Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 119



104 IV 119

30. Urteil des Kassationshofes vom 2. Mai 1978 i.S. Brando gegen
Polizeirichteramt der Stadt Zürich Regeste

    Art. 49 Abs. 3 SSV.

    Ein an einer Verzweigung nach links in eine Querstrasse weisender
grüner Leuchtpfeil gibt den Vortritt nur nach dieser Richtung, nicht auch
für das Wenden auf der Verzweigung.

Sachverhalt

    A.- Gino Brando fuhr am 9. Juli 1976 mit seinem Personenwagen in
Zürich über den Bahnhofplatz Richtung Central. Bei der Verzweigung
Bahnhofplatz/Bahnhofquai/Bahnhofbrücke hielt er in der linken
Fahrspur vor der auf Rot stehenden Lichtsignalanlage an. Als ihm
die Fahrt durch den nach links in Richtung Bahnhofquai weisenden
gründen Leuchtpfeil freigegeben wurde, bog er nach dieser Richtung ab,
setzte jedoch seine Fahrt nicht gegen den Bahnhofquai fort, sondern
steuerte weiter nach links in der Absicht, auf dem Bahnhofplatz Richtung
Löwenstrasse zurückzufahren. Vor den Tramgleisen, die vom Bahnhofplatz
zur Station Bahnhofquai führen, leuchteten links und rechts je ein
gelbes Warnblinklicht und, da Tramverkehr herrschte, computergesteuerte
Wechselsignale Nr. 121. Als Brando diese Gleise überquerte, stiess er
mit einem Tram der Linie 11 zusammen (vgl. nachstehenden Situationsplan).

    Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich büsste Brando wegen
Verletzung von Verkehrsregeln gemäss Art. 38 Abs. 1 und 90 Ziff. 1 SVG mit
Fr. 40.-. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich bestätigte
diese Verfügung, und am 2. Februar 1978 wies das Obergericht des Kantons
Zürich eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde Brandos ab.

    Brando führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des
obergerichtlichen Urteils und Freisprechung. Das Polizeirichteramt der
Stadt Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

    Zu entscheiden ist über die Tragweite des für den Beschwerdeführer
massgeblichen nach links gerichteten grünen Leuchtpfeils. Er selber meint,
das Signal habe ihm für das Wenden auf der Verzweigung den Vortritt
verschafft, während die Vorinstanz erklärt, der Pfeil weise nach links
in Richtung Bahnhofquai, wo die Fahrspur ihre Fortsetzung finde.

    Die Feststellung, dass der Leuchtpfeil in Richtung Bahnhofquai weist,
ist tatsächlicher Natur, bindet deshalb den Kassationshof und kann
mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht in Frage gestellt werden (Art. 273
Abs. 1 lit. b, 277bis Abs. 1 BStP). Da aber nach Art. 49 Abs. 3 SSV grüne
Pfeile den Verkehr "in der angegebenen Richtung" gestatten, öffnete der
an der Verzweigung Bahnhofplatz/Bahnhofquai/Bahnhofbrücke nach links in
den Bahnhofquai weisende grüne Leuchtpfeil den Vortritt nur nach dieser
Richtung. Indem der Beschwerdeführer nicht in den Bahnhofquai abbog,
sondern wendete, fuhr er aus dem vortrittsberechtigten Verkehrsraum
heraus und hatte deshalb nach der allgemeinen Regel des Art. 38 Abs. 1
SVG der vom Bahnhofplatz her in Richtung Station Bahnhofquai fahrenden
Strassenbahn den Vortritt zu lassen.

    Selbst wenn jedoch Brando beim Vorbeifahren am grünen Leuchtpfeil noch
hätte Zweifel haben können, so hätte ihm die Vortrittslage spätestens
dann bewusst werden müssen, als vor dem Tramgleis links und rechts ein
gelbes Blinklicht aufleuchtete, das ihn unmissverständlich auf eine Gefahr
hinwies (Art. 49 Abs. 5 SSV). Hätte ihm der Vortritt vor der Strassenbahn
zugestanden, wäre es wenig sinnvoll gewesen, dieses Leuchtsignal in seine
Blickrichtung zu stellen und nicht in diejenige des Tramführers. Dazu
kommt, dass das gelbe Warnsignal durch ein computergesteuertes
Wechselsignal Nr. 121 unterstützt wurde, das einen Tramwagen zeigt und
dann sichtbar wird, wenn das Tram die Strasse queren will. Somit war er
zusätzlich vor einer Kreuzung mit der Strassenbahn gewarnt (Art. 62 SSV).

    Unter diesen Umständen konnte der Beschwerdeführer nicht in guten
Treuen annehmen, es stehe ihm an jener Stelle gegenüber der Strassenbahn
der Vortritt zu. Dass er vor dem grünen Leuchtpfeil an einem Vorwegweiser
(Signal Nr. 338) vorbeigefahren war, auf dem nicht nur die Fahrspur
Richtung Bahnhofquai, sondern auch eine ganz links Richtung Südseite des
Bahnhofs angegeben war, ändert nichts. Der Vorwegweiser ist, wie schon
sein Name sagt, eine blosse Orientierungstafel (s. den Titel vor Art. 36
ff. SSV und Art. 39 SSV), die über die Vortrittsregelung nichts aussagt.

    Die Verurteilung Brandos wegen Missachtung von Art. 38 Abs. 1 SVG
besteht somit zu Recht.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie einzutreten
ist.