Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 III 84



104 III 84

21. Auszug aus dem Urteil der II. Zivilabteilung vom 26. Oktober 1978 i.S.
Konkursmasse der Wohnkomfort AG gegen Jeger Regeste

    Retentionsrecht des Vermieters im Konkurs des Mieters (Art.  272 OR;
Art. 211 SchKG).

    1. Das gesetzliche Retentionsrecht des Vermieters kann nur für
Mietzinsforderungen, nicht auch für Schadenersatzforderungen, in Anspruch
genommen werden (E. 2).

    2. Art. 211 Abs. 2 SchKG ist auch auf Verpflichtungen des
Gemeinschuldners anwendbar, die auf Geldzahlung gerichtet sind (E. 3a).

    3. Lehnt es die Konkursverwaltung ab, eine Verpflichtung des
Gemeinschuldners zu erfüllen, so wird dadurch der Vertrag mit dem
Gläubiger nicht aufgehoben. Die Ablehnung hat lediglich zur Folge,
dass die betreffende Verpflichtung nicht zur Massaschuld wird (E. 3b).

    4. Der Vermieter eines Geschäftslokales ist im Konkurs des Mieters
für seine zukünftige Mietzinsforderung jedenfalls insoweit zuzulassen,
als ihm das gesetzliche Retentionsrecht zusteht (E. 4).

Sachverhalt

    A.- Michael Jeger als Vermieter und die Wohnkomfort AG als Mieterin
schlossen am 29. Oktober 1974 mit Wirkung ab 15. September 1974
einen Mietvertrag über Ausstellungs- und Verkaufsräumlichkeiten an der
Klingentalstrasse 90 in Basel ab. Der Vertrag wurde auf fünf Jahre fest
abgeschlossen und sollte am 30. September 1979 erstmals auf den 31. März
1980 kündbar sein. Der Mietzins betrug Fr. 6000.- im Monat zuzüglich
Nebenkosten und war monatlich zum voraus zahlbar. Bereits ab 1. Dezember
1974 blieb die Mieterin den Mietzins schuldig. Am 17. Juni 1975 wurde
über sie der Konkurs eröffnet. Die Konkursverwaltung lehnte es ab, in
den Mietvertrag einzutreten. Sie liess die Mieträumlichkeiten per Ende
Juli 1975 vollständig räumen, um dem Vermieter eine möglichst rasche
Weitervermietung zu ermöglichen. Der Vermieter hielt grundsätzlich am
Vertrag fest, bemühte sich aber in der Folge, einen neuen Mieter zu
finden. Im Konkurs der Mieterin machte er eine retentionsgesicherte
Mietzinsforderung von Fr. 115'009.35 sowie eine (ungesicherte)
Schadenersatzforderung von Fr. 307'467.05 geltend. Die Konkursverwaltung
liess im Kollokationsverfahren eine retentionsgesicherte Mietzinsforderung
von Fr. 58'083.35 zu, was dem Mietzins nebst weiteren Kosten für die
Zeit vom 1. Dezember 1974 bis zum 31. Juli 1975 entsprach; die restliche
Mietzinsforderung von Fr. 56'926.- verwies sie in die fünfte Klasse.
Als ungesicherte Forderung liess sie einen Betrag von insgesamt
Fr. 203'793.05 zu.

    B.- Der Vermieter erhob hierauf beim Einzelrichter im beschleunigten
Verfahren des Bezirkes Zürich gegen die Konkursmasse der Wohnkomfort
AG Klage auf Anfechtung des Kollokationsplans. Er stellte folgendes
Rechtsbegehren:

    "Die Beklagte sei anzuweisen, im Konkurs der Wohnkomfort AG,

    Othmarstr. 8, Zürich, aus der in die V. Klasse verwiesenen Forderung
   den Betrag von Fr. 26'996.- als zusätzliche pfandversicherte
   Forderung zu dem bereits pfandversichert zugelassenen Betrag von
   Fr. 58'083.35, total somit Fr. 85'079.35 als pfandversicherte Forderung
   zu kollozieren."

