Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 III 15



104 III 15

5. Auszug aus dem Entscheid vom 7. Februar 1978 i.S. A. und B. X. Regeste

    Pfändung eines Schuldbriefes; Widerspruchsklage (Art. 109 SchKG);
betreibungsamtliche Beschlagnahme eines Eigentümerpfandtitels, der auf
einem gepfändeten Grundstück lastet (Art. 13 VZG).

    1. Ein Eigentümerschuldbrief, der auf einem gepfändeten Grundstück
lastet, kann selbst nicht gepfändet werden; hinsichtlich eines solchen
Titels ist die Ansetzung der Frist zur Erhebung einer Widerspruchsklage
demnach nicht zulässig (E. 2b).

    2. Befindet sich ein solcher Schuldbrief im Gewahrsam eines
Drittansprechers, kann er vom Betreibungsamt nicht in Verwahrung genommen
werden (E. 2d).

Sachverhalt

    A.- Nachdem gegen A. X. verschiedene Betreibungen eingeleitet
worden waren, vollzog das Betreibungsamt Z. auf Begehren der in drei
Pfändungsgruppen zusammengefassten Gläubiger in der Zeit von Mitte Februar
bis Mitte September 1977 die Pfändung, die unter anderem die Liegenschaft
Grundbuch Z., Parzelle 1069, erfasste. Die Pfändungsurkunde enthält an
der diesem Objekt entsprechenden Stelle der Spalte "Bemerkungen" unter
anderem folgenden Eintrag:

    "Grundpfandrechte:

    ...

    Im III. Range:

    Inhaberschuldbrief vom 22. Sept. 1975 von Fr. 500'000.- nebst Zins
   bis 10% und Folgen.

    (Im Besitze der Ehefrau)

    Der Schuldbrief wurde im Jahre 1976 vom Schuldner der Ehefrau
   geschenkt. Das genaue Datum konnte dem BA nicht mitgeteilt werden.

    ...

    Die Klagefrist für diesen Drittanspruch gemäss Art. 109 SchKG
   beträgt 10 Tage.

    Der Schuldner wurde aufgefordert, diesen Schuldbrief dem BA zur

    Verfügung zu stellen. Er ist dieser Aufforderung bis jetzt aber nicht
   nachgekommen."

    Den erwähnten Inhaberschuldbrief (im folgenden Schuldbrief genannt)
hatte der Schuldner gestützt auf einen Schenkungsvertrag vom 29. September
1975 an seine Ehefrau, B. X., übertragen.

    Gegen den zitierten Eintrag in der Pfändungsurkunde erhoben A. X. und
seine Ehefrau bei der kantonalen Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung
und Konkurs Beschwerde, wobei sie verlangten:

    "1. ...

    4. Die Streichung der Wörter "Die Klagefrist für diesen Drittanspruch
   gemäss Art. 109 SchKG beträgt 10 Tage".

    5. Die Streichung der Wörter "Der Schuldner wurde aufgefordert,
   diesen Schuldbrief dem Betreibungsamt zur Verfügung zu stellen. Er
   ist dieser Aufforderung bis jetzt aber nicht nachgekommen."

    Mit Entscheid vom 30. November 1977 wies die kantonale Aufsichtsbehörde
die Beschwerde ab, soweit sie darauf eintrat.

    Hiegegen haben A. und B. X. an das Bundesgericht rekurriert. Sie
wiederholen im wesentlichen die bei der Vorinstanz gestellten Anträge
und verlangen zudem, es sei

    "festzustellen, dass der auf der Liegenschaft Grundbuch Z., Parzelle

    1069, lastende Inhaber-Schuldbrief dritten Ranges für Fr. 500'000.-
   nicht (rechtsgültig) gepfändet worden sei;

    der Schuldbrief aus dem allfälligen Pfändungsbeschlag zu entlassen
   und der Mitbeschwerdeführerin B. X. zu unbeschwertem Eigentum
   auszuhändigen."

