Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 II 99



104 II 99

18. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung vom 14. März 1978 i.S.
Grawehr gegen Sahli Regeste

    Grundstückkauf, rechtsmissbräuchliche Anrufung eines Formmangels;
Art. 216 OR, Art. 2 ZGB.

    Unbeachtlichkeit des Formmangels wegen rechtsmissbräuchlicher
Geltendmachung (E. 2b, 3). Rechtsmissbräuchliche Anrufung der
Formnichtigkeit, wenn der formnichtige Vertrag zur Hauptsache erfüllt
wurde? (Verdeutlichung der Rechtsprechung; E. 3). Weitere Umstände,
die auf Rechtsmissbrauch schliessen lassen (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Mit öffentlich beurkundetem Vorvertrag vom 21. September 1971
verpflichtete sich Hans Grawehr, dem Ernst Sahli mehrere sich in der
Gemeinde Bottighofen befindliche Parzellen landwirtschaftlich genutzten
Landes im Halte von ungefähr 870 Aren samt Scheune und Schopf zu einem
Preise von Fr. 720'000.- zu verkaufen. Auf diesen Parzellen liess Sahli
im Jahre 1972 verschiedene Neubauten errichten; im November 1972 waren
die meisten davon, namentlich das Wohnhaus, fertiggestellt. Am 3. November
1972 wurde der Kaufvertrag öffentlich beurkundet und die Handänderung im
Grundbuch eingetragen. Sahli bezahlte den in den öffentlich beurkundeten
Verträgen festgehaltenen Kaufpreis von Fr. 720'000.-, weigerte sich aber,
dem Grawehr eine weitere, mündlich versprochene Zahlung von Fr. 100'000.-
auszurichten.

    B.- Im Januar 1974 erhob Grawehr beim Bezirksgericht Kreuzlingen
gegen Sahli Klage, mit der er verlangte, dass die Nichtigkeit der
beiden öffentlich beurkundeten Verträge festzustellen sei; ferner
"sei die gestützt auf den Kaufvertrag vom 3. November 1972 vorgenommene
Grundbucheintragung im Grundbuch Bottighofen zu löschen und das Eigentum
an den Grundstücken Parz.-:Nrn. und E.Bl. 363, 367 und 439 auf den Kläger
zurückzuübertragen".

    Ein Zwischenentscheid des Bezirksgerichts wurde vom Obergericht des
Kantons Thurgau am 28. September 1976 aufgehoben. Jenes wies hierauf die
Klage mit Urteil vom 6. April 1977 ab, was vom Obergericht auf Appellation
des Klägers hin am 20. September 1977 bestätigt wurde.

    C.- Gegen das obergerichtliche Erkenntnis hat der Kläger die Berufung
erklärt, mit der er Gutheissung seiner Klagebegehren verlangt. Der Beklagte
trägt auf Abweisung der Berufung an.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 2

    2.- a) Das Obergericht stellt fest, "dass die Parteien eine
Schwarzzahlung von Fr. 100'000.- vereinbarten und dem Grundbuchamt
bewusst fälschlich einen um diesen Betrag zu niedrigen Kaufpreis angaben,
dass ferner der Beklagte in der Folge die Zahlung dieses Schwarzgeldes
verweigerte". In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung folgert es
daraus die Nichtigkeit der beiden öffentlich beurkundeten Verträge wegen
Formmangels (vgl. BGE 98 II 316 E. 2 mit Hinweisen). Die Anrufung dieses
Formmangels durch den Kläger erachtet es hingegen als rechtsmissbräuchlich,
weshalb es die Klage abweist.

