fr. 20'000.-
übersteigenden Masse verboten, sondern das Verbot in seiner Anwendung
auf den Einzelfall auch zeitlich begrenzt (Art. 2 VO) und überdies
vorgesehen, dass die Nationalbank zur Erleichterung des Fremden-, Waren-
und Zahlungsverkehrs die Einfuhr höherer Beträge bewilligen kann. Die
Rüge des unzulässigen Übermasses schlägt deshalb nicht durch, zumal die
Erleichterung internationaler Spekulationsgeschäfte keinesfalls Anlass
sein konnte, das Verbot weiter einzuschränken.

Erwägung 7

    7.- Der Beschwerdeführer stellt sich auf den Standpunkt, der Sinn
des Art. 1 Abs. 1 der VO könne nur sein, dass einzig die echte Einfuhr
ausländischer Banknoten verboten sei, d.h. die Einfuhr ohne unmittelbar
anschliessende Ausfuhr des gleichen Geldbetrags in gleicher Währung, denn
nur die echte Einfuhr könne die schweizerische Währungspolitik berühren.

    Dem kann nicht beigepflichtet werden. Alle ausländischen Banknoten,
welche ohne Bewilligung der Nationalbank eingeführt werden, sind potentiell
geeignet, in der Schweiz angelegt zu werden und damit das geschützte
Rechtsgut, nämlich die schweizerische Währung zu verletzen. Da aber ein
solches Risiko bereits in der Tatsache der Einfuhr liegt, wollte mit der
genannten Bestimmung auch schon die Gefährdung des geschützten Rechtsgutes
und nicht erst die Verwirklichung der Gefahr strafrechtlich erfasst
werden. Straftatbestände dieser Art sind denn auch unserer Rechtsordnung
durchaus nicht fremd, sondern vielmehr geläufig (z.B. Art. 204, 244
StGB, Art. 1 und 3 ZG u.a.m.). Im übrigen ist der Delegationsnorm nichts
dafür zu entnehmen, dass sie dem Bundesrat verböte, schon die abstrakte
Gefährdung der Währung unter Strafe zu stellen. Ist dem aber so, kann
nichts darauf ankommen, ob nach der Einfuhr ausländischer Banknoten der
gleiche Betrag in gleicher Währung sogleich wieder ausgeführt wird oder
nicht; dies umsoweniger, als - wie bereits ausgeführt - eine zuverlässige
Kontrolle insoweit nicht besteht und wegen ihres untragbaren Aufwands
nicht eingeführt werden kann.

    Die Vorinstanz hat deshalb Bundesrecht nicht verletzt, wenn sie die
Gehilfenschaft zur Einfuhr im vorliegenden Fall bejahte, ohne Rücksicht
darauf, dass R. die eingeführten Geldbeträge in gleicher Währung wieder
ausgeführt hat.