Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

BGE 104 IB 374



104 Ib 374

58. Auszug aus dem Urteil vom 10. November 1978 i.S. Schnellmann AG gegen
Regierungsrat des Kantons Schwyz Regeste

    Gewässerschutz.

    - Art. 20 GSchG bezieht sich, gleich wie Art. 19 GSchG, auf Bauten und
Anlagen aller Art, also auch auf solche, aus denen kein Abwasser anfällt
(E. 1a).

    - Begriff der Anlage im Sinne von Art. 20 GSchG (E. 1b).

Sachverhalt

    A.- Die Bauunternehmung Schnellmann AG, Siebnen, ist Pächterin eines
Grundstückes, das ausserhalb des generellen Kanalisationsprojektes (GKP)
der Gemeinde Wangen SZ, auf der sogenannten Wangener Allmeind liegt. Die
Schnellmann AG errichtete auf diesem Grundstück einen Lagerplatz für ihre
Bauunternehmung. Sie schüttete zu diesem Zweck Kies auf und errichtete
eine Baracke sowie einen Unterstand. Heute werden auf diesem Gelände
Baumaschinen und Baumaterialien sowie nicht mehr verwendbare Maschinen
und Materialien abgelagert.

    Da das Amt für Umweltschutz des Kantons Schwyz der Auffassung war, die
Errichtung dieses Lagerplatzes verstosse gegen das Gewässerschutzgesetz
(GSchG) und den Bundesbeschluss über dringliche Massnahmen auf dem
Gebiete der Raumplanung (BMR), verfügte es, der Lagerplatz und die
darauf errichteten Bauten müssten beseitigt und der frühere Zustand
wiederhergestellt werden. Der Regierungsrat des Kantons Schwyz bestätigte
auf Beschwerde hin diesen Entscheid am 9. Januar 1978 im wesentlichen,
war aber der Ansicht, das aufgeschüttete Kies stelle keine Gefährdung
der Gewässer dar; eine Entfernung desselben brauche daher im Rahmen des
Gewässerschutzrechtes nicht gefordert zu werden. Er ordnete jedoch eine
Wegräumung der Kiesaufschüttung an, soweit der Lagerplatz im Bereiche
der Schutzzone im Sinne des BMR liege.

    Die Schnellmann AG führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen
den Entscheid des Regierungsrates. Sie verlangt die vollumfängliche
Aufhebung des angefochtenen Entscheides. Das Bundesgericht heisst die
Beschwerde teilweise gut und weist den Regierungsrat an, die Anordnung der
Wegschaffung des Kieses nochmals zu überprüfen. Soweit der angefochtene
Entscheid jedoch gestützt auf das GSchG die Entfernung der Bauten,
Maschinen und übrigen Ablagerungen fordert, weist das Bundesgericht die
Beschwerde ab, aus der folgenden

Auszug aus den Erwägungen:

                           Erwägung:

Erwägung 1

    1.- Es ist unbestritten, dass sich der Lagerplatz der
Beschwerdeführerin ausserhalb des GKP der Gemeinde Wangen befindet und
dass in diesem Gebiet Baubewilligungen für Gebäude und Anlagen im Sinne
von Art. 20 GSchG nur erteilt werden dürfen, wenn ein sachlich begründetes
Bedürfnis nachgewiesen wird. Die Beschwerdeführerin macht jedoch geltend,
das GSchG sei auf ihren Lagerplatz und die darauf stehenden Bauten nicht
anwendbar, weil daraus kein Abwasser anfalle. Im übrigen ist sie der
Ansicht, der Lagerplatz könne nicht als Anlage im Sinne des Gesetzes
betrachtet werden.

    a) Das Bundesgericht hat im unveröffentlichten Urteil Weber vom
11. Oktober 1974 festgehalten, Art. 20 GSchG beziehe sich, gleich wie
Art. 19 GSchG, auf "Bauten und Anlagen aller Art", also auch auf Bauten
und Anlagen, aus denen kein Abwasser anfalle. An dieser Rechtsprechung
ist festzuhalten. Es sollen grundsätzlich alle Bauten und Anlagen, für
die nicht ein sachlich begründetes Bedürfnis nachzuweisen ist, in den
Bauzonen konzentriert werden, ohne Rücksicht darauf, ob die Bauten oder
Anlagen eine konkrete gewässerpolizeiliche Gefahr mit sich bringen. Bei der
Schaffung von Art. 20 GSchG wurden nicht nur gewässerpolizeiliche, sondern
auch raumplanerische Ziele verfolgt (BGE 103 Ib 113, 100 Ib 91). Der Bund
war im Zeitpunkt des Erlasses des Gewässerschutzgesetzes (8. Oktober 1971)
bereits befugt, über den Gewässerschutz hinaus im Rahmen der Art. 22quater
BV und 24septies BV raumplanerische Ziele sowie Ziele des Umweltschutzes
zu verfolgen. Es entspricht einer verfassungskonformen Auslegung, wenn
angenommen wird, Art. 20 GSchG müsse auch dann angewandt werden, wenn
im Einzelfall nicht dargetan ist, dass von der Baute oder Anlage eine
konkrete Gefährdung für ein ober- oder unterirdisches Gewässer ausgeht.