    b) Formnichtigkeit ist im Verhältnis unter den Parteien unbeachtlich
und die Berufung darauf ist unstatthaft, wenn sie gegen Treu und Glauben
verstösst und daher einen offenbaren Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2
Abs. 2 ZGB darstellt. Wohl trifft es zu, dass es Sache jener Partei
ist, die der andern das Recht zur Anrufung der Nichtigkeit bestreitet,
besondere, den konkreten Fall kennzeichnende Umstände nachzuweisen, die
offensichtlich machen, dass die Berufung auf den Formmangel treuwidrig
ist (BGE 90 II 26 E. 2 a, 87 II 31 E. 4). Das ändert aber nichts daran,
dass ein Rechtsmissbrauch im Sinne von Art. 2 ZGB in jeder Instanz von
Amtes wegen zu beachten ist, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von
einer Partei in der vom Prozessrecht vorgeschriebenen Weise vorgetragen
wurden und feststehen. Einer besonderen Einrede bedarf es nicht(BGE 98
II 316 E. 2, 95 II 115 E. 4, 94 II 41 E. 6a, 88 II 23 E. 4, 86 II 232
E. 6, 401). Anhand des von der Vorinstanz festgestellten Tatbestandes
ist somit zu prüfen, ob vorliegend die Berufung auf Formnichtigkeit
rechtsmissbräuchlich sei.

Erwägung 3

    3.- Ob ein Rechtsmissbrauch vorliege, der die Berufung auf
Formnichtigkeit eines Kaufvertrages verbietet, hat der Richter nicht
in Anwendung von starren Regeln zu entscheiden, sondern unter Würdigung
aller Umstände des konkreten Falles (BGE 93 II 104, 92 II 325 E. 3, 90
II 156 E. 2, 86 II 232 E. 6 mit Hinweisen). Dabei kommt der erfolgten
freiwilligen Erfüllung des Kaufvertrages durch die Parteien besondere
Bedeutung zu. Sie schliesst zwar nicht notwendigerweise aus, dass die
Nichtigkeit des Vertrages dennoch berücksichtigt werde, lässt die Anrufung
des Formmangels aber doch als rechtsmissbräuchlich erscheinen, wenn nicht
die Würdigung aller übrigen Umstände, namentlich das Verhalten der Parteien
bei und nach Vertragsschluss, eindeutig zum gegenteiligen Schluss führt
(BGE 98 II 316 E. 2, 93 II 105 E. 1, 92 II 325 E. 3, 90 II 157 E. 2a, 72
II 43 E. 3). Unter der freiwilligen Vertragserfüllung wird nach jüngerer
Begriffsumschreibung in der Judikatur die Herstellung der Vermögenslage
verstanden, die dem wirklichen, vom verurkundeten abweichenden Parteiwillen
entspricht (BGE 84 II 376 E. 2b, 78 II 228 E. 2). Hievon geht auch das
Obergericht aus, um zu erklären, die dem wirklichen Parteiwillen gemässe
Vermögenslage sei vorliegend mangels Leistung der Schwarzzahlung nicht
gegeben, der Vertrag daher nicht vollständig erfüllt. Soweit die Berufung
die nämliche Anschauung verficht, stösst sie offene Türen ein. Indessen
erhebt sich die Frage, Ob unter solcher Voraussetzung für eine Wertung
anderer, auf Rechtsmissbrauch weisender Umstände überhaupt noch Raum sei.

    a) In der Lehre scheint das überwiegend verneint zu werden. DESCHENAUX
(in: Schweizerisches Privatrecht, Band II, S. 193), der die Entwicklung der
Rechtsprechung verzeichnet, vertritt die Auffassung, dass der Richter kaum
zögern werde, sich an die Formstrenge zu halten, solange der mangelhafte
Vertrag nicht erfüllt sei. Unter Hinweis auf BGE 68 II 236 E. III hebt er
hervor, dass Art. 2 ZGB im Gebiete der Formen nur in einem negativen Sinne
herangezogen werden könne, nicht als positives Mittel zur Heilung eines
Formmangels, um auf dem Umweg über den Rechtsmissbrauch einen nichtigen
in einen gültigen Vertrag zu verwandeln. Daran ist auch nach CAVIN (in:
Schweizerisches Privatrecht, Band VII/1, S. 135) festzuhalten, "obwohl
neuere Urteile eine Tür für eine positive Wirkung der Zuhilfenahme des
Begriffs des Rechtsmissbrauchs öffnen zu wollen scheinen" (zitiert wird BGE
90 II 21). GUHL/MERZ/KUMMER (Schweizerisches Obligationenrecht, 6. A.,
S. 124 f.) nehmen, indem sie die Erfüllung des formungültigen Geschäfts
zum massgebenden Gesichtspunkt machen, den nämlichen Standpunkt ein. MERZ
(N. 496 und 499 zu Art. 2 ZGB) schliesslich vertritt, den nicht erfüllten
Vertrag betreffend, dieselbe Ansicht. Bezüglich der Vertragserfüllung
unterscheidet er aber: Er anerkennt, dass als Ausdruck eines allgemeinen
Rechtsgrundsatzes die Anrufung der Formnichtigkeit demjenigen zu verwehren
ist, der freiwillig und in Kenntnis des Mangels erfüllt hat (N. 475
zu Art. 2 ZGB). Gegenüber der erwähnten neueren bundesgerichtlichen
Umschreibung der Erfüllung greift er aber auf die in BGE 53 II 166
verwendete Formel der Erfüllung "in der Hauptsache" zurück und stimmt den
durch dieses Urteil "erschlossenen erweiterten Anwendungsmöglichkeiten"
zu (N. 476 und 488 zu Art. 2 ZGB).