    Zur Begründung machte er im wesentlichen geltend, dass ihm
gemäss Art. 272 OR für das laufende Halbjahr eine retentionsgesicherte
Mietzinsforderung zustehe; das Retentionsrecht beziehe sich daher auf den
Mietzins bis zum November 1975. Die Beklagte stellte sich demgegenüber auf
den Standpunkt, dass zufolge ihres Nichteintritts in das Mietverhältnis
und der per Ende Juli 1975 erfolgten Räumung der Mietlokalitäten über
diesen Zeitpunkt hinaus kein Anspruch auf Mietzins, sondern lediglich
auf Schadenersatz gegeben sei; für einen Schadenersatzanspruch bestehe
aber kein Retentionsrecht.

    Mit Urteil vom 8. Juni 1977 wies der Einzelrichter die Klage ab. Er
nahm an, die Konkursverwaltung habe auf Grund von Art. 211 Abs. 2 SchKG
das Recht gehabt, den Mietvertrag der Gemeinschuldnerin mit dem Kläger
aufzulösen; hievon habe sie Gebrauch gemacht, indem sie den Eintritt
in diesen Vertrag abgelehnt und die Mieträumlichkeiten dem Kläger per
Ende Juli 1975 geräumt zur Verfügung gestellt habe. Auch auf Grund von
Art. 272 OR könne dem Vermieter kein Retentionsrecht über das Vertragsende
hinaus zugebilligt werden. Ein solches Recht sei vielmehr davon abhängig,
ob eine Mietzinsforderung bestehe.

    C.- Auf Berufung des Klägers hin hob das Obergericht des Kantons
Zürich das einzelrichterliche Urteil mit Entscheid vom 28. April 1978 auf
und hiess die Klage gut. Es teilte die Auffassung des erstinstanzlichen
Richters, dass die Beklagte den Mietvertrag gestützt auf Art. 211 Abs. 2
SchKG habe aufheben können, aus zwei Gründen nicht. Es vertrat zunächst
die Auffassung, dass der Nichteintritt der Konkursmasse in einen vom
Gemeinschuldner noch nicht vollständig erfüllten Vertrag lediglich zur
Folge habe, dass keine Massaschuld entstehe und der Gläubiger somit
für seine Forderung nicht Anspruch auf vollständige, sondern nur auf
konkursmässige Befriedigung habe. Zudem nahm es an, dass das Recht der
Konkursmasse zum Eintritt in bestehende Verträge auf Forderungen gegen
den Gemeinschuldner beschränkt sei, die nicht auf Geldzahlung gerichtet
seien; da der Gemeinschuldner als Mieter bloss Geld schulde, entfalle
zum vornherein die Anwendung von Art. 211 Abs. 2 SchKG.

    D.- Die Beklagte hat gegen das obergerichtliche Urteil Berufung ans
Bundesgericht erhoben. Sie verlangt, das erstinstanzliche Urteil, mit dem
die Klage abgewiesen worden war, sei vollumfänglich zu bestätigen. Der
Kläger beantragt die Abweisung der Berufung.

    Das Bundesgericht weist die Berufung ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Im Unterschied zum Pachtvertrag, für den der Konkurs des
Pächters nach Art. 295 Abs. 1 OR einen Beendigungsgrund darstellt,
führt der Konkurs des Mieters nicht zwangsläufig zur Beendigung des
Mietvertrags. Art. 266 OR gibt dem Vermieter in diesem Fall lediglich das
Recht, den Mietvertrag aufzulösen, sofern ihm nicht binnen angemessener
Frist für die rückständigen und später fälligen Mietzinse Sicherheit
geleistet wird. Es steht unbestrittenermassen fest, dass der Kläger von
diesem Auflösungsrecht keinen Gebrauch gemacht, sondern am Mietvertrag
festgehalten hat. Lediglich um ein weiteres Anwachsen der Mietzinsschuld
zu verhindern, hat er sich um die Weitervermietung der von der Wohnkomfort
AG gemieteten Räumlichkeiten bemüht, nachdem die Konkursverwaltung den
Eintritt in das Mietverhältnis abgelehnt hatte.

