Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 II 61



104 II 61

11. Beschluss der I. Zivilabteilung vom 30. Mai 1978 i.S. X. gegen Y.
Regeste

    Art. 35 Abs. 1 OG.

    Wiederherstellung der Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses,
der durch Fehler der beauftragten Bank und der Post fehlgeleitet wurde.

Sachverhalt

    A.- X. begehrte von Y. die Vorlegung von Urkunden aus dem gegenseitigen
Geschäftsverkehr. Der Einzelrichter im summarischen Verfahren des Bezirkes
Zürich hiess das Begehren am 8. September 1977 teilweise gut, ebenso
auf Rekurs beider Parteien hin das Obergericht des Kantons Zürich mit
Beschluss vom 16. Januar 1978, den es am 17. Februar 1978 erläuterte. Der
Beklagte legte Berufung ein, und der Kläger erklärte die Anschlussberufung.

    B.- Am 3./6. März 1978 forderte das Bundesgericht den Kläger auf, bei
der Bundesgerichtskasse bis zum 17. März 1978 zur Deckung der mutmasslichen
Gerichtskosten Fr. 3200.- zu hinterlegen. Rechtsanwalt A. als Vertreter
des Klägers beauftragte die B.-Bank Zürich am 8. März 1978, den Betrag
unter Belastung seines Kontos der Bundesgerichtskasse zu überweisen. Die
B.-Bank belastete A. den Betrag Valuta 15. März 1978 und wollte ihn durch
ihre Filiale in Lausanne überweisen lassen. Bei der Übertragung der Angaben
des A. auf das Bankgiroformular setzte sie versehentlich die Nummer dessen
Postcheckkontos als Nummer des Postcheckkontos der Bundesgerichtskasse
ein. Ihre Filiale in Lausanne bemerkte den Fehler nicht. Sie verwendete
einen Abschnitt des Bankgiroformulars als Postgirozettel und übergab ihn
am 17. März 1978 der Post. Als Auftraggeber wurden auf dem Girozettel
A. sowie die B.-Bank Lausanne unter Beifügung deren Postcheckkontonummer
genannt. Demgegenüber wurde als Begünstigte die Bundesgerichtskasse
angeführt, wobei allerdings - von Hand - die Postcheckkontonummer des
A. eingesetzt wurde. Ohne irgendwelche Rücksprache zu nehmen, bezeichnete
in der Folge das Postcheckamt mittels roter Pfeile die Bundesgerichtskasse
als Belastete und A. als Begünstigten. Das Postcheckamt Zürich liess
deshalb am 21. März 1978 den Betrag von Fr. 3200.- dem Postcheckkonto
des A. gutschreiben.

    C.- Mit Eingabe vom 22. März 1978 ersucht der Kläger das Bundesgericht
um Wiederherstellung der Frist zur Leistung des Kostenvorschusses.

    Der Beklagte beantragt, das Gesuch abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

             Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Der Vertreter des Klägers entdeckte die Fehlleitung des
Kostenvorschusses am 22. März 1978, als er den Girozettel erhielt,
der zur Gutschrift des Betrages auf seinem Postcheckkonto Anlass
gab. Die zehntägige Frist des Art. 35 Abs. 1 OG zur Einreichung des
Wiederherstellungsgesuches ist somit eingehalten. Binnen der gleichen
Frist wurde der Kostenvorschuss auch geleistet. Der Betrag von Fr. 3200.-
wurde der Bundesgerichtskasse durch das Postcheckamt Lausanne am 28. März
1978 gutgeschrieben. Auf das Gesuch ist daher einzutreten.

Erwägung 2

    2.- Nach Art. 35 Abs. 1 OG kann Wiederherstellung gegen die Folgen der
Versäumung einer Frist nur dann erteilt werden, wenn der Gesuchsteller oder
sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis abgehalten worden ist,
innert Frist zu handeln.

    Wie sich aus sinngemässer Anwendung von Art. 32 Abs. 3 OG ergibt, ist
die Frist zur Leistung eines Kostenvorschusses schon dann eingehalten, wenn
spätestens am letzten Tag der Frist der entsprechende Überweisungsauftrag
der schweizerischen Post übergeben wird (BGE 96 I 472 E. 1). Der Beklagte
bestreitet "mit Nichtwissen", dass die Bank den Überweisungsauftrag
am 17. März 1978 an das Postcheckamt Lausanne weitergeleitet habe,
wie diese das in ihrem Schreiben vom 30. März 1978 an den klägerischen
Anwalt behauptet. Die Aktenlage spricht indes für die Richtigkeit der
Stellungnahme der Bank, steht doch auf Grund einer eingereichten Urkunde
fest, dass das Konto des A. bereits am 15. März 1978 entsprechend seinem
Auftrag vom 8. März 1978 belastet wurde. Dass das Postcheckamt Zürich
den Betrag von Fr. 3200.- erst am 21. März 1978 dessen Postcheckkonto
gutschrieb, erklärt sich ohne weiteres daraus, dass der 21. März ein
Dienstag, der 17. März aber ein Freitag war, so dass der Zahlungsauftrag
über das Wochenende in Lausanne liegen blieb. Es ist somit davon
auszugehen, dass der Überweisungsauftrag der Post am 17. März 1978 und
damit innert Frist zugekommen ist.

    Der Giroauftrag muss aber nicht nur innert Frist der Post
übergeben, sondern auch so erteilt werden, dass er ausgeführt werden
kann. Diesbezüglich gesteht die Bank in ihrem Schreiben vom 30. März
1978 ein Versehen ein, wonach sie die Postchecknummern des A. und der
Bundesgerichtskasse verwechselte. Die Fehlleitung wurde schliesslich
aber dadurch herbeigeführt, dass das Postcheckamt auf dem Girozettel den
Auftraggeber und den Begünstigten mittels roter Pfeile vertauschte. Dass
das Postcheckamt sich zu diesem Vorgehen entschloss, ohne mit der
Kontoinhaberin Rücksprache zu nehmen, ist nicht zu verstehen. Der
von der Post begangene Fehler kommt dem erwähnten Versehen der Bank
zumindest gleich, so dass offen bleiben kann, ob und inwiefern das
Verhalten der Bank dem Kläger zuzurechnen ist. Da die Fehlleitung der
Zahlung letzten Endes einem Fehler der Post zuzuschreiben ist, wurde der
Kläger bzw. sein Vertreter durch ein unverschuldetes Hindernis im Sinne
von Art. 35 Abs. 1 OG davon abgehalten, innert Frist zu handeln. Dem
Wiederherstellungsgesuch ist deshalb zu entsprechen.

Entscheid:

            Demnach beschliesst das Bundesgericht:

    Das Wiederherstellungsgesuch wird gutgeheissen und der Kostenvorschuss
als rechtzeitig geleistet betrachtet.