    b) Zur Rechtsprechung bemerkt CAVIN (aaO, S. 135), da sie bewusst
kasuistisch sei, wäre es gewagt, sie auf allgemeine Grundsätze
zurückzuführen. Immerhin gehe aus ihr hervor, dass die Erfüllung des
Vertrages die notwendige, wenn auch nicht genügende Hauptvoraussetzung
dafür bilde, den Käufer in seinem Erwerb zu schützen. Sei sie gegeben,
so sei Rechtsmissbrauch anzunehmen, wenn die Partei den Formmangel
absichtlich veranlasst habe, mit ihm einverstanden gewesen sei Oder mit
seiner Geltendmachung einen Zweck verfolge, der nichts zu tun habe mit den
Interessen, zu deren Schutz die Form bestimmt sei. Gesamthaft empfindet
CAVIN die Rechtsprechung als unbefriedigend, namentlich, weil sie zu
Rechtsunsicherheit führe, und er hält es für wünschbar, dass sie sich
"aus ihrer Erstarrung" löse und einer neuen Prüfung unterziehe (aaO,
S. 135-137).

    In welcher Weise oder nach welcher Richtung hin solche Überprüfung
vorzunehmen wäre, wird freilich nicht näher erläutert. CAVIN selber bringt
zu den von ihm angeführten Lehrmeinungen Vorbehalte oder Bedenken an
(aaO, S. 136 f.). Mit der These SPIROS (Die unrichtige Beurkundung des
Preises bei Grundstückskauf, Basel 1964), der sich gegen die Annahme
der Nichtigkeit des den Grundstückspreis unrichtig verurkundenden
Vertrages wendet, hat sich das Bundesgericht auseinandergesetzt (BGE 90
II 156 E. 1; vgl. dazu die Replik SPIROS, in: BJM 1965, S. 213). Ebenso
befasste es sich mit der von MEIER-HAYOZ wieder aufgenommenen Theorie
HAABS (HAAB/SIMONIUS, N. 34 ff. zu Art. 657 ZGB; MEIER-HAYOZ, N. 130
ff. zu Art. 657 ZGB; vgl. auch MERZ, N. 510 zu Art. 2 ZGB), wonach der
Formmangel eines Rechtsgeschäftes nicht seine Nichtigkeit, sondern eine
heilbare Ungültigkeit eigener Art bewirke (BGE 92 II 324 E. 2, 86 II 400
E. 1). Darauf zurückzukommen besteht kein Anlass.

