Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 135



104 IV 135

33. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 26. Mai 1978 i.S. X. und
Y. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau Regeste

    Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer gegen Verunreinigungen.

    1. Art. 32 Abs. 2 GSchG. Die bei der Bewilligung zur Ausbeutung
von Kies, Sand oder anderem Material über dem nutzbaren Grundwasser zu
belassende schützende Materialschicht bemisst sich nicht nach starren
allgemeinen Regeln, sondern nach den örtlichen Gegebenheiten (E. 1b).

    2. Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG. Bei diesem Straftatbestand handelt es
sich um ein abtraktes Gefährdungsdelikt (E. 1c und d).

Sachverhalt

    A.- X. ist Direktor der H. AG, welcher am 12. Juli 1965 die
Bewilligung zur Kiesausbeutung auf den Parzellen Mülligen Nummern 121
bis 126 "nicht tiefer als bis zur Kote 361.00" erteilt worden war,
sowie Verwaltungsrat der K. AG, welche die Kiesausbeutung vornahm und
hinsichtlich des Managements und der Oberleitung der H. AG untersteht;
Y. ist Betriebsleiter der K. AG.

    Anlässlich eines Augenscheines vom 16. Dezember 1975 wurde
festgestellt, dass im Bereiche des 1974 erstellten Absetzbeckens III bis
auf Kote 356.3 ausgebeutet worden war.

    B.- Mit Strafbefehl des Bezirksamtes Brugg vom 27. August 1976 wurden
X. und Y. wegen Widerhandlung gegen das eidg. Gewässerschutzgesetz sowie
gegen das aargauische Baugesetz mit Bussen von je Fr. 10 000.- belegt.

    Auf Einsprache der Gebüssten hin sprach das Bezirksgericht Brugg
am 18. Januar 1977 X. und Y. schuldig der Widerhandlung gegen Art. 32
Abs. 2 und Art. 37 Abs. 1 Al. 3 und 4 des Gewässerschutzgesetzes und §§
152, 219 und 221 des Baugesetzes des Kantons Aargau vom 2. Februar 1971;
es büsste X. mit Fr. 10 000.- und Y. mit Fr. 5000.-.

    Das Obergericht des Kantons Aargau bestätigte am 15. März 1978 die
durch das Bezirksgericht Brugg ergangenen Strafurteile insoweit, als die
Angeklagten der Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den Schutz
der Gewässer gegen Verunreinigung schuldig erklärt worden waren, und
verurteilte X. zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 6000.-,
Y. zu einer solchen von Fr. 3000.-.

    C.- X. und Y. führen eidg. Nichtigkeitsbeschwerden. Sie beantragen
Aufhebung des obergerichtlichen Urteils und Rückweisung der Sache an die
Vorinstanz zur Freisprechung, eventuell zu milderer Bestrafung.

    Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt Abweisung der
Beschwerden.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

Erwägung 1

    1.- Die Beschwerdeführer rügen, Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG lasse eine
bloss abstrakte Gefährdung des Grundwassers zur Tatbestandsvollendung nicht
genügen, sondern verlange eine konkrete Gefährdung, jedenfalls zumindest
die Gefahr für eine Gewässerverunreinigung, welche vorliegend nicht
nachgewiesen sei. Wenn in der Botschaft des Bundesrates ausgeführt werde,
Grabungen in nutzbaren Gewässervorkommen seien "in jedem Fall geeignet,
das Wasser zu beeinträchtigen" (BBl 1970 II, S. 474), so betreffe diese
Meinungsäusserung einzig das direkte Graben im Grundwasser; vorliegend
sei aber in der darüberliegenden Schutzschicht abgebaut worden. Während
der parlamentarischen Beratung sei nicht mehr von einem abstrakten
Gefährdungsdelikt die Rede gewesen, wie das aus den Voten von Ständerat
HOFMANN als Berichterstatter im Ständerat klar hervorgehe (Sten. Bull., S
1971, S. 163 und 117); die Auffassung, Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG erfordere
die konkrete Gefährdung des Grundwassers, sei in der Folge auch von seiten
des Bundesrates unbestritten geblieben. Diese Bestimmung verweise zudem
ausdrücklich auf Art. 32 GSchG, dessen Abs. 2 die Bewilligungserteilung
zur Ausbeutung über dem nutzbaren Grundwasser unter der Bedingung
gestatte, "dass über dem höchstmöglichen Grundwasserspiegel eine nach den
örtlichen Gegebenheiten zu bemessende schützende Materialschicht belassen
wird". Nach Auffassung des als Sachverständigen abgehörten Dr. K. wäre eine
Schutzschicht von 2 m, wie sie vorliegend nie unterschritten worden sei,
ausreichend gewesen; die von der kantonalen Baudirektion festgesetzte
maximale Ausbeutungskote, welche eine zu belassende Schutzschicht von 7
bis 8 m vorgeschrieben habe, sei deshalb durch das GSchG nicht gedeckt,
und es sei durch die Kiesausbeutung bis auf Kote 356.3 zudem keine
Verunreinigungsgefahr geschaffen worden.

