Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 209



104 IV 209

48. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Mai 1978
i.S. G. gegen Statthalteramt Bülach Regeste

    Art. 222 MStG.

    Die Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde durch den Verurteilten
setzt das Strafverfahren nicht fort. Die Berücksichtigung einer verspäteten
Beschwerdebegründung kann deshalb nicht unter Berufung auf Art. 222 MStG
verlangt werden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Gemäss Art. 272 Abs. 1 und 2 BStP hat der Beschwerdeführer die
Nichtigkeitsbeschwerde innert 10 Tagen seit der nach kantonalem Recht
massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheides bei der Behörde,
welche ihn erlassen hat, durch Einreichung einer schriftlichen Erklärung
einzulegen und innert 20 Tagen seit Zustellung der schriftlichen
Ausfertigung bei der gleichen Behörde schriftlich zu begründen.

    Der Beschwerdeführer erhielt den mit einer genauen
Rechtsmittelbelehrung versehenen Entscheid am 20. März 1978. Fristgemäss
meldete er am 29. März 1978 die Nichtigkeitsbeschwerde an. Die
Beschwerdebegründung datiert dagegen erst vom 7. Mai 1978 und wurde
am 16. Mai 1978, also lange nach Ablauf der Begründungsfrist, der Post
übergeben.

Erwägung 2

    2.- Der Beschwerdeführer nennt als Grund für die Verspätung einen
Wiederholungskurs, den er vom 31. März an habe absolvieren müssen und
verlangt unter Hinweis auf Art. 222 Abs. 1 MStG Berücksichtigung seiner
verspäteten Begründungseingabe.

    Nach Art. 222 Abs. 1 MStG darf während der Dauer des Militärdienstes
ein bürgerliches Strafverfahren gegen einen Dienstpflichtigen nur mit
Ermächtigung des Eidgenössischen Militärdepartementes eingeleitet oder
fortgesetzt werden.

    Das Strafverfahren gegen G. war indessen mit Ausfällung des
obergerichtlichen Urteils abgeschlossen. Gemäss konstanter Praxis
des Bundesgerichtes (BGE 101 IV 392, BGE 96 IV 52 und dort zitierte
Entscheide) endet nämlich die Verfolgungsverjährung mit der Ausfällung
des letztinstanzlichen kantonalen Urteils. Danach sind, unter Vorbehalt
einer Nichtigkeitsbeschwerde des Anklägers, die das Strafverfahren
fortsetzt, keinerlei Verfolgungshandlungen mehr zulässig. Auch die
Einreichung einer Nichtigkeitsbeschwerde durch den Verurteilten setzt
die Verfolgungsverjährung nicht wieder in Gang.

    War demnach im vorliegenden Fall die Strafverfolgung gegen den
Beschwerdeführer mit Ausfällung des obergerichtlichen Urteils abgeschlossen
und wurde durch die Einreichung seiner Nichtigkeitsbeschwerde die
Strafverfolgung gegen ihn nicht fortgesetzt, so ist eine Berufung auf
Art. 222 Abs. 1 MStG nicht möglich.

    Selbst wenn jedoch Art. 222 MStG auf das vorliegende Verfahren
anzuwenden wäre, könnte dies dem Beschwerdeführer nicht helfen. Nach seiner
eigenen - nicht belegten - Darstellung musste er vom 31. März bis 24. April
1978 Dienst leisten. Stand während dieser Zeit die Begründungsfrist von
20 Tagen still (Art. 222 Abs. 3 MStG), so verstrichen die ersten 10 Tage
vom 21.-30. März. Die restlichen 10 Tage liefen spätestens vom 25. April
bis 4. Mai. Die Eingabe vom 7. bzw. 16. Mai 1978 war daher auf jeden
Fall verspätet.

Erwägung 3

    3.- Die Leistung obligatorischen schweizerischen Militärdienstes
ist indessen ein Restitutionsgrund im Sinne von Art. 35 OG. Zwar hatte
der Beschwerdeführer schon 10 Tage vor Beginn des Wiederholungskurses
Kenntnis von Urteil und Fristen, doch stand ihm für die Ausarbeitung
der Begründungsschrift die volle Frist zu, die nicht durch Militärdienst
verkürzt werden durfte.

    Jedoch auch wenn seine Eingabe als Gesuch um Wiederherstellung der
versäumten Frist aufgefasst wird, erfolgte sie verspätet. Nach Art. 35 OG
ist ein solches Gesuch binnen 10 Tagen nach Wegfall des Hindernisses zu
stellen und gleichzeitig ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Da
der Beschwerdeführer spätestens am 24. April 1978 aus dem Dienst entlassen
wurde, lief die Frist am 4. Mai 1978 ab. Seine Eingabe, die sowohl das
Gesuch wie die Begründung enthielt, wurde erst am 16. Mai, also verspätet,
auf die Post gegeben.