    c) Anderseits sind die aufgezeigten Meinungsverschiedenheiten nicht
eine "blosse Frage der Betrachtungsweise", wie GUHL/MERZ/KUMMER (aaO,
S. 125) meinen, sondern vorab im Ansatzpunkt durchaus grundsätzlicher
Natur. An der Nichtigkeit des unrichtig beurkundeten Vertrages hat
die Rechtsprechung ebenso festgehalten, wie an der Anerkennung ihrer
Unbeachtlichkeit, wo es Treu und Glauben verlangen. Für die Beurteilung
des Parteiverhaltens unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs hat
sie ferner stets die Bindung an starre Regeln abgelehnt und die Würdigung
aller Umstände unter Berücksichtigung von Rechtsempfinden, Rechtsethik und
Rechtssicherheit beansprucht (vgl. BGE 92 II 325 E. 3, 86 II 401). Die
freiwillige und irrtumsfreie Vertragserfüllung wertete sie dabei als
wichtigen, wenn auch nicht allein ausschlaggebenden Grund. Von dieser
Praxis ist nicht abzugehen. Bewusst kasuistisch, wie CAVIN bescheinigt,
ist sie auf die Vielfalt möglicher Sachverhalte und deren Erfassung
ausgerichtet.

    d) Ein Wandel immerhin ist insofern eingetreten, als in den
beiden genannten Entscheiden (BGE 84 II 376 E. 2b, 78 II 228 E. 2)
das Erfordernis der Erfüllung des Vertrages im wesentlichen oder in
der Hauptsache ersetzt wurde durch jenes der vollständigen Erfüllung,
d.h. der Herstellung der dem wirklichen Parteiwillen entsprechenden
Vermögenslage, also einschliesslich der Zahlung eines allfälligen
Schwarzgeldes. Als zwingend erscheint diese Änderung jedoch nicht. Zwar
kann im gegenteiligen Fall, wo ein formnichtiger Vertrag gänzlich
unerfüllt bleibt, die Berufung auf Rechtsmissbrauch nicht Erfolg haben,
weil sonst aus Art. 2 ZGB ein Erfüllungsanspruch vermittelt würde
(vgl. MERZ, N. 485 ff. und 496 zu Art. 2 ZGB). Zwischen vollständiger
Nichterfüllung und vollständiger Erfüllung entsprechend dem wirklichen
Parteiwillen liegt aber eine Spanne, deren graduelle Stufungen einer
unterschiedlichen Wertung zugänglich sind und die im Oberen Grenzbereich
der annähernden Oder hauptsächlichen Erfüllung in die Gesamtwürdigung
füglich einbezogen werden darf. Wohl stellen BGE 84 II 376 E. 2b und 78
II 228 E. 2 für die gegebenen Fälle höhere Erfüllungsanforderungen als
BGE 53 II 166. Das geschieht aber ohne Bezugnahme auf diesen, wiewohl er
dort in anderem Zusammenhang wiederholt zitiert wird (vgl. BGE 84 II 374,
78 II 224, 229). Ob eine allgemeingültige Praxisverschärfung beabsichtigt
war, ist nicht ohne weiteres klar. Im Schrifttum wurde teilweise eine
solche vermerkt (DESCHENAUX, aaO, S. 191 Anm. 58; MERZ, N. 476 zu Art. 2
ZGB). Das Bundesgericht hat aber nicht nur die Wiederholung oder förmliche
Bestätigung jener engeren Fassung des Erfüllungsbegriffes unterlassen,
sondern sich auch selber nicht mit letzter Konsequenz daran gehalten, wie
BGE 98 II 316 zeigt. In seiner Besprechung dieses Urteils bemerkt MERZ,
dass "nach richtiger Betrachtung" schon die Erfüllung in der Hauptsache
den Formmangel "heile" (ZBJV 110/1974, S. 69). Das kann freilich als
bestimmende Regel nach der geltenden Rechtsprechung auch dann nicht
anerkannt werden, wenn die Erfüllung in der Hauptsache als erheblicher
Umstand berücksichtigt wird. Letzteres aber ist angebracht, mag es auch
die Wiedererwägung einer jüngeren zugunsten einer älteren Praxis bedeuten;
liegt doch diese eher als jene auf der unverändert gebliebenen Grundlinie
der freien Würdigung aller Umstände, und kann als ein solcher die Erfüllung
in der Hauptsache unter den Gesichtspunkten sowohl des widersprüchlichen
Verhaltens wie des Formzweckes beachtlich sein.