    Streitig ist hingegen, in welchem Umfang dem Kläger als Vermieter im
Konkurs der Mieterin eine retentionsgesicherte Forderung zusteht. Diese
Frage hängt, wie die Parteien in Übereinstimmung mit den kantonalen
Instanzen zutreffend annehmen, in erster Linie davon ab, ob das
mit der Klage geltend gemachte Retentionsrecht der Sicherung einer
Mietzinsforderung dient. Nach feststehender Rechtsprechung, deren
Richtigkeit die Parteien nicht in Zweifel ziehen, kann das Retentionsrecht
des Vermieters nämlich entsprechend dem Wortlaut von Art. 272 Abs. 1
OR nur für eine Mietzinsforderung oder eine mietzinsähnliche Forderung
in Anspruch genommen werden, nicht aber für eine Schadenersatzforderung
(BGE 86 III 38 ff.; 63 II 373 ff., insbes. 379/380 mit Hinweisen). Der
Ausgang des Prozesses hängt daher zunächst davon ab, ob dem Kläger eine
Mietzinsforderung nur bis Ende Juli 1975 zustand - d.h. bis zum Zeitpunkt,
in dem die Konkursverwaltung die Mieträumlichkeiten räumte, oder aber
bis Ende November 1975, bis zu welchem Zeitpunkt das Retentionsrecht
gemäss Art. 272 Abs. 1 OR höchstenfalls reichte (nach der Praxis bildet
Ausgangspunkt für die Berechnung des in Art. 272 Abs. 1 OR erwähnten
Halbjahreszinses der letzte Zinstermin vor der Konkurseröffnung, hier
also der 1. Juni 1975; vgl. SCHMID, N. 19 zu Art. 272-274 OR mit Zitaten).

Erwägung 3

    3.- Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Konkursverwaltung
sei zur Auflösung des Mietvertrages zwischen dem Kläger und der
Gemeinschuldnerin berechtigt gewesen und habe von diesem Recht per Ende
Juli 1975 Gebrauch gemacht, indem sie es abgelehnt habe, den Mietvertrag
an Stelle der Gemeinschuldnerin zu erfüllen. Sie leitet die Befugnis der
Konkursverwaltung zur Vertragsaufhebung aus Art. 211 Abs. 2 SchKG ab,
der dieser das Recht verleiht, die Verpflichtung des Gemeinschuldners zu
erfüllen. Wenn die Konkursverwaltung in einem Fall wie dem vorliegenden
auf die Erfüllung verzichtet, wird der Mietvertrag nach Auffassung
der Beklagten aufgelöst und kann der Vermieter nur den Ersatz des ihm
daraus erwachsenden Schadens geltend machen. Bevor auf die Tragweite von
Art. 211 Abs. 2 SchKG näher eingegangen wird, ist zur Frage Stellung zu
nehmen, ob diese Bestimmung auf Forderungen, die wie jene des Klägers
eine Geldleistung zum Gegenstand haben, überhaupt anwendbar ist. Die
Vorinstanz hat diese Frage verneint. Die Beklagte erblickt hierin eine
Bundesrechtsverletzung.

    a) Die Vorinstanz begründet ihre Auffassung im wesentlichen damit,
aus der systematischen Stellung von Art. 211 Abs. 2 SchKG unter dem Titel
"Umwandlung von anderen als Geldforderungen" ergebe sich, dass sich das
Recht der Konkursverwaltung zur Vertragserfüllung auf Verpflichtungen
des Gemeinschuldners beschränke, die nicht auf eine Geldzahlung gerichtet
seien; nachdem Absatz 1 des gleichen Artikels den allgemeinen Grundsatz
aufstelle, dass Forderungen, die nicht eine Geldzahlung zum Gegenstand
hätten, in Geldforderungen von entsprechendem Wert umgewandelt würden,
sei Absatz 2 als eine Ausnahme von diesem Grundsatz zu verstehen.