Auszug aus den Erwägungen:

                     Aus den Erwägungen:

Erwägung 2

    2.- a) Der Antrag, es sei festzustellen, dass der Schuldbrief nicht
(rechtsgültig) gepfändet worden sei, bzw. dieser sei aus dem allfälligen
Pfändungsbeschlag zu entlassen und der Rekurrentin B. X. zu unbeschwertem
Eigentum herauszugeben, ist neu. Indessen wurde er offensichtlich erst
durch die in diesem Punkt nicht sehr deutlichen Erwägungen der Vorinstanz
veranlasst (vgl. Art. 79 Abs. 1 zweiter Satz a.E. OG). Da er überdies
mit dem schon bei der kantonalen Aufsichtsbehörde gestellten Begehren,
die Ansetzung der Frist zur Erhebung der Widerspruchsklage nach Art. 109
SchKG sei aufzuheben, insofern zusammenhängt, als ein Widerspruchsverfahren
eine Pfändung der umstrittenen Sache voraussetzt, ist auf ihn einzutreten.

    b) Eine Sache, die sich im Gewahrsam eines Dritten befindet, kann
jedenfalls dann gültig gepfändet werden, wenn der Gläubiger (oder der
Schuldner selbst) sie als Eigentum des Schuldners bezeichnet (vgl. BGE
84 III 83 f.). Die Pfändung ist grundsätzlich sogar dann möglich, wenn
der Dritte die Sache seinerseits zu Eigentum beansprucht. Will der
Gläubiger, dass die Pfändung aufrechterhalten bleibe, hat er in einem
solchen Fall freilich innerhalb der ihm vom Betreibungsamt anzusetzenden
Frist gegen den Drittansprecher Widerspruchsklage zu erheben (Art. 109
SchKG). Aus dieser Sicht hätte einer Pfändung des Schuldbriefes mithin
nichts entgegengestanden. Eine rechtserhebliche Besonderheit lag
indessen darin, dass das Grundstück, worauf er lastet, selbst gepfändet
wurde. Dadurch verlor der Schuldbrief die Eigenschaft eines selbständig
pfändbaren Aktivums des Schuldners (vgl. BGE 91 III 76 oben), und er hat
nunmehr einzig noch die Funktion, eine auf dem Grundstück ruhende Last
zu verkörpern. Ob dieses von B. X. beanspruchte Pfandrecht rechtsgültig
zu ihren Gunsten begründet worden oder ob es als Eigentümerpfandrecht zu
behandeln sei (dazu BGE 91 III 76 oben; FRITZSCHE, Schuldbetreibung und
Konkurs, 2. A., I. Bd. S. 170 Anm. 276), wird gegebenenfalls (spätestens im
Rahmen der Lastenbereinigung; Art. 39 ff. VZG) vom Richter zu entscheiden
sein.

    Ist und bleibt die Pfändung des Schuldbriefes nach dem Gesagten
solange ausgeschlossen, als das Grundstück selbst gepfändet ist, ergibt
sich, dass die sich auf den Schuldbrief beziehende Ansetzung der Frist
zur Erhebung der Widerspruchsklage nach Art. 109 SchKG gegen Bundesrecht
verstösst, da diese Klage voraussetzt, dass die umstrittene Sache gepfändet
ist. Insofern ist der Rekurs demnach begründet.

    c) Soweit mit dem Antrag, der Schuldbrief sei aus dem allfälligen
Pfändungsbeschlag zu entlassen und B. X. zu unbeschwertem Eigentum
auszuhändigen, verlangt wird, die Beschlagnahme des - inzwischen
abgelieferten - Titels sei aufzuheben, handelt es sich um ein
Rechtsbegehren, das dem kantonalen Verfahren nicht zugrunde liegen konnte,
da der Schuldbrief erst nach Fällung des angefochtenen Entscheides in den
Besitz des Betreibungsamtes gelangte. Über dieses Begehren, das übrigens
Gegenstand einer neuen, bei der Vorinstanz noch hängigen Beschwerde bilden
soll, kann deshalb im vorliegenden Verfahren nicht befunden werden. Nicht
einzutreten ist schliesslich auch auf den Antrag, es sei der Hinweis in
der Pfändungsurkunde zu streichen, wonach der Schuldner aufgefordert worden
sei, den Schuldbrief dem Betreibungsamt zur Verfügung zu stellen, er dieser
Aufforderung aber nicht nachgekommen sei. Die gerügte Bemerkung stellt
nicht eine Aufforderung zur Ablieferung des Titels dar, sondern einen
rein deklaratorischen Hinweis auf einen vom Betreibungsamt unternommenen
Schritt und die entsprechende Reaktion des Schuldners. Sie greift nicht
in die vollstreckungsrechtliche Stellung der Rekurrenten ein. Mit ihrer
Streichung liesse sich daher kein praktischer Verfahrenszweck erreichen.