Erwägung 4

    4.- Alsdann ist davon auszugehen, dass vorliegend der verurkundete
Kaufvertrag beidseitig erfüllt wurde, der Eigentumsübergang im
Grundbuch eingetragen ist und allein die Schwarzzahlung aussteht. Auf
den dissimulierten Vertrag bezogen ergibt das die vollständige Erfüllung
seitens des Klägers und die Erfüllung in der Hauptsache seitens des
Beklagten. Zu prüfen bleibt, welche weiteren Umstände hinzukommen, und
ob sie zusammen mit den Erfüllungsgegebenheiten die Geltendmachung des
Formmangels als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen.

    a) Beweiswürdigend und anhand eigenen Vorbringens des Beklagten
hält das Obergericht fest, dass das Schwarzzahlungsversprechen zwar auf
Vorschlag des Beklagten, jedoch unter sofortiger Zustimmung des Klägers
und in dessen alleinigem Interesse vereinbart wurde. Nach dem Vertrag
habe ausschliesslich der Kläger die Handänderungskosten zu tragen
gehabt; dank dem geringeren verurkundeten Kaufpreis habe er zudem
auch Grundstückgewinnsteuern einsparen können. Beide Parteien hätten
um die Unerlaubtheit ihres Vorgehens gewusst. Aber der Kläger habe
den Formmangel zum eigenen Vorteil, um Öffentliche Abgaben zu umgehen,
herbeigeführt. Anders als in den Fällen der BGE 90 II 157 und 87 II 31,
sei er allein gebühren- und steuerpflichtig gewesen. Die Parteibefragung
habe keinen Anhalt dafür erbracht, dass der Beklagte deswegen, weil
der Kläger mit Steuern und Gebühren besser wegkomme, von ihm noch
Kaufpreiskonzessionen erwirkt oder zu erwirken gehofft habe.

    Diese Feststellungen sind tatsächlicher Art und binden das
Bundesgericht (Art. 63 Abs. 2 OG). Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften oder offensichtliches Versehen wendet die Berufung
nicht ein. Abweichende Tatsachenbehauptungen sind daher unzulässig (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG). Der Hinweis auf die Aushandlung des Grundstückpreises
und der Verkaufsmodalitäten durch Offerte und Gegenofferte hilft ohnehin
nicht. Sie ist an sich ein durchaus normaler Vorgang und als solcher hier
belanglos, da nichts auf unlautere Absichten oder unlauteres Handeln des
Beklagten gegenüber dem Kläger im damaligen Zeitpunkt deutet.

    b) Als mit Treu und Glauben in Widerspruch stehend, betrachtet das
Obergericht die Berufung des Klägers auf Formnichtigkeit sodann deshalb,
weil dieser bereits auf Grund des Vorvertrages grössere Investitionen
des Beklagten auf der zu verkaufenden Liegenschaft zugelassen hatte. Der
Beklagte habe im Dezember 1971 um die Baubewilligung für das neue Wohnhaus
nachgesucht und sie im März 1972 erhalten. Das Haus sei im November
1972 fertiggestellt gewesen, und der Kaufvertrag sei am 3. November
1972 abgeschlossen worden. Der Kläger hätte es ohne weiteres in der
Hand gehabt, den Baubeginn erst nach Empfang der schwarz zu zahlenden
Fr. 100'000.- zu erlauben. Durch wissentliche Zulassung des Neubaus vor
dem Eigentumsübergang habe er das Risiko übernommen, dass die Zahlung
ausbleibe. Darum sei es missbräuchlich, wenn er hinterher den ganzen
Kaufvertrag als nichtig erklären lassen wolle, und so den Beklagten
zu einer langwierigen und komplizierten Auseinandersetzung über die
Entschädigung für die bewusst hingenommenen Investitionen nötige.

