Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 III 8



104 III 8

3. Auszug aus dem Entscheid vom 18. Mai 1978 i.S. W. AG Regeste

    Beneficium excussionis realis (Art. 41 SchKG).

    1. Zu den Pfandrechten, deren Vorausverwertung der Schuldner verlangen
kann, gehört auch das Retentionsrecht (E. 2).

    2. Hat der Gläubiger mehrere durch ein einziges Pfand gesicherte
Forderungen gegen denselben Schuldner, so steht es ihm grundsätzlich frei,
für welche dieser Forderungen er die Sicherheit beanspruchen will (E. 3).

Sachverhalt

    A.- Mit Zahlungsbefehl Nr. 2617 des Betreibungsamtes Meilen vom
23. Juli 1977 betrieb R. die W. AG für den Betrag von Fr. 37'080.-. Als
Forderungsgrund gab er "Arbeits- und Beratungsverträge vom 7. März 1917"
an. Am 1. September 1977 ersuchte er beim Einzelrichter im summarischen
Verfahren des Bezirksgerichtes Meilen um Erteilung der provisorischen
Rechtsöffnung, jedoch nur für den Betrag von Fr. 12'020.- nebst Zinsen. Der
Einzelrichter entsprach diesem Gesuch mit Verfügung vom 4. Oktober 1977
teilweise, nämlich für Fr. 4111.93 nebst Zins zu 5% seit 26. Juli 1977
und Fr. 6000.- nebst Zins zu 5% seit 15. Juli 1977. Da die Schuldnerin
keine Aberkennungsklage erhob, wurde die Rechtsöffnung definitiv. Am
7. Dezember 1977 erliess das Betreibungsamt Meilen die Konkursandrohung.

    B.- Gegen die Konkursandrohung beschwerte sich die Schuldnerin beim
Bezirksgericht Meilen als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde über
die Betreibungs- und Konkursämter. Sie machte geltend, sie habe mit
Brief vom 28. Juli 1977 vom Gläubiger die Rückgabe des ihm im Rahmen
des Arbeitsvertrags zur Verfügung gestellten Firmenwagens verlangt. Der
Gläubiger habe sich jedoch mit Brief vom 8. August 1977 geweigert, das Auto
zurückzugeben, und sich auf ein ihm zustehendes Retentionsrecht berufen.
Beanspruche er aber ein Retentionsrecht, hätte er auf Faustpfandverwertung
und nicht auf Konkurs betreiben müssen. Die Schuldnerin sei berechtigt,
das beneficium excussionis realis in Anspruch zu nehmen.

    Während das Bezirksgericht Meilen nicht auf die Beschwerde eintrat,
wies sie das Obergericht des Kantons Zürich als obere kantonale
Aufsichtsbehörde mit Beschluss vom 20. April 1978 ab.

    C.- Gegen diesen Beschluss rekurrierte die W. AG an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Diese weist den
Rekurs ab.

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu Art. 41 SchKG, wie
sie in BGE 93 III 15 zusammengefasst worden ist, hat der auf Pfändung
oder Konkurs betriebene Schuldner unter Vorbehalt entgegenstehender
Abmachungen die Möglichkeit, durch Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl
die Aufhebung der Betreibung zu erreichen und den Gläubiger auf den Weg
der Betreibung auf Pfandverwertung zu verweisen, wenn er in liquider Weise
darzutun vermag, dass die Forderung pfandgesichert ist. Dieses sogenannte
beneficium excussionis realis steht dem Schuldner auch dann zu, wenn er
das Bestehen eines Pfandrechts zwar bestreitet, aber klar nachweist, dass
der Gläubiger ihm gehörige Vermögensstücke als Pfand beansprucht und ihn
so an der freien Verfügung über diese Gegenstände hindert. Der Gläubiger,
der sich ein Pfand bestellen liess, kann sich den Weg der Betreibung auf
Pfändung oder Konkurs dadurch öffnen, dass er in der gesetzlichen Form auf
das Pfandrecht verzichtet, was dem Schuldner spätestens im Zahlungsbefehl
mitgeteilt werden muss (vgl. auch BGE 101 III 21/22, 97 III 50/51). Zu
den Pfandrechten, deren Vorausverwertung der Schuldner durch Berufung
auf das beneficium excussionis realis verlangen kann, gehört nach der
Terminologie des Gesetzes auch das Retentionsrecht (Art. 37 Abs. 2 SchKG).