    d) In Anbetracht des Umstandes, dass die Vorinstanz sich zur
Rechtmässigkeit der betreibungsamtlichen Beschlagnahme geäussert hat,
rechtfertigt es sich, diese Frage hier dennoch zu erörtern. Die kantonale
Aufsichtsbehörde ist der Ansicht, das Betreibungsamt sei auch ohne Pfändung
befugt, den Schuldbrief in Verwahrung zu nehmen (bzw. zu behalten). Sie
beruft sich dabei auf Art. 13 VZG, wonach im Besitze des Schuldners
befindliche Eigentümerpfandtitel, die nicht gepfändet wurden, vom
Betreibungsamt für die Dauer der Pfändung des Grundstückes in Verwahrung
zu nehmen sind. Diese Bestimmung sei hier - wo sich der Titel im Besitze
eines Dritten befand - sinngemäss anzuwenden. Es trifft zu, dass es sich
bei der erwähnten Inverwahrungnahme um eine Vorkehr zur Sicherung der
Pfändungsrechte handelt, durch die verhindert werden soll, dass das den
Betreibungsgläubigern haftende Grundstück durch eine nachträgliche Begebung
des Pfandtitels (zusätzlich) belastet werde. Hinsichtlich ihrer Aufgabe
lässt sie sich somit in der Tat mit der in Art. 98 SchKG vorgesehenen
betreibungsamtlichen Beschlagnahme vergleichen (dazu BGE 91 III 76
E. bb). Ob jene Massnahme gegenüber einem Dritten, der ein Inhaberpapier
(vgl. Art. 98 Abs. 1 SchKG) zu Eigentum beansprucht, durchgesetzt werden
könnte, mag dahingestellt bleiben. (Verneint wurde die Frage in dem von der
Vorinstanz angeführten Bundesgerichtsentscheid 83 III 46 ff. hinsichtlich
eines Automobils, einer Sache also, die unter Art. 98 Abs. 2 SchKG
fällt). Ein wesentlicher Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt bestünde
auf jeden Fall darin, dass dort ein gepfändeter Titel beschlagnahmt würde,
wogegen hier der vom Betreibungsamt in Verwahrung genommene Schuldbrief
selbst nicht gepfändet ist. Während bei einer gepfändeten Sache der
Drittansprecher sich einen ungerechtfertigten Eingriff längstens bis
zum Abschluss eines allfälligen Widerspruchsverfahrens gefallen zu
lassen hätte, müsste sich B. X. unter Umständen bis zur Erledigung
der den Schuldbrief betreffenden Lastenbereinigung (die ja erst kurz
vor der Verwertung des Grundstücks durchgeführt würde) gedulden. Dies
ist ihr nicht zuzumuten. Dass es sich bei ihr um die Ehefrau des
Schuldners handelt, vermag die Beschlagnahme nicht zu rechtfertigen,
zumal die Gefahr einer Weiterbegebung des Pfandtitels unter diesen
Verhältnissen nicht von vornherein grösser ist, als wenn sich dieser
im Gewahrsam eines Aussenstehenden befände. Ihre Interessen könnten
die Betreibungsgläubiger allenfalls dadurch schützen, dass sie gestützt
auf die von den Rekursgegnerinnen angeführten Bestimmungen (Art. 188 ZGB
bzw. Art. 286 SchKG) Klage erhöben und in jenem Verfahren als vorsorgliche
Massnahme die Hinterlegung des Schuldbriefes verlangen würden.