    Dem hält die Berufung vorab entgegen, der Kläger sei nach dem
Vorvertrag verpflichtet gewesen, den Beklagten sofort mit den Bauarbeiten
beginnen zu lassen. Das trifft indes nicht zu. Gemäss Ziffer 11 des
Vorvertrages war der Beklagte lediglich ab sofort berechtigt, "auf dem
vorgenannten Kaufsobjekt... Visiere zu erstellen und Baugenehmigungen
einzuholen für ein Wohnhaus und einen Schopf". Auf Grund des Vorvertrages
stand dem Beklagten somit nur das Recht zu, Vorbereitungen für geplante
Bauten zu treffen, nicht aber diese auszuführen. Etwas anderes brauchte
der Kläger somit nicht zu dulden. Damit ist in diesem Belang auch der
weiteren Berufungskritik die Grundlage entzogen. Insbesondere würdigt das
Obergericht die entstehenden Schwierigkeiten bei einer nachträglichen
Auseinandersetzung zwischen den Parteien über die Entschädigung für
Investitionen nicht - in einem gewissen Gegensatz zu BGE 86 II 405 -
um ihrer selbst willen, sondern ausdrücklich "unter diesen speziellen
Umständen", d.h. namentlich der Tatsache, dass der Kläger im Bewusstsein
der Widerrechtlichkeit der Schwarzzahlungsabrede mit entsprechendem Risiko
die Bauinvestitionen des Beklagten vor dem Eigentumsübergang zugelassen
hat. Solche Betrachtungsweise ist nicht zu beanstanden (vgl. BGE 92
II 326).

    c) Missbrauch sieht das Obergericht auch darin, dass es dem Kläger
vorab darum gehe, vom Beklagten die nur mündlich vereinbarte Zahlung von
zusätzlichen Fr. 100'000.- nachträglich doch noch erhältlich zu machen. Es
verweist in diesem Zusammenhang auch darauf, dass der Kläger in der
erstinstanzlichen Replik ausführen liess: "Der Kläger will eigentlich
nur die versprochene Geldleistung, d.h. die Fr. 100'000.- nebst Ersatz
des ihm entstandenen Schadens...".

    Solches Bestreben ist in der Tat durch den Zweck der Form nicht
gedeckt. Wer mit der Geltendmachung eines Formmangels die Leistung
einer unterbliebenen Schwarzzahlung zu betreiben sucht, missbraucht das
Recht. Dass der Kläger mit seinen Begehren noch andere Ziele verfolgte, wie
er vor Bundesgericht - ohne sie zu nennen - geltend macht, ist belanglos.

    d) Letztlich erörtert und verneint das Obergericht die Frage,
ob dem Beklagten ein missbräuchliches Verhalten von etwa gleicher
Schwere wie jenes des Klägers anzulasten und ihm deshalb die Einrede aus
Art. 2 ZGB zu versagen sei. Beizustimmen ist ihm vorweg darin, dass die
Verweigerung der Schwarzzahlung allein nicht genügt, um im Rahmen der
gesamten Umstände die Haltung des Beklagten als ebenso missbräuchlich
zu kennzeichnen, wie die des Klägers. Und sonst liegt gegen ihn nach
Feststellung des Obergerichts nichts vor. Die mit der Berufung angebrachten
Unterstellungen haben keine fassbare Stütze. Gewiss ist die Nichteinhaltung
eines gegebenen Versprechens an sich wenig geeignet, zum Vorwurf des
Rechtsmissbrauchs an den betroffenen Partner zu legitimieren. Aber
auf teilweise Schwarzzahlung ausgerichtete Grundstückgeschäfte sind von
besonderer Art, und dementsprechend im Streit zwischen den Beteiligten zu
behandeln. Es ist an die bezüglichen Überlegungen in BGE 92 II 325 E. 3 zu
erinnern. Danach muss es vorliegend bei dem von den Parteien durch Vollzug
des öffentlich beurkundeten Kaufvertrages geschaffenen Rechtszustand unter
den dargelegten Umständen sein Bewenden haben. Dieses Ergebnis deckt
sich zudem mit der für die ungerechtfertigte Bereicherung geltenden,
aber grundsätzlich allgemeine Beachtung heischenden Regel des Art.
66 OR, dass nicht zurückgefordert werden kann, was in der Absicht, einen
rechtswidrigen oder unsittlichen Erfolg herbeizuführen, gegeben worden ist.

Entscheid:

              Demnach erkennt das Bundesgericht:

    Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Obergerichts des
Kantons Thurgau vom 20. September 1977 bestätigt.