Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IV 1



104 IV 1

1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. April 1978
i.S. G. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz Regeste

    Art. 33 StGB. Notwehr.

    Notwehr setzt voraus, dass der Täter die Handlung, die zu einem
deliktischen Erfolg führt, bewusst und gewollt zum Zwecke der Abwehr
eines Angriffs vorgenommen hat.

Auszug aus den Erwägungen:

                      Aus den Erwägungen:

    Mit der Beschwerde wird gerügt, die Vorinstanz habe die
Notwehrbestimmung nicht angewendet und damit Art. 33 StGB verletzt. Die
Beschwerdeführerin sei durch die Peitschenhiebe in eine Notwehrlage geraten
und habe sich gegen den schweren Angriff zur Wehr setzen dürfen. Das
dazu verwendete Küchenmesser sei ein angemessenes Verteidigungsmittel
gewesen. Es könne höchstens von einer leichten und entschuldbaren
Überschreitung der Notwehrgrenzen gesprochen werden.

    a) Wie in BGE 79 IV 151, auf dessen Erwägungen die Beschwerde verweist,
entschieden wurde, schliesst Art. 33 StGB nicht nur die Strafbarkeit einer
vorsätzlich erfüllten Straftat aus. Vielmehr kann sich der Täter auch dann
auf Notwehr berufen, wenn er den zu einem Deliktstatbestand gehörenden
Erfolg, wie z.B. eine Körperverletzung oder Tötung, bloss fahrlässig
herbeigeführt hat. Im einen wie im andern Fall kann aber Art. 33 StGB
nur zur Anwendung kommen, wenn die Handlung, die in ein Rechtsgut eines
andern eingreift, zum Zwecke der Abwehr eines Angriffs vorgenommen wird;
dient sie nicht diesem Ziel, fällt sie nicht unter den Begriff der Notwehr
(BGE 93 IV 83). Rechtmässiges Handeln setzt also voraus, dass der Täter
sich der Notwehrlage bewusst gewesen ist und dass er mit dem Willen zur
Verteidigung gehandelt hat (WAIBLINGER, Juristische Kartothek, Nr. 1205,
Ziff. 11; GERMANN, Das Verbrechen, S. 216).

    b) Im vorliegenden Fall fehlt es an einer solchen Abwehrhandlung. Nach
den Feststellungen der Vorinstanz hatte die Beschwerdeführerin nie
den Willen, das aus Versehen mitgenommene Messer als Abwehrwaffe
einzusetzen, auch nicht, als sie nach ihrer Verwicklung in den Streit mit
Peitschenhieben angegriffen worden und zu Boden gefallen war. Insbesondere
wird nirgends festgestellt, sie habe in der nachfolgenden Phase des
Geschehens, in der sie sich wieder erhob und das aus der Tasche gefallene
Messer auflas und in der Hand behielt, den Angreifer bedroht oder das
Messer bewusst und gewollt gegen ihn gerichtet, um einen allfälligen
weiteren Angriff abzuwehren. Nach ihren eigenen Angaben konnte sie die
Körperverletzung selber nur dadurch erklären, dass der Angreifer direkt
in das Messer hineingelaufen sein müsse. Daraus erhellt, dass das Messer
den Angreifer zufällig verletzt hat und es im Gemenge ebensogut einen
der anderen Beteiligten getroffen haben könnte. Steht aber fest, dass die
Beschwerdeführerin sich nicht willentlich mit dem Messer zur Wehr gesetzt
hat, die Körperverletzung also nicht die Folge einer Abwehrhandlung war,
so kann sich die Beschwerdeführerin für ihr fahrlässiges Verhalten,
das erkennbar die Gefahr einer Verletzung Dritter in sich barg, nicht
auf Notwehr berufen. Auch die Vorinstanz stellte sich am Schluss ihrer
Erwägungen richtigerweise auf diesen Standpunkt und hat damit Art. 33
StGB nicht verletzt.