    a) Die von der Baudirektion, des Kantons Aargau erteilte Bewilligung
zur Kiesausbeutung war der Kontrolle durch das kantonale Verwaltungsgericht
zugänglich (§ 51 Abs. 1, 52 Ziff. 8 und 56 Abs. 1 VRPG). Von dieser
Möglichkeit ist nicht Gebrauch gemacht worden. Die Überprüfung der
Bewilligung durch den Strafrichter ist unter diesen Umständen auf
offensichtliche Gesetzesverletzung einschliesslich Missbrauch oder
Überschreitung des Ermessens eingeschränkt (BGE 98 IV 266 E. 2 und 111
E. 3 f.).

    b) Gemäss Art. 32 Abs. 2 GSchG kann über dem nutzbaren Grundwasser die
Ausbeutung von Kies, Sand oder anderem Material nur unter der Bedingung
bewilligt werden, dass über dem höchstmöglichen Grundwasserspiegel
eine nach den örtlichen Gegebenheiten zu bemessende schützende
Materialschicht belassen wird. Sie wurde in der der H. AG erteilten
Bewilligung, die einen Abbau bis auf Kote 361.00 gestattete, auf 7 bis
8 m bemessen. Dass darin eine offensichtliche Gesetzesverletzung, ein
Missbrauch oder eine Überschreitung des behördlichen Ermessens liege,
lässt sich mit den Aussagen des Sachverständigen nicht dartun; denn
sie sind bloss allgemeiner Natur und zugestandenermassen ohne Kenntnis
der örtlichen spezifischen Verhältnisse gemacht, auf welche es selbst
nach ihnen entscheidend ankommt. Dr. K. erklärte, es werde als Norm eine
Schutzschicht von 2 bis 5 m für genügend erachtet, wies aber darauf hin,
bei starken Schwankungen des Grundwasserspiegels sei eine relativ grosse,
bei kleineren Schwankungen eine dünnere Schutzschicht erforderlich,
und bemerkte schliesslich, für das in Frage stehende Gebiet keine
Schutzschichtberechnungen durchgeführt zu haben. Wenn selbst nach
seinen Aussagen die in der Regel verlangte Schutzschicht 2 bis 5 m
beträgt, das Birrfeld, an dessen östlichem Rand das Ausbeutungsgebiet
liegt, eine geologisch kompliziert zusammengesetzte Schotterebene mit
verschiedenen Grundwasserstockwerken ist, sich vom Ausbeutungsgelände
in nur 600 bis 800 m Entfernung die Trinkwasserfassungen der Gemeinden
Mülligen und Windisch befinden, und nach seinen weiteren Aussagen durch
die Erstellung des Absetzbeckens III das Grundwasser im engsten Bereich
"ein bisschen gefährdet" war, nicht aber direkt die Quellfassungen, so
lag es nicht ausserhalb des behördlichen Ermessens, die nach der örtlichen
Gegebenheiten erforderliche schützende Materialschicht mit der Festsetzung
der maximalen Abbaukote auf 361.00 auf 7 bis 8 m zu bemessen. Es kann auch
keine Rede davon sein, dadurch sei Art. 32 Abs. 2 GSchG offensichtlich
verletzt worden, der die erforderliche Schutzschicht ausdrücklich nach den
örtlichen Gegebenheiten, nicht nach starren allgemeinen Regeln zu bemessen
vorschreibt. Die Festsetzung der Abbaukote auf 361.00 erweist sich daher
im Rahmen der strafrichterlichen Überprüfungsbefugnis als rechtsbeständig.