    Bei dieser Rechtslage ist es unter dem Gesichtspunkt von Art. 20
GSchG unerheblich, ob beim Lagerplatz der Beschwerdeführerin Abwasser
anfallen oder nicht. Die allgemeine Lebenserfahrung zeigt zwar, dass
auf dem Lagerplatz einer Bauunternehmung immer mit Schmutzwasser oder
Verlusten von wassergefährdenden Flüssigkeiten zu rechnen ist und dass
diese Einrichtungen daher eine latente Gefährdung für das Grundwasser
in sich schliessen. Nach der zitierten Rechtsprechung braucht aber nicht
geprüft zu werden, wie konkret diese Gefährdung im vorliegenden Fall ist,
da Gebäude und Anlagen ausserhalb des GKP auch ohne Nachweis einer solchen
Gefährdung unter die Bestimmung von Art. 20 GSchG fallen.

    b) Die Beschwerdeführerin wendet ein, sie habe keine Anlage im Sinne
von Art. 20 GSchG erstellt. Der Begriff der Anlage sei im GSchG der
gleiche wie im BMR und gemäss Art. 6 Abs. 2 der Vollziehungsverordnung
zum BMR könne man nur "bei erheblichen Geländeveränderungen" von einer
Anlage sprechen. Dieses Argument ist nicht stichhaltig, denn Art. 6 Abs. 2
dieser Verordnung zählt nur Beispiele auf, die unter den Begriff der Anlage
fallen. Diese Aufzählung ist aber nicht abschliessend. Das Bundesgericht
hat im übrigen den Begriff der Anlage im GSchG und im BMR nach dem Sinn
und Zweck der beiden Erlasse zu beurteilen.

    Art. 20 GSchG stellt die Anlagen den Gebäuden gleich und lässt
beide ausserhalb des GKP nur zu, wenn ein sachlich begründetes Bedürfnis
nachgewiesen wird. Aus dieser Gleichstellung muss geschlossen werden, dass
eine Einrichtung dann als Anlage im Sinne des Gesetzes zu qualifizieren
ist, wenn ihre Wirkung, insbesondere in bezug auf die Gewässer und die
Raumordnung ähnlich ist wie diejenige von Gebäuden.

    Die Beschwerdeführerin hat zur Einrichtung ihres Lagerplatzes Kies
aufgeschüttet sowie eine Baracke und einen Unterstand aufgebaut. Sie lagert
auf diesem Areal Baumaschinen und Baumaterial sowie nicht mehr verwendbare
Maschinen und Materialien ab. Eine Einrichtung von diesem Ausmass und
solcher Ausstattung hat in gewässerpolizeilicher und raumplanerischer
Hinsicht eine ähnliche Wirkung wie ein Gebäude. Sie kann in gleicher
Weise, oder möglicherweise noch stärker als ein Gebäude, die Landschaft
verunstalten und bringt eine, mindestens latente Gefährdung der Gewässer
mit sich. Der Lagerplatz der Beschwerdeführerin ist daher als Anlage im
Sinne von Art. 20 GSchG zu betrachten.

    c) Die Beschwerdeführerin hat für ihren Lagerplatz kein sachlich
begründetes Bedürfnis im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung
dargetan. Der Regierungsrat konnte daher ohne Bundesrechtsverletzung die
Aufhebung dieses Lagerplatzes und die Entfernung sämtlicher Materialien,
die sich darauf befinden, verlangen.

    Unter dem Gesichtspunkt der Angemessenheit, welche das Bundesgericht
im Bereiche des GSchG überprüfen kann (Art. 10 GSchG), ist der
regierungsrätliche Entscheid ebenfalls nicht zu beanstanden, denn die
vom Gesetz geforderte Ordnung kann grundsätzlich nicht ohne Abräumung
des Lagerplatzes verwirklicht werden.