    Aus dem Randtitel von Art. 211 SchKG kann zum vornherein nichts
abgeleitet werden, da die amtliche Gesetzesausgabe gar keine solchen
Titel enthält. Diese finden sich vielmehr nur in der in der Praxis häufig
verwendeten privaten Gesetzesausgabe von JAEGER/DAENIKER. Art. 211 Abs. 2
SchKG stellt sodann insoweit tatsächlich eine Ausnahme vom Grundsatz
der Umwandlung der nicht auf Geldzahlung gerichteten Forderungen
in Geldforderungen dar, als diese Umwandlung unterbleibt, wenn die
Konkursverwaltung vom Recht Gebrauch macht, eine Verpflichtung des
Gemeinschuldners, die keine Geldleistung zum Gegenstand hat, real zu
erfüllen. Dieser Umstand muss indessen nicht zwingend dazu führen, dass
das Recht der Konkursverwaltung zur realen Erfüllung der Verpflichtungen
des Gemeinschuldners auf Verträge beschränkt bleibt, in denen sich dieser
zu einer Sachleistung verpflichtet hat. Auch dort, wo der Gemeinschuldner
nach dem Vertrag eine Geldleistung zu erbringen hat, kann es für die
Konkursmasse vorteilhaft sein, wenn die Konkursverwaltung den Vertrag
real erfüllt. So kann unter Umständen auf diese Weise eine für die
Konkursmasse günstige Gegenleistung erlangt werden, die der Vertragspartner
sonst zurückbehalten könnte. Oder wenn die Weiterführung des Geschäfts
des Gemeinschuldners beschlossen wird, kann es notwendig werden, die
Miete der Geschäftslokalitäten weiterzuführen. Es ist nicht einzusehen,
weshalb das Vollstreckungsrecht die Vertragserfüllung in einem solchen
Fall ausschliessen sollte. Eingriffe in die Vertragsabwicklung sind nur
soweit gerechtfertigt, als sie zur Durchführung der Zwangsvollstreckung
unumgänglich sind. Wo es für die Gläubigergesamtheit vorteilhafter ist,
wenn ein vom Gemeinschuldner nicht oder noch nicht vollständig erfüllter
Vertrag trotz des Konkurses abgewickelt wird, muss die Konkursverwaltung
daher zur Erfüllung berechtigt sein, auch wenn die Verpflichtung des
Gemeinschuldners in einer Geldleistung besteht.

    Aus diesem Grunde kann dem von der Vorinstanz aus der
Gesetzessystematik abgeleiteten Schluss kein entscheidendes Gewicht
zukommen. Wie die Entstehungsgeschichte des Gesetzes zeigt, bildete die
in Art. 211 Abs. 2 SchKG enthaltene Vorschrift ursprünglich denn auch
Gegenstand einer selbständigen Regelung. Erst in der letzten Phase der
Gesetzgebung wurde sie zusammen mit dem Grundsatz des Absatzes 1 zu
einer einzigen Bestimmung verschmolzen (vgl. dazu insbes. E. BRAND,
SJK No. 1003a, S. 1 ff.; TAILLENS, Des effets de la faillite sur
les contrats du débiteur, Diss. Lausanne 1950, S. 129 ff.; WEYDMANN,
Zweiseitige Verträge im Konkurs einer Vertragspartei, Diss. Zürich 1958,
S. 26 ff.). Es kann nicht angenommen werden, dass die Tragweite dieser
Vorschrift dadurch eingeschränkt werden wollte. Auch in der Literatur
herrscht die Meinung vor, dass sich der Anwendungsbereich von Art. 211
Abs. 2 SchKG nicht auf Verträge beschränke, bei denen die Verpflichtung
des Gemeinschuldners nicht in einer Geldleistung besteht (JAEGER, N. 5
zu Art. 211 SchKG, S. 87; E. BRAND, SJK No. 1003b, S. 14 sub Ziff. 5b;
TAILLENS, aaO S. 56 ff.; WEYDMANN, aaO S. 28 ff.; SCHMID, N. 17 und 18 zu
Art. 266 OR). Es ist hier deshalb davon auszugehen, dass Art. 211 Abs. 2
SchKG entgegen der Auffassung der Vorinstanz Anwendung findet, obwohl
die Verpflichtung der Gemeinschuldnerin auf Geldzahlung gerichtet war.

    b) Es stellt sich somit die weitere Frage, welche Wirkung es auf das
Vertragsverhältnis hatte, dass die Konkursverwaltung es ablehnte, in den
Mietvertrag "einzutreten" bzw. die Verpflichtung der Gemeinschuldnerin
zur Bezahlung des Mietzinses zu erfüllen. Die Beklagte hält an der von
ihr im kantonalen Verfahren vertretenen Meinung fest, der Mietvertrag
sei dadurch aufgelöst worden, dass die Konkursverwaltung dessen Erfüllung
abgelehnt und die Mietlokalitäten geräumt habe. Sie geht davon aus, der
Konkursverwaltung stehe das Recht zu, noch nicht erfüllte zweiseitige
Verträge einseitig aufzuheben.

    Nachdem das OR dem Konkurs des Mieters nicht die Wirkung zulegt, dass
der Mietvertrag dadurch aufgehoben wird, sondern lediglich dem Vermieter
ein Recht zur Vertragsauflösung zuerkennt, fehlt es im materiellen
Recht an einer Grundlage für das von der Beklagten beanspruchte Recht der
Konkursverwaltung zur Vertragsaufhebung. Aber auch das Vollstreckungsrecht
kennt keine Bestimmung, welche die Konkursverwaltung dazu berechtigen
würde, vom Gemeinschuldner noch nicht erfüllte Verträge einseitig
aufzuheben. Im Entwurf für das SchKG vom 11. November 1885 war in
Art. 211 ein Recht der Konkursverwaltung zur Aufhebung gegenseitiger
Verträge vorgesehen. Diese Regelung ist indessen nicht Gesetz geworden
(vgl. dazu BRAND, SJK No. 1003a S. 1 ff. und S. 8; TAILLENS, aaO
S. 129 ff., insbes. S. 133; WEYDMANN, aaO S. 27 ff. und S. 48/49). In
Übereinstimmung mit den soeben zitierten Autoren kann nicht angenommen
werden, das SchKG gewähre der Konkursverwaltung trotz Fehlens einer
entsprechenden Bestimmung das Recht zur Vertragsauflösung (anderer Meinung
GULDENER, in: FRITZSCHE, Schuldbetreibung und Konkurs, 2. Aufl., Bd. II,
S. 68). Es ist vielmehr davon auszugehen, dass Art. 211 Abs. 2 SchKG
keine materiellrechtliche Regelung enthält. Welches die Auswirkungen
des Konkurses auf die Verträge des Gemeinschuldners sind, ist nicht in
erster Linie eine vollstreckungsrechtliche Frage, sondern eine solche des
materiellen Rechts. Die Antwort darauf ist daher nicht im SchKG, sondern in
den Bestimmungen des OR zu suchen (BRAND, aaO S. 9; TAILLENS, aaO S. 134).
Das OR gibt dem Mieter nicht das Recht, den Mietvertrag im Falle seiner
Zahlungsunfähigkeit einseitig aufzuheben. Der Konkursverwaltung standen
hinsichtlich der Beendigung des Vertrages nicht mehr Rechte zu als der
Gemeinschuldnerin selbst (WEYDMANN, aaO S. 49 Anm. 6).

    Wenn die Konkursverwaltung von der Möglichkeit der Vertragserfüllung
im Sinne von Art. 211 Abs. 2 SchKG nicht Gebrauch machte, bedeutete dies
daher in keiner Weise, dass der Vertrag als solcher aufgelöst wurde. Die
Folge der Erfüllungsablehnung bestand, wie die Vorinstanz zutreffend
ausführt, einzig darin, dass die Verpflichtung der Gemeinschuldnerin
nicht zur Massaschuld wurde und der Gläubiger dadurch nicht Anspruch auf
vollständige Befriedigung erhielt (WEYDMANN, aaO S. 41/42).

    Führte aber der Umstand, dass die Konkursverwaltung es ablehnte,
in den Mietvertrag einzutreten, d.h. die sich daraus ergebende
Verpflichtung der Gemeinschuldnerin aus Massamitteln zu erfüllen,
nicht zur Beendigung des Mietverhältnisses, so blieben die beidseitigen
Vertragspflichten bestehen. Dem Kläger stand daher entgegen der Auffassung
der Beklagten weiterhin eine Mietzinsforderung und nicht etwa bloss ein
Schadenersatzanspruch zu (vgl. in diesem Sinne BGE 27 II 45; SCHMIED,
N. 8 zu Art. 266 OR; TAILLENS, aaO S. 177 N. 190; ROLF PETER, Zweiseitige
Verträge im Konkurs, Diss. Zürich 1955, S. 52/53). Eine andere Frage
ist es hingegen, für welche Zeitdauer der Kläger mit den ihm gemäss
Vertrag geschuldeten Mietzinsen im Konkurs zuzulassen ist. Hierauf ist
im folgenden näher einzugehen.