    c) Die Auffassung, Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG verlange eine
konkrete Gefährdung des Grundwassers, ist irrig. Nach der Botschaft
des Bundesrates genügt die abstrakte Gefährdung, zumal "Grabungen
in nutzbaren Grundwasservorkommen in jedem Fall geeignet sind, das
Wasser zu beeinträchtigen" (BBl 1970 II, S. 474). Die Kennzeichnung
des Straftatbestandes von Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG als abstraktes
Gefährdungsdelikt kann sich schon deshalb nicht allein auf das direkte
Graben im Grundwasser, d.h. unterhalb des Grundwasserspiegels beziehen,
weil Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GSchG ein solches Graben hinsichtlich
nutzbarer Grundwasservorkommen generell untersagt. In der Beratung
des Gesetzesentwurfes durch die eidgenössischen Räte ist dieser
Deliktsqualifikation durch den Bundesrat nicht widersprochen worden. Ein
Antrag von Ständerat MUNZ, Art. 32 Abs. 2 Satz 1 GSchG dahin zu ergänzen,
unterhalb des Grundwasserspiegels seien Grabungen zur Ausbeutung von Kies,
Sand und anderem Material nur verboten, sofern dabei eine Verunreinigung
des Grundwassers nicht ausgeschlossen sei, wurde abgelehnt (Sten. Bull.,
S 1971, S. 148 ff.). Den von den Beschwerdeführern angerufenen Voten
von Ständerat HOFMANN ist, sofern sie für die im Stände- und Nationalrat
vorherrschende Auffassung überhaupt als repräsentativ zu betrachten
wären, nichts für ihre Behauptung Schlüssiges zu entnehmen, es sei im
Gegensatz zur Auffassung des Bundesrates in Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG eine
konkrete Gefährdung des Grundwassers Tatbestandsvoraussetzung. Ständerat
HOFMANN spricht an den genannten Stellen immer nur von einer Gefahr der
Verunreinigung, ohne aber je zu erklären, im Gegensatz zur Auffassung
des Bundesrates könne darunter nur eine konkrete Gefahr verstanden
werden. Zu Art. 37 GSchG hielt er schliesslich ausdrücklich fest, die
Abänderungsanträge der Kommission zu dieser Bestimmung - sie betrafen
hinsichtlich Abs. 1 Al. 3 lediglich die Erweiterung der auf Kies und Sand
beschränkten Ausbeutung auf anderes Material - entsprächen den früher
akzeptierten Abänderungen der Art. 14, 26 und 30 des Entwurfs - bei der
letzteren, Art. 32 Abs. 2 GSchG entsprechenden Bestimmung erfolgte die
gleiche Erweiterung wie bei Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG -, "materiell"
werde dadurch an der bundesrätlichen Vorlage nichts geändert (Sten. Bull.,
S 1971, S. 163). Das aber schliesst die seinen vorausgegangenen Voten
durch die Beschwerdeführer gegebene Auslegung unverkennbar aus.

    d) Ist die Auflage in der erteilten Ausbeutungsbewilligung, nur
bis auf Kote 361.00 abzubauen, rechtsbeständig, und handelt es sich
beim Straftatbestand von Art. 37 Abs. 1 Al. 3 GSchG um ein abstraktes
Gefährdungsdelikt, so ist dieser von den Beschwerdeführern dadurch erfüllt
worden, dass bis auf Kote 356.3 abgebaut wurde.