Erwägung 3

    3.- Im vorliegenden Fall berief sich der Gläubiger erst nach Einleitung
der gewöhnlichen Betreibung auf ein Retentionsrecht, und die Schuldnerin
erfuhr erst kurz vor dem Rechtsöffnungsverfahren davon, als die Frist
für die Beschwerde gegen den Zahlungsbefehl bereits abgelaufen war.
Man kann sich fragen, ob sie sich unter diesen Umständen nicht sofort
auf das benficium excussionis realis hätte berufen müssen, wie es die
erste Instanz annahm, oder ob es ihr entsprechend der Auffassung des
Obergerichts gestattet sein sollte, noch im Anschluss an die nächste
Betreibungshandlung Beschwerde zu führen. Wie es sich damit verhält, kann
jedoch offen bleiben, da der Rekurs ohnehin nicht gutgeheissen werden kann.

    Es ist unbestritten, dass eine Substantiierung des Retentionsrechts
in dem Sinne unterblieben ist, dass klar wäre, dass dieses die
dem Rechtsöffnungsverfahren zugrundeliegende Teilforderung aus
dem Arbeitsvertrag sichern sollte und nicht andere Forderungen des
Gläubigers. Die Vorinstanz stellt dazu gestützt auf die Korrespondenz
zwischen den Parteien, die Rechtsöffnung und die Ausführungen des
Gläubigers in der Beschwerdeantwort vor der unteren Aufsichtsbehörde
fest, dass der Gläubiger sein Retentionsrecht gerade nicht für die mit
der Konkursandrohung geforderten Beträge beanspruche, sondern für eine
Schadenersatzforderung. Indem er die Rechtsöffnung lediglich für einen
Teil des in Betreibung gesetzten Betrages verlangt habe, habe er zum
Ausdruck gebracht, dass sich das vorbehaltene, nicht näher bestimmte
Retentionsrecht nicht darauf beziehen könne. Die für einen reduzierten
Betrag erfolgende Fortsetzung der gewöhnlichen Betreibung, die bereits
angehoben worden sei, als von einem Retentionsrecht noch nicht die Rede
gewesen sei, mache hinreichend deutlich, dass ein solches höchstens für
den von der provisorischen Rechtsöffnung nicht betroffenen Mehrbetrag
beansprucht werde.

    Es mag dahingestellt bleiben, ob in dieser Begründung allenfalls eine
auf Beweiswürdigung gestützte und daher für das Bundesgericht verbindliche
tatsächliche Feststellung gesehen werden kann (Art. 63 Abs. 2 in Verbindung
mit Art. 81 OG). Jedenfalls ergibt sich daraus, dass die Rekurrentin
den klaren Nachweis dafür, dass sich das vom Gläubiger geltend gemachte
Retentionsrecht auf die der Konkursandrohung zugrundeliegende Forderung
beziehe, nicht erbracht hat. Hat der Gläubiger mehrere Forderungen gegen
den Schuldner, die durch ein einziges Pfand gesichert sind, so steht es
ihm grundsätzlich frei, für welche dieser Forderungen er die Sicherheit
beanspruchen und für welche er umgekehrt darauf verzichten und statt dessen
das gesamte Vermögen des Schuldners in Anspruch nehmen will. Dies gilt
jedenfalls, sofern nicht besondere Abmachungen bestehen, was bei einem
Retentionsrecht in der Regel nicht der Fall sein wird, und sofern dem
Gläubiger nicht Rechtsmissbrauch vorgeworfen werden kann. Das behauptet die
Rekurrentin indessen nicht. Sie nennt auch sonst keine bundesrechtliche
Vorschrift, die durch den angefochtenen Entscheid verletzt sein könnte
(Art. 79 Abs. 1 OG). Was sie in ihrer Rekursschrift vorbringt, vermag
die Feststellung der Vorinstanz, das Retentionsrecht beziehe sich nicht
auf die Forderung, für die der Konkurs angedroht worden sei, nicht zu
entkräften. Es besteht keine gesetzliche Bestimmung, die besagen würde,
dass der Gläubiger verpflichtet ist, eine Sicherheit für die Tilgung gerade
derjenigen Teilforderung zu verwenden, für die er Rechtsöffnung erhalten
hat. Würde man anders entscheiden, so liefe dies darauf hinaus, dass der
Gläubiger vorerst gezwungen wäre, sich für eine möglicherweise relativ
leicht aus dem übrigen Vermögen des Schuldners eintreibbare Forderung aus
dem Pfand zu befriedigen, währenddem er für unsichere weitere Forderungen
dann unter Aufgabe seiner Sicherheit auf die gewöhnliche Betreibung
verwiesen wäre (vgl. BGE 77 III 4). Der Rekurs ist daher abzuweisen.