Erwägung 4

    4.- Das Bundesgericht hat in einem Urteil aus dem Jahre 1901 zur Frage
Stellung genommen, ob der Vermieter im Konkurs des Mieters berechtigt sei,
gemäss Art. 208 SchKG auch die erst in Zukunft fällig werdenden Mietzinse
als Konkursforderung geltend zu machen (BGE 27 II 44ff, insbesondere
E. 6). Es führte dort aus, der Mietzins für die noch nicht abgelaufene
Vertragsdauer sei nicht eine bereits existente Schuldverpflichtung, die
vor der Konkurseröffnung bloss noch nicht fällig gewesen sei. Auch handle
es sich dabei weder um eine betagte noch um eine bedingte, sondern um
eine Verpflichtung, welche erst in Zukunft zur Entstehung gelange. Die
Mietzinsforderung entstehe nämlich nicht bereits mit Abschluss des
Mietvertrags, sondern erst mit der Erbringung der Gegenleistung durch
den Vermieter. Die logische Konsequenz aus dieser Rechtslage könne aber
nicht streng durchgeführt werden. Sie müsste eigentlich dazu führen, dass
der Vermieter für seine noch offenen Mietzinsforderungen nur insoweit
als Konkursgläubiger auftreten könnte, als diese sich auf die Zeit bis
zum Tage der Konkurseröffnung bezögen. Das Gesetz regle indessen das
Verhältnis von Leistung und Gegenleistung beim Mietvertrag nicht in der
Weise, dass diese sich gegenseitig von Moment zu Moment bedingen würden,
sondern gehe davon aus, dass Leistung und Gegenleistung in ihrem Verhältnis
zueinander nach gewissen Zeitperioden bemessen werden müssten. Daraus
folge, dass jedenfalls die Mietzinsforderung für das Halbjahr, das bei
der Konkurseröffnung im Gange gewesen sei, als Konkursforderung anerkannt
werden müsse.

    In einem Urteil vom 16. Juni 1916 knüpfte das Bundesgericht an
den soeben erwähnten Entscheid an. Es ging unter Bezugnahme auf eine
hier nicht wiedergegebene Erwägung des früheren Urteils davon aus, dass
Mietzinsforderungen des Vermieters im Konkurs des Mieters soweit müssten
geltend gemacht werden können, als dafür nach den massgebenden Bestimmungen
des OR ein Retentionsrecht bestehe; denn ein Retentionsrecht ohne Forderung
sei undenkbar. Nach Art. 272 OR stehe dem Vermieter für einen verfallenen
Jahres- und für den laufenden Halbjahreszins ein Retentionsrecht zu;
in diesem Umfange sei daher die Mietzinsforderung im Konkurs zuzulassen
(BGE 42 III 282f).

    Diese Rechtsprechung ist in der Literatur zum Teil auf Kritik
gestossen. Es wurde dagegen eingewendet, die Frage, in welchem Umfang
eine Mietzinsforderung Konkursforderung sei, könne sich logischerweise
nicht danach richten, wie weit diese Forderung retentionsgesichert sei,
sondern nur danach, wie lange der Mietzins bis zum nächsten vertraglichen
Zinstermin über den Zeitpunkt der Konkurseröffnung hinaus laufe (PETER,
aaO S. 51/52; OSER-SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 266 OR, je mit Zitaten). Die
meisten Autoren führen indessen die bundesgerichtliche Praxis an, ohne
sie zu beanstanden (vgl. insbes. BECKER, N. 4 zu Art. 266 OR; SCHMID,
N. 8 zu Art. 266 OR; JAEGER, N. 5b zu Art. 211 SchKG, S. 89; TAILLENS,
aaO S. 177 Anm. 190).

    Anderseits weist GULDENER gegenüber der zitierten Rechtsprechung
darauf hin, dass sich der Ausschluss von Mietzinsforderungen für künftige
Mietperioden von der Teilnahme am Konkurs kaum damit erklären lasse,
dass diese im Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht zur Entstehung
gelangt seien. Er führt zutreffend aus, dass auch die suspensiv bedingten
Forderungen erst mit dem Eintritt der Bedingung entstehen (Art. 151
Abs. 2 OR), trotzdem aber im Konkurs vollumfänglich zugelassen werden,
dies allerdings mit der Einschränkung, dass die auf sie entfallende
Konkursdividende erst nach dem Eintritt der Bedingung bezogen werden
kann (Art. 210 Abs. 1 SchKG). GULDENER vertritt die Auffassung,
die Teilnahmeberechtigung künftiger Forderungen im Konkurs dürfe nur
beim Vorliegen besonderer Gründe verneint werden. Einen solchen Grund
erblickt er hinsichtlich der Nichtzulassung von Mietzinsforderungen
für künftige Mietperioden darin, dass der Gemeinschuldner nur dann im
Genuss des Mietobjektes bleiben könne, wenn er den vollen Mietzins aus
seinem künftigen Erwerb bezahle; aus der Konkursmasse eine Dividende
für künftige Mietzinsforderungen auszurichten, würde darauf hinauslaufen,
einen Beitrag an den künftigen Unterhalt oder die künftige Erwerbstätigkeit
des Gemeinschuldners zu leisten (GULDENER, aaO S. 69f. sub Ziff. 5).

