Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 III 12



104 III 12

4. Entscheid vom 26. April 1978 i.S. X. Regeste

    Fehlerhafte Zustellung eines Zahlungsbefehls; Frist für Beschwerde
und Rechtsvorschlag.

    Ein fehlerhaft zugestellter Zahlungsbefehl entfaltet seine
Wirkung dennoch, sobald der Schuldner von ihm Kenntnis erhält. Die
Frist zur Erhebung einer Beschwerde (gegen die Zustellung) oder eines
Rechtsvorschlages beginnt in einem solchen Fall mit der tatsächlichen
Kenntnisnahme zu laufen.

Sachverhalt

    A.- In der von A. gegen Esther X. am 9. Dezember 1977 eingeleiteten
Betreibung versuchte das Betreibungsamt mehrere Male, der Schuldnerin den
Zahlungsbefehl zuzustellen. Auf Grund einer Abholungseinladung erschien
schliesslich am 17. Januar 1978 Frieda X., die Mutter der Schuldnerin,
beim Betreibungsweibel und nahm den Zahlungsbefehl in Empfang.

    Am 30. Januar 1978 sandte Esther X. den Zahlungsbefehl an das
Betreibungsamt zurück, nachdem sie darauf am 28. Januar 1978 vermerkt
hatte, sie schlage Recht vor.

    Mit Verfügung vom 31. Januar 1978, die der Schuldnerin am 3. Februar
1978 zugestellt wurde, wies das Betreibungsamt den Rechtsvorschlag als
verspätet zurück.

    Am 13. Februar 1978 erhob Esther X. bei der kantonalen Aufsichtsbehörde
Beschwerde mit dem Begehren, der Zahlungsbefehl sei aufzuheben und
neu zuzustellen; allenfalls sei der Rechtsvorschlag in Aufhebung der
Verfügung des Betreibungsamtes vom 31. Januar 1978 zuzulassen. Die
kantonale Aufsichtsbehörde wies die Beschwerde am 14. März 1978 ab,
soweit sie darauf eintrat.

    Gegen diesen Entscheid hat Esther X. unter Erneuerung ihrer im
kantonalen Verfahren gestellten Anträge an das Bundesgericht rekurriert.

    A. und das Betreibungsamt stellen sinngemäss den Antrag der Rekurs
sei abzuweisen.

Auszug aus den Erwägungen:

Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer zieht in Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Die Vorinstanz stellt fest, die Rekurrentin habe im Zeitpunkt
der Übergabe des Zahlungsbefehls an ihre Mutter nicht mehr mit dieser in
Hausgemeinschaft gelebt, und geht ferner davon aus, dass Frieda X. nicht
ermächtigt gewesen sei, den Zahlungsbefehl für die Rekurrentin in Empfang
zu nehmen. Indessen nimmt sie an, diese habe spätestens am 28. Januar 1978,
an dem der Rechtsvorschlagserklärung beigefügten Datum, vom Zahlungsbefehl
Kenntnis erlangt. Die kantonale Aufsichtsbehörde hält mit Recht dafür,
der Zahlungsbefehl habe dadurch trotz der fehlerhaften Zustellung seine
Wirkung entfaltet (vgl. BGE 88 III 15; 61 III 158, und es ist ihr auch
darin beizupflichten, dass die am 13. Februar 1978 erhobene Beschwerde
unter diesen Umständen verspätet war, soweit damit die Zustellung des
Zahlungsbefehls angefochten wurde. Insofern ist die Vorinstanz daher auf
die Beschwerde zu Recht nicht eingetreten und erweist sich der Rekurs
als unbegründet.

Erwägung 2

    2.- Den am 30. Januar 1978 erklärten Rechtsvorschlag erachtet die
kantonale Aufsichtsbehörde als verspätet, weil die Frist des Art. 74 Abs. 1
SchKG mangels rechtzeitiger Anfechtung der Zustellung des Zahlungsbefehls
mit dessen Übergabe an die Mutter der Rekurrentin, d.h. am 17. Januar 1978,
zu laufen begonnen und demnach am 27. Januar 1978 geendet habe. Es kann ihr
darin indessen nicht gefolgt werden. Wird bei einer fehlerhaften Zustellung
zu Ungunsten des Schuldners angenommen, der Zahlungsbefehl entfalte
seine Wirkung dennoch, sobald der Schuldner von ihm Kenntnis erlange,
so ist für den Beginn der Frist zur Erklärung eines Rechtsvorschlages
konsequenterweise der Tag der tatsächlichen Kenntnisnahme als massgebend
zu betrachten. Der Schuldner darf nicht gezwungen sein, bei Gefahr der
Verwirkung der Möglichkeit, Recht vorzuschlagen, gegen die fehlerhafte
Zustellung Beschwerde zu führen.

Entscheid:

Demnach erkennt die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:

    Der Rekurs wird insoweit gutgeheissen, als festgestellt wird, dass
der Rechtsvorschlag der Rekurrentin in der Betreibung Nr.)... fristgemäss
erhoben wurde.