    Diese letzte Überlegung GULDENERS ist auf die Miete von Wohnungen
zugeschnitten. In einem Fall wie dem vorliegenden, wo es um die Miete von
Geschäftslokalitäten geht, fällt eine Weiterführung des Mietverhältnisses
durch den Gemeinschuldner praktisch ausser Betracht. Die Zulassung
künftiger Mietzinsforderungen im Konkurs kommt somit nicht einer
Beitragsleistung an dessen künftige Existenz gleich. Dieser Grund für
die Nichtzulassung solcher Forderungen fällt daher weg.

    Beizupflichten ist GULDENER sodann darin, dass sich der Ausschluss
künftiger Mietzinsforderungen von der Teilnahme am Konkurs nicht mit
der Begründung rechtfertigen lässt, es handle sich dabei um noch nicht
entstandene Forderungen, wenn das Gesetz anderseits aufschiebend bedingte
Forderungen im Konkurs vollumfänglich zulässt (Art. 210 Abs. 1 SchKG). Für
die Zulassung von Mietzinsforderungen für künftige Mietperioden muss
es genügen, dass der Vermieter auf Grund des Mietvertrags einen festen
Anspruch auf den von ihm geltend gemachten Mietzins hat sowie dass er
am Vertrag festhält und bereit ist, seine eigene Leistung weiterhin
zu erbringen. Eine Kürzung der Mietzinsforderung kann sich allenfalls
daraus ergeben, dass auch dem am Vertrag festhaltenden Vermieter zugemutet
werden kann, sich rechtzeitig um eine Weitervermietung der betreffenden
Räumlichkeiten zu bemühen, sofern diese sonst unbenützt bleiben würden. Vom
Zeitpunkt einer anderweitigen Verwendung der Mietlokalitäten an entfällt
selbstverständlich jeglicher Mietzinsanspruch; es stellt sich höchstens
die Frage;ob dem Vermieter darüber hinaus noch ein Schadenersatzanspruch
zustehe. Analog zu aufschiebend bedingten Forderungen kann das Recht des
Vermieters zum Bezug der Konkursdividende davon abhängig gemacht werden,
dass die Mieträumlichkeiten während der Zeit, für die eine künftige
Mietzinsforderung zugelassen wurde, nicht anderweitig benützt werden.

    Es ist kein stichhaltiger Grund ersichtlich, der es rechtfertigen
würde, den Vermieter in einem Fall wie dem vorliegenden nicht insoweit
mit einer künftigen Mietzinsforderung im Konkurs zuzulassen, als ihm das
gesetzliche Retentionsrecht zusteht. Zwar fehlt im Konkursrecht eine
Bestimmung, welche die Möglichkeit der Geltendmachung einer künftigen
Mietzinsforderung im Umfang der Retentionssicherung ausdrücklich
vorsieht. Für die Zulassung einer solchen Forderung spricht aber neben
dem Umstand, dass Art. 272 Abs. 1 OR dem Vermieter für den laufenden
Halbjahreszins ein Retentionsrecht zuerkennt, die von GULDENER angestellte
Überlegung, dass eine künftige Mietzinsforderung im Konkurs nicht
weniger berücksichtigt zu werden verdient als eine aufschiebend bedingte
Forderung. Der von GULDENER angeführte Grund für die Nichtzulassung
künftiger Mietzinsforderungen, nämlich die sich daraus ergebende
Beitragsleistung an den künftigen Unterhalt des Gemeinschuldners, fällt
im vorliegenden Fall weg und muss deshalb nicht auf seine Stichhaltigkeit
geprüft werden.

    Diese Überlegungen führen zum Ergebnis, dass die Vorinstanz dem
Kläger zu Recht eine Mietzinsforderung für die Zeitdauer zuerkannt hat,
für die ihm ein Retentionsrecht zusteht.

    Ihrer Höhe nach wird die Forderung von der Beklagten im übrigen
nicht bestritten. Die Kollokationsklage erweist sich damit als begründet,
und das angefochtene Urteil ist